OGH 14Os24/04

OGH14Os24/0414.4.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. April 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fuchs als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Anna E***** wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2. Jänner 2004, GZ 034 Hv 140/03k-15, sowie über deren Beschwerde gegen den gleichzeitig gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO verkündeten Beschluss nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch und im Strafausspruch sowie der gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO verkündete Beschluss aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an den Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit ihrer Berufung und Beschwerde wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Anna E***** (abweichend von der wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls erhobenen Anklage - ON 3) des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil sie am 3. April 2003 in Wien versucht hat, die Verkäuferinnen Jayshree J*****, Ling Ling L***** und Ruchi S***** dadurch mit Gewalt zur Unterlassung ihrer Anhaltung zu nötigen, dass sie auf diese einschlug.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil meldete die Angeklagte rechtzeitig Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, den Beschluss gemäß § 494a StPO bekämpft sie mit Beschwerde (ON 19). Nach dem im Akt erliegenden Rückschein (S 3 verso) stellte das Erstgericht dem Verteidiger am Donnerstag, dem 8. Jänner 2004, eine Urteilsausfertigung zu. Die ihm zur Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel zustehende Frist von vier Wochen hätte damit am Donnerstag, dem 5. Februar 2004, geendet. Die erst am Freitag, dem 6. Februar 2004 verfasste und zur Post gegebene Nichtigkeitsbeschwerde (ON 20) wäre daher, wie der Generalprokurator zutreffend ausführt, verspätet. In der gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung hat der Verteidiger jedoch das Originalkuvert der Urteilszustellung vorgelegt, aus welchem sich ergibt, dass dieser Rückscheinbrief tatsächlich erst am 9. Jänner 2004 zugestellt wurde. Damit ist aber die Ausführung der Rechtsmittel der Angeklagten rechtzeitig erfolgt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde stützt sich auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b, 10a

und 11 StPO.

Ihr kommt Berechtigung zu.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) macht unter anderem geltend, das Erstgericht habe sich nicht mit einem freiwilligen Rücktritt vom Versuch auseinander gesetzt.

Das Schöffengericht hat zum Schuldspruch im Wesentlichen festgestellt: "Als Jayshree J***** schließlich telefonisch die Polizei verständigte, wollte Anna E***** nun endgültig das Geschäftslokal verlassen und begann um sich bzw auf Jayshree J***** zu schlagen, wodurch diese nicht verletzt wurde. Sie handelte dabei mit dem Vorsatz, die beiden Verkäuferinnen Jayshree J***** und Ling Ling L***** zu einer Unterlassung, nämlich ihrer Anhaltung zu zwingen. Als die dazu kommende Zeugin Ruchi S***** die Anna E***** an der Schulter festhielt und sie in englischer Sprache aufforderte, dieses Verhalten einzustellen, riss sie die Ruchi S***** an den Haaren und schlug ebenfalls auf sie ein, wodurch diese jedoch nicht verletzt wurde. Letztlich beruhigte sich die Angeklagte, unter dem Eindruck der Verständigung der Polizei und wartete gemeinsam mit den Verkäuferinnen das Eintreffen der Polizei ab" (US 4). Diesen Konstatierungen ist aber nicht zu entnehmen, ob die Angeklagte von der weiteren Ausführung ihres Vorhabens freiwillig abgelassen hat oder nicht. Es fehlen nämlich entscheidungswesentliche Feststellungen über den Tatplan der Anna E***** und darüber, ob bei ihr bei Einstellung ihres Angriffes die Vorstellung erhalten blieb, dass eine ihrem Tatplan entsprechende Tatvollendung noch möglich wäre (vgl Hager/Massauer in WK2 §§ 15, 16 Rz 128).

Aufgrund dieser mangelhaften Konstatierungen kann noch nicht abschließend beurteilt werden, ob das Verhalten der Angeklagten strafbar ist oder nicht. Das Urteil ist daher mit dem aufgezeigten Nichtigkeitsgrund behaftet, sodass sich eine neue Hauptverhandlung nicht vermeiden lässt.

Die Entscheidung des Schöffengerichtes war demnach im schuldig sprechenden Teil, demgemäß auch im Strafausspruch sowie der gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO verkündete Beschluss aufzuheben und die Verfahrenserneuerung vor dem nunmehr zuständigen Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien anzuordnen.

Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die weiter geltend gemachten Nichtigkeitsgründe.

Im zweiten Rechtsgang wird das erkennende Gericht ausreichende Feststellungen zur Beurteilung des Rücktritts vom Versuch und dessen Freiwilligkeit zu treffen haben. Für den Fall der Bejahung der Strafbarkeit wird es sich auch mit der Irrtumsproblematik auseinanderzusetzen haben.

Mit ihrer Berufung und Beschwerde war die Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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