Spruch:
Der vorgelegte (Teil-)Akt wird dem Bezirksgericht Salzburg zurückgestellt.
Text
Begründung
Das Landesgericht Wr. Neustadt sprach als Rekursgericht mit Beschluss vom 26. 9. 2003 (ON 867) aus, dass das Bezirksgericht Wr. Neustadt "örtlich unzuständig" sei; deshalb überwies es die Pflegschaftssache nach § 44 Abs 1 JN an das gemäß § 109 Abs 2 JN zuständige Bezirksgericht Salzburg. Im Übrigen bestätigte es die Bestellung einer bestimmten Rechtsanwältin als einstweilige Sachwalterin gemäß § 238 Abs 1 und 2 AußStrG und sprach noch aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil bei der Entscheidung eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG nicht zu lösen gewesen sei. Dieser Beschluss wurde am 30. 10. 2003 der einstweiligen Sachwalterin des Betroffenen zugestellt. Sie ergriff kein Rechtsmittel. Die Zustellung dieses Beschlusses an den Betroffenen ist nicht ausgewiesen. Der Betroffene hatte in dem mit diesem Beschluss erledigten Rekurs die Ansicht vertreten, das Bezirksgericht Innere Stadt Wien sei für seine Sachwalterschaftssache zuständig. Mit Beschluss vom 16. 2. 2004 übertrug das Bezirksgericht Salzburg die "Zuständigkeit zur Besorgung dieser Sachwalterschaftssache" gemäß § 111 Abs 1 JN dem Bezirksgericht Wr. Neustadt. Im Übrigen sprach es gemäß § 111 Abs 2 JN aus, dass diese Übertragung mit "der Übernahme der übertragenen Geschäfte" durch das Bezirksgericht Wr. Neustadt wirksam werde (ON 923). Unter Beifügung von Beschlussausfertigungen und Übersendung der Aktenbände 26 ff ersuchte es das Bezirksgericht Wr. Neustadt "um Zustellung dieses Beschlusses". Die Zustellung wurde bisher nicht bewirkt. Das Bezirksgericht Wr. Neustadt erklärte jedoch in einem Amtsvermerk vom 25. 2. 2003, es verweigere "im Hinblick auf
die rk. Entscheidung des LG Wr. Neustadt vom 26. 9. 2003 ... die Übernahme des Sachwalterschaftsverfahrens ... gem. dem B. des BG
Salzburg v. 16. 2. 2004". Am gleichen Tag verfügte es die Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof "zur Entscheidung im Zuständigkeitsstreit".
Rechtliche Beurteilung
Die Aktenvorlage ist verfrüht.
1. Überweisungsbeschluss
1. 1. Ob der gemäß § 44 Abs 1 JN gefasste Beschluss des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 26. 9. 2003 bereits in Rechtskraft erwachsen ist, war für die Bindung des Bezirksgerichts Salzburg an die ausgesprochene Überweisung nicht von Bedeutung (siehe dazu jüngst 3 Nc 34/03k). Offenkundig deshalb fasste das Bezirksgericht Salzburg, an das die Sachwalterschaftssache überwiesen wurde, den Beschluss vom 16. 2. 2004, mit dem es die Zuständigkeit für dieses Verfahren gemäß § 111 Abs 1 JN an das Bezirksgericht Wr. Neustadt übertrug. 1. 2. Der erkennende Senat erläuterte bereits in der im ersten Sachwalterschaftsverfahren ergangenen Entscheidung 1 Ob 277/03x, dass ein Behinderter, der des Gebrauchs der Vernunft nicht gänzlich beraubt sei, im Sachwalterschaftsverfahren selbständig handeln könne. Im Rahmen dieser Befugnis dürfe der Betroffene im Sachwalterschaftsverfahren gefällte Entscheidungen auch mit von ihm verfassten und eingebrachten Rechtsmitteln bekämpfen. Er könne aber auch einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Interessen bevollmächtigen, es sei denn, er wäre offenkundig unfähig, den Vollmachtszweck zu erfassen.
1. 3. An den soeben referierten Leitlinien der Entscheidung 1 Ob 277/03x ist festzuhalten. Nach der Aktenlage besteht nach wie vor kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass der Betroffene des Gebrauchs der Vernunft gänzlich beraubt wäre. Er ist demnach durch die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 1 AußStrG "in seinen Rechtshandlungen" im Sachwalterschaftsverfahren nicht beschränkt. Somit ist der Betroffene legitimiert, den Beschluss vom 26. 9. 2003, mit dem das Landesgericht Wr. Neustadt als Rekursgericht - in teilweiser Stattgebung eines Rechtsmittels des Betroffenen - die Unzuständigkeit des Bezirksgerichts Wr. Neustadt aussprach und die Sachwalterschaftssache an das Bezirksgericht Salzburg überwies, selbst zu bekämpfen. Eine Zustellung dieses Beschlusses an den Betroffenen ist indes nicht aktenkundig. Daraus folgt, dass der erörterte Beschluss noch nicht rechtskräftig ist, wurde doch die Rechtsmittelfrist gegenüber dem Betroffenen noch gar nicht in Gang gesetzt. Der Betroffene hätte gemäß § 14 Abs 5 AußStrG die Möglichkeit, diesen Beschluss mit außerordentlichem Revisionsrekurs zu bekämpfen, weil seinem Rekursantrag nicht zur Gänze entsprochen wurde.
2. Übertragung der Zuständigkeit
2. 1. Die Parteien können den Beschluss des Pflegschaftsgerichts, mit dem es einen Antrag auf Übertragung der Zuständigkeit ablehnte oder mit dem es seine Zuständigkeit auf (einseitigen) Antrag oder von Amts wegen gemäß § 111 Abs 1 JN einem anderen Gericht übertrug, anfechten. Deshalb ist die Zustellung einer Beschlussausfertigung an die Beteiligten kein bloßer Formalakt, sondern Voraussetzung für die Wirksamkeit der Übertragung gegenüber den Parteien. Ein solcher Beschluss wird allerdings gemäß § 111 Abs 2 JN erst nach Übernahme der Zuständigkeit zur Weiterführung des Verfahrens durch das andere Gericht wirksam. Bis dahin bleibt in Schwebe, ob ein Zuständigkeitswechsel eintreten wird. Deshalb wird ein Rekurs gegen den Übertragungsbeschluss jedenfalls bis zur Beendigung des Schwebezustands für unzulässig gehalten (siehe dazu zuletzt 3 Nc 36/03d mwN). Weigerte sich das andere Gericht - wie hier das Bezirksgericht Wr. Neustadt -, die Zuständigkeit zu übernehmen, so besteht kein Anfechtungshindernis mehr.
2. 2. Mangels eines rechtskräftigen Übertragungsbeschlusses gemäß § 111 Abs 1 JN kommt eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs nach § 111 Abs 2 JN nach überwiegender Rechtsprechung nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0047067). Dementgegen wurde in der Entscheidung 8 Nc 15/03b ausgesprochen, es könne diese Rechtsprechung "nicht aufrecht erhalten" werden. Der Oberste Gerichtshof schrieb diese - ganz allgemein - abweichende Ansicht jedoch nicht fort. In der Entscheidung 3 Nc 36/03d wurde vielmehr an die bisherige ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs jedenfalls für Fälle angeknüpft, in denen - wie auch hier - das für die Entscheidung über einen Rekurs gegen den Übertragungsbeschluss zuständige Gericht mit dem zur Genehmigung nach § 111 Abs 2 JN berufenen Gericht nicht identisch ist; andernfalls könnte - so der 3. Senat - eine Verschiebung der funktionellen Zuständigkeit eintreten, weil es, sollte der Übertragungsbeschluss durch das Rekursgericht nicht bestätigt werden, an einer Grundlage für die Genehmigung einer Übertragung der Zuständigkeit durch den Obersten Gerichtshof mangle. Rein prozessökonomische Erwägungen könnten die Verschiebung der Entscheidungskompetenz auf ein anderes (höheres) Gericht nicht rechtfertigen. Nicht zu billigen sei daher auch die Auffassung, Parteien, die eine Übertragung nicht selbst beantragt hätten, entbehrten bis zur Wirksamkeit der Übertragung durch einen Genehmigungsakt gemäß § 111 Abs 2 JN eines Anfechtungsinteresses. In Wahrheit bilde die Rechtskraft des Übertragungsbeschlusses die Voraussetzung für eine Genehmigung der Übertragung durch das beiden Gerichten zunächst übergeordnete gemeinsame höhere Gericht nach § 111 Abs 2 JN; andernfalls komme eine Genehmigung der Übertragung nicht in Betracht. Demnach könne eine Partei, die sich gegen die Übertragung zur Wehr setzen wolle, den Übertragungsbeschluss mit Rekurs anfechten.
2. 3. Der erkennende Senat tritt den Erwägungen in der Entscheidung 3 Nc 36/03d bei. Im Anlassfall wurde der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 16. 2. 2004 - nach der vom Bezirksgericht Wr. Neustadt erklärten Ablehnung der Übernahme der Zuständigkeit zur (Weiter-)Führung der Sachwalterschaftssache - weder dem Betroffenen noch seiner einstweiligen Sachwalterin zugestellt. Aus der voranstehend erläuterten Rechtslage folgt, dass eine Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof nach § 111 Abs 2 JN selbst dann noch nicht zu ergehen hätte, wenn der unter 1. 3. erörterte Beschluss des Landesgerichts Wr. Neustadt bereits rechtskräftig wäre.
3. Ergebnis
Das Bezirksgericht Salzburg, an das die Sachwalterschaftssache gemäß § 44 Abs 1 JN überwiesen wurde, wird zunächst gemäß § 44 Abs 2 JN die Zustellung des Beschlusses des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 26. 9. 2003 an den Betroffenen zu bewirken haben. Erst dann, wenn dieser Beschluss unbekämpft bliebe oder ein außerordentlicher Revisionsrekurs des Betroffenen entweder mangels Zulässigkeit oder mangels sachlicher Berechtigung scheiterte, stellt sich - im Licht der Erwägungen unter 2. 1. bis 2. 3. - die weitere Frage nach der Wirksamkeit der vom Bezirksgericht Salzburg mit Beschluss vom 16. 2. 2004 angeordneten Übertragung der Zuständigkeit für die Sachwalterschaftssache an das Bezirksgericht Wr. Neustadt. Wäre dagegen ein allfälliger Revisionsrekurs des Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 26. 9. 2003 erfolgreich und würde etwa der Ausspruch über die Überweisung der Sachwalterschaftssache an das Bezirksgericht Salzburg abgeändert, so wäre dem Beschluss vom 16. 2. 2004 der Boden entzogen, fehlte es doch dann an einer Zuständigkeit des Bezirksgerichts Salzburg. Im fortgesetzten Verfahren ist daher die Zustellung des Beschlusses des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 26. 9. 2003 an den Betroffenen und des Beschlusses des Bezirksgerichts Salzburg vom 16. 2. 2004 an den Betroffenen sowie an seine einstweilige Sachwalterin zu bewirken. Mit der Zustellung letzteren Beschlusses ist überdies nicht solange zuzuwarten, bis das rechtliche Schicksal ersteren Beschlusses endgültig geklärt ist, könnte doch der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 16. 2. 2004 allenfalls auch mit der Begründung bekämpft werden, einer Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Wr. Neustadt nach § 111 Abs 1 JN stehe der Umstand entgegen, dass der Überweisungsbeschluss des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 26. 9. 2003 noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist und deshalb noch kein Übertragungsanlass besteht. Der vorgelegte (Teil-)Akt ist somit zur Abwicklung des soeben erläuterten weiteren Verfahrens dem Bezirksgericht Salzburg zurückzustellen.
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