OGH 12Os20/04

OGH12Os20/042.4.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. April 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kainz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hans-Peter B***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 10. September 2003, GZ 42 Hv 68/02s-35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hans-Peter B***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (III) und der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (IV) schuldig erkannt.

Demnach hat er in Linz

I) mit einer unmündigen Person, nämlich seiner am 29. Oktober 1992

geborenen Tochter Sandra B*****, den Beischlaf unternommen, indem er jeweils seinen Penis an die Scheide des Mädchens ansetzte, und zwar:

  1. 1) im Frühling oder Sommer 2000 in einem Fall;
  2. 2) im Herbst 2000 in einem Fall;
  3. 3) von Anfang 2001 bis Juli 2001 in zumindest 10 Fällen;

II) von Anfang 2001 bis Juli 2001 in mehreren Fällen außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vorgenommen, indem er die Genannte an der Scheide betastete;

III) durch die zu Punkt I) und II) angeführten Tathandlungen sein minderjähriges Kind zur Unzucht missbraucht;

IV) im Frühling oder Sommer 2000 Sandra B***** durch gefährliche Drohung zumindest mit der Zufügung von Körperverletzungen dadurch genötigt, niemandem von seiner unter Punkt I)1) angeführten Tathandlung zu erzählen, indem er ihr ankündigte, er werde, wenn sie dies erzähle, nicht mit ihr auf das Gericht gehen, sondern sie gleich umbringen.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden Verteidigungsrechte durch die - entgegen § 238 StPO - in der Hauptverhandlung am 10. September 2003 unterlassene (erst im angefochtenen Erkenntnis nachgeholte - US 12) Entscheidung über den in der Hauptverhandlung vom 11. Juni 2003 gestellten (S 222), in jener vom 10. September 2003 gerade noch mit hinreichender Deutlichkeit wiederholten ("die Parteien bringen vor wie bisher"; S 226; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 310 ff) Antrag auf Einholung eines psychiatrisch-neurologischen Gutachtens sowie einer Expertise eines Sachverständigen aus der Sexualkunde zum Beweis, "dass der Angeklagte keine sexuell pädophile Neigung aufweist, sich insbesondere in sexueller Hinsicht nicht Kindern hingezogen fühlt und auch sonst keine Hinweise vorliegen, dass er hinsichtlich der sexuellen Komponente keine seelischen oder geistigen Abartigkeiten aufweist sowie seine Persönlichkeitstruktur mit der ihm zur Last gelegten Tat nicht in Einklang zu bringen ist", nicht beeinträchtigt. Denn im Sinn des dazu in der Hauptverhandlung am 11. Juni 2003 ergangenen erstgerichtlichen Zwischenerkenntnisses, das (hier) durch Zeitablauf (§ 276a StPO) seine Wirksamkeit verlor (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 30, Fabrizy StPO9 § 238 RN 4), sind die allenfalls für eine Einweisung nach § 21 Abs 1 StGB relevanten Beweisthemen fallbezogen nicht aktuell (S 223).

Vom - unzulässigen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 331 ff) - Erkundungscharakter dieser Antragstellung abgesehen wird zudem nicht dargelegt, warum der unter Beweis zu stellende Umstand für die Schuldfrage von Bedeutung sein sollte, vielmehr versucht, hiedurch die Akzeptanz der (vom Schöffengericht abgelehnten leugnenden) Verantwortung des Beschwerdeführers herbeizuführen. Entgegen der Mängelrüge (Z 5) betrifft die Frage, ob bzw wann Sandra B***** "jemals geäußert hätte, dass sie zum Beschwerdeführer ziehen wolle", keine entscheidende Tatsache, sodass die kritisierten ausführlichen diesbezüglichen Urteilserwägungen (US 8 f) auf sich beruhen können: Mit Blick auf die als überzeugend erachtete Aussage der Tatbetroffenen, sie habe aus Angst vor dem Angeklagten diesem gegenüber Freude über Begegnungen bloß simuliert (S 135), wird die Ernstlichkeit von auch allenfalls nach den Missbrauchshandlungen getätigten Äußerungen des Mädchens, einmal zu seinem Vater ziehen zu wollen, relativiert, weshalb die darauf bezogene Passage aus der Aussage der Mutter des Beschwerdeführers im Sinn des Gebots gedrängter Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) keiner näheren Erörterung bedurfte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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