OGH 3Ob291/03w

OGH3Ob291/03w25.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien

1. Gundi U*****, und 2. Ewald U*****, beide vertreten durch Dr. Dietrich Clementschitsch und andere Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagten Parteien 1. Hans M*****, und 2. Luise M*****, beide vertreten durch Reif und Partner Rechtsanwälte OEG in Villach, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO; Rekursinteresse 821,12 EUR), infolge Rekurses der klagenden Parteien gegen den in das Urteil aufgenommenen Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 14. Oktober 2003, GZ 2 R 61/03b-18, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18. November 2003, GZ 2 R 61/03b-23, womit infolge Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 3. Dezember 2002, GZ 7 C 88/02h-4, die Klage teilweise zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird einschließlich der zweitinstanzlichen Kostenentscheidung ersatzlos aufgehoben und dem Berufungsgericht unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrunds im Umfang des restlichen Oppositionsklagebegehrens von 473,12 EUR sA die Sachentscheidung über die Berufung der klagenden Parteien aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Aufgrund behaupteter Aufrechnung mit drei titulierten und zwei nicht titulierten Gegenforderungen (vom Erstrichter mit Forderungen "A" bis "E" bezeichnet) begehrten die beiden Oppositionskläger das Urteil, der Kostenersatzanspruch der beiden Oppositionsbeklagten aus zwei Urteilen - 11.245,34 S = 817,23 EUR (Ersturteil) und 670,29 EUR (zweitinstanzliches Urteil), insgesamt somit 1.487,52 EUR sA - , zu dessen Hereinbringung das Erstgericht am 4. Oktober 2002 den Beklagten die Exekution bewilligt hatte, sei erloschen. Zur Forderung "E" trugen die Kläger vor, im Vorverfahren AZ 6 C 201/00s des Bezirksgerichts Villach (im Folgenden nur Vorverfahren) sei die Abrechnung der Errichtungskosten einer gemeinsamen Wasserversorgungsanlage falsch errechnet worden, was das Berufungsgericht des Vorverfahrens zugestanden habe, jedoch die diesbezügliche Beweisvorlage als präkludiert angesehen habe. Im Vorverfahren habe das Erstgericht einen tatsächlich nur 8.000 S betragenden Zuschuss (gemeint: des zuständigen Gemeindeamts) an die Kläger mit 25.000 S verrechnet, weshalb aus der Errichtung der Anlage von den Beklagten noch 17.000 S = 1.235,44 EUR zu bezahlen seien. In der Tagsatzung vom 26. November 2002 (ON 3 AS 16) erörterte der Erstrichter den Inhalt des Vorverfahrens und erläuterte seine Rechtsansicht, dass über die Forderung von 17.000 S bereits im Vorverfahren rechtskräftig dahin abgesprochen worden sei, dass diese Forderung nicht zu Recht bestehe.

Das Erstgericht erklärte den Anspruch der Beklagten im Umfang eines Teilbetrags von 666,40 EUR (offene, hier nicht mehr relevante Forderungen "A" bis "C") samt 4 % Zinsen seit 7. März 2002 für erloschen und wies das Mehrbegehren, auch der darüber hinausgehende Anspruch von 817,23 EUR samt 4 % Zinsen seit 11. November 2001 und von 3,89 EUR samt 4 % Zinsen seit 7. März 2002 und - insoweit das Klagebegehren überschreitend - der bislang aufgelaufenen Exekutionskosten der Beklagten von 218,58 EUR sei erloschen, ab. Zur Forderung "E" führte der Erstrichter aus, aus dem aus Vorbringen, Urteilsspruch und Urteilsbegründung ersichtlichen Streitgegenstand im Vorverfahren folge, dass über den Anspruch der Kläger gegenüber den Beklagten rechtskräftig und nach der Judikatur für das vorliegende Verfahren bindend abgesprochen worden sei. Es bestehe daher auch die Forderung "F" (gemeint "E"), die bereits im Vorverfahren gegenständlich gewesen sei, nicht zu Recht.

Im ersten Rechtsgang des Berufungsverfahrens wies die zweite Instanz die Berufung der Kläger aus der Erwägung zurück, dass das der Klage zugrunde liegende Exekutionsverfahren über Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 17. Februar 2003 gemäß § 39 Abs 1 Z 6 EO eingestellt worden sei (ON 8).

Mit der nun angefochtenen Entscheidung ON 18 gab das Berufungsgericht im zweiten Rechtsgang nach Aufhebung seines Zurückweisungsbeschlusses ON 8 durch den Obersten Gerichtshof (3 Ob 150/03k-16 = JBl 2004, 190) dem Rechtsmittel der Kläger gegen den klagsabweisenden Teil des Ersturteils nicht Folge. Unter Berücksichtigung seines Berichtigungsbeschlusses ON 23 sprach es als Rekursgericht aus, die angefochtene Entscheidung werde mit der Maßgabe bestätigt, dass die Klage, soweit sie den Anspruch auf Zahlung von 17.000 S = 1.235,44 EUR betreffe, zurückgewiesen und das Verfahren, soweit es über diesen Anspruch abgeführt worden sei, aufgehoben werde. Im Übrigen bestätigte die zweite Instanz als Berufungsgericht in Urteilsform die Abweisung eines Teils des Klagebegehrens mit der Maßgabe, dass das infolge Einstellung der Anlassexekution AZ 13 E 5078/02g des Bezirksgerichts Villach in ein Feststellungsbegehren umzudeutende Oppositionsbegehren der Kläger, es werde festgestellt, dass der Anspruch der Kläger auf anteilige Aufwendungen für die Wasserversorgungsanlage in den Jahren 2001/2002 mit 348 EUR zu Recht bestehe, abgewiesen werde. Zur (vermeintlichen) Rekursentscheidung sprach das Berufungsgericht aus, der Revisionsrekurs sei gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO jedenfalls unzulässig. Zudem enthält die berichtigte Ausfertigung im erstgerichtlichen Akt auch noch entgegen dem Berichtigungsbeschluss ON 23 den irreführenden Zusatz, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei in diesem Punkt nicht zulässig. Dazu vertrat die zweite Instanz die Auffassung, dass über einen Anspruch der Oppositionskläger auf Zahlung von 17.000 S = 1.235,44 EUR bereits in einem früheren Verfahren rechtskräftig abweisend entschieden worden sei. Demnach sei die "Zweitklage" aufgrund der Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft über denselben Streitgegenstand mit Beschluss zurückzuweisen. Indem die Kläger das Prozesshindernis übersehen hätten, liege ein Nichtigkeitsgrund vor, der in jeder Lage des Verfahrens bis zur Rechtskraft zur amtswegigen Aufhebung des durchgeführten Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung sowie zur Zurückweisung der Klage führen müsse. Das Erstgericht sei in seinem Entscheidung aber ohnehin von der Rechtskraftwirkung der Vorentscheidung ausgegangen. Daher sei das Ersturteil mit der Maßgabe zu bestätigen, dass die Klage (unter Aufhebung des Bezug habenden nachfolgenden Verfahrens) in diesem Umfang zurückgewiesen werde. In seinem Berichtigungsbeschluss bezeichnete das Rekursgericht seine Entscheidung in diesem Umfang als echte Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung. Es sei demnach eine Entscheidung des Rekursgerichts gefällt worden, weshalb ein Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nach § 528 Abs 2 Z 1 ZPO einzufügen sei, weil der maßgebende Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR nicht übersteige. Entgegen diesem Ausspruch ist der gegen den Beschlussteil der zweitinstanzlichen Entscheidung gerichtete Rekurs der Kläger zufolge des anzuwendenden § 519 Abs 1 Z 1 - und nicht § 528 Abs 2 Z 1 - ZPO jedenfalls zulässig. Er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Infolge offenbarer Verkennung sowohl der Rechtsnatur des vom Erstgericht abgewiesenen Klagsanspruchs als auch der Qualifikation seiner Entscheidung als Sachentscheidung kam die zweite Instanz zu der vom Obersten Gerichtshof nicht zu billigenden Auffassung, es habe insoweit als Rekursgericht eine bereits vom Erstgericht - ungeachtet der Formulierung einer Klagsabweisung - in Wahrheit verfügte Klagezurückweisung bestätigt, weshalb mangels Überschreitung der Anfechtungsgrenze von 4.000 EUR ein Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei. Darüber hinaus liegt aber auch ein deutliches Überschreiten des Klagebegehrens vor, betraf doch die Klagsabweisung - selbst bei Berücksichtigung der unrichtigen Einbeziehung der Exekutionskosten der Beklagten von 218,58 EUR - nur insgesamt 1.039,70 EUR, während nach dem Spruch des zweitinstanzlichen Beschlusses die Klage in Ansehung von 1.235,44 EUR zurückgewiesen wurde. Darauf kommt es aber aus den nachstehenden Erwägungen nicht weiter an.

Wie einleitend dargestellt, geht es in dem noch offenen Umfang des Klagebegehrens um ein solches nach § 35 EO, womit das Erlöschen einer restlichen Kostenersatzforderung aus einem erstinstanzlichen Urteil und der gesamten Kostenforderung aus einem Berufungsurteil ausgesprochen werden soll. Soweit das Erstgericht auch ein gar nicht gestelltes Begehren auf Ausspruch des Erlöschens einer Forderung auf Zahlung von Exekutionskosten der Beklagten von 218,58 EUR abwies, fehlt es zwar an jeglicher Beschwer der Kläger. Dass darüber aber bereits eine zweitinstanzliche Entscheidung ergangen wäre, lässt sich infolge der nicht zu billigenden Umformulierung des Klagebegehrens durch das Berufungsgericht nicht erkennen. Damit kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass dieses Teilbegehren Gegenstand der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs wäre.

Richtig ist, dass sich die Kläger in ihrer Berufung nur noch auf die Aufrechnung mit der im Ersturteil mit "E" bezeichneten Teilforderung auf Zahlung von 17.000 S = 1.235,44 EUR an restlichen Errichtungskosten einer Wasserversorgungsanlage sowie der Teilforderung "D", die der Erstrichter mangels ausreichender Präzisierung trotz gerichtlicher Aufforderung abwies, stützten. Das Berufungsgericht gelangte nun offenbar aufgrund des Aufhebungsbeschlusses des erkennenden Senats 3 Ob 150/03k-16 zur Auffassung, zufolge Einstellung (allenfalls Beendigung) der Anlassexekution sei (rückwirkend) aus dem Oppositionsklageteilbegehren ein, noch dazu dieses Begehren überschreitendes Feststellungsbegehren betreffend die Forderung "E" geworden. Eine derartige Rechtsansicht kann der Entscheidung 3 Ob 150/03k (ON 16) indes nicht entnommen werden, wird doch darin nur ausgesprochen, dass die Beendigung bzw. Einstellung des Exekutionsverfahrens im Lauf des Berufungsverfahrens, somit nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz, nicht zum Wegfall der Beschwer der Oppositionskläger geführt habe, weil sie noch ein Feststellungsinteresse hätten. Die Einstellung des Exekutionsverfahrens während des Berufungsverfahrens über das Oppositionsbegehren bewirkt nicht rückwirkend eine Klagsänderung in der Form, dass aus dem Oppositionsbegehren nun das Klagebegehren, eine andere Forderung bestehe zu Recht, wird. Richtigerweise hatte nämlich das Berufungsgericht seiner Entscheidung die zum Schluss der Verhandlung erster Instanz vorliegenden Rechtsschutzanträge zugrundezulegen. Eine Klagsänderung im Berufungsverfahren wäre ja auch nach stRsp unzulässig (RIS-Justiz RS0039377; Kodek in Rechberger2 § 483 ZPO Rz 6). Dass aber das Erstgericht, das auf eine Beendigung oder Einstellung der Exekution nicht Rücksicht nahm, ja gar nicht nehmen konnte, über einen Anspruch nach § 35 EO entschieden hat, kann noch weniger zweifelhaft sein. Entgegen der Ansicht der zweiten Instanz kann der erstinstanzlichen Entscheidung auch keineswegs entnommen werden, der Erstrichter habe in Wahrheit das Klagebegehren - in welchem Umfang auch immer - wegen rechtskräftig entschiedener Sache zurückgewiesen und sich nur in der Formulierung vergriffen. Zwar ist seiner Entscheidungsbegründung zu entnehmen, dass über den Anspruch "E" mit einem früheren Urteil bereits "rechtskräftig und nach der Judikatur für das gegenständliche Verfahren bindend abgesprochen worden" sei. Damit brachte aber der Erstrichter keineswegs zum Ausdruck, es liege insoweit das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache vor, sondern der von den Klägern zur Tilgung herangezogene Anspruch bestehe nach der rechtskräftigen und insoweit bindenden Vorentscheidung nicht zu Recht woran die Tilgungswirkung scheitern müsse. Die Bindungwirkung eines früheren Urteils schließt die Entscheidung über das neue Klagebegehren keineswegs aus (stRsp; SZ 52/151 = JBl 1980, 541; RIS-Justiz RS0041253); vielmehr äußert sich die Bindungswirkung dahin, dass zwar über das zweite Begehren mit Sachentscheidung abzusprechen, dabei aber die rechtskräftige Entscheidung zugrunde zu legen ist (RIS-Justiz RS0041205; Rechberger in Rechberger2 § 411 ZPO Rz 3 und 9).

Hat aber das Erstgericht in der Sache entschieden, dann handelt es sich bei der Entscheidung der zweiten Instanz, die demnach richtig auch insoweit als Berufungsgericht entschieden hat, um einen Beschluss iSd § 519 Abs 1 Z 1 ZPO, weil erst die zweite Instanz insoweit die Klage unter Nichtigerklärung des entsprechenden erstinstanzlichen Verfahrens zurückgewiesen hat. Keineswegs liegt eine bloße Maßgabebestätigung des erstinstanzlichen, vom Berufungsgericht in einen klagszurückweisenden Beschluss umqualifizierten Urteilsteils vor. Der Zulässigkeitsausspruch hätte deshalb unterbleiben müssen, weil Entscheidungen nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO uneingeschränkt anfechtbar sind (3 Ob 150/03k mwN). Die Kläger machen somit im Ergebnis zu Recht geltend, dass der vom Berufungsgericht angenommene Nichtigkeitsgrund nicht vorliegt. Daher ist seine Entscheidung im angefochtenen Umfang und damit auch im Kostenpunkt aufzuheben und ihm die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Kläger ohne Rücksicht auf den von ihm angenommenen Zurückweisungsgrund aufzutragen (3 Ob 158/00g mwN). Eine Urteilsfällung durch den Obersten Gerichtshof selbst kommt nach stRsp nicht in Betracht (10 ObS 127, 128/95 = SSV-NF 9/62 u.a.; RIS-Justiz RS0065254).

Festzuhalten bleibt, dass Gegenstand des weiteren Verfahrens mangels unanfechtbarer Bestätigung des Ersturteils in Ansehung der Forderung der Kläger "D" von 348 EUR nur noch die Forderung "E", beschränkt auf das noch nicht rechtskräftige Begehren (473,12 EUR = 821,12 EUR abzüglich 348 EUR) ist.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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