OGH 13Os18/04

OGH13Os18/043.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. März 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loewe als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Norbert P***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB, AZ 28 Hv 183/02z des Landesgerichtes Linz, über die vom Generalprokurator gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 30. Oktober 2003, AZ 7 Bs 241/03 (ON 73 des Hv-Aktes) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss, der Verteidigerin Mag. Nova Huemer, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren AZ 28 Hv 183/02z des Landesgerichtes Linz verletzt das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 30. Oktober 2003, AZ 7 Bs 241/03 (ON 73 des Hv-Aktes), in seiner Entscheidung über die Berufung des Norbert P***** gegen das Adhäsionserkenntnis das Gesetz in der Bestimmung des § 294 Abs 2 und Abs 4 StPO.

Dieses im Übrigen unberührt bleibende Urteil wird im Ausspruch, wonach die Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis als verspätet zurückgewiesen wird, aufgehoben, und es wird dem Oberlandesgericht Linz aufgetragen, über die Berufung des Norbert P***** gegen das Adhäsionserkenntnis neuerlich zu entscheiden.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 16. April 2003, GZ 28 Hv 183/02z-56, wurde ua der Angeklagte Norbert P***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe sowie (zur ungeteilten Hand mit seinem Mitangeklagten) zur Zahlung eines Geldbetrages von 595 Euro an den Privatbeteiligten Mario A***** verurteilt.

Norbert P***** erbat sich Bedenkzeit (S 373) und meldete sodann gegen das Urteil fristgerecht "das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde sowie der Strafberufung an" (ON 57). Nach der Urteilszustellung führte er nicht nur die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Strafausspruches, sondern auch die Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche (von 595 Euro an den Privatbeteiligten Manfred A*****) aus (ON 63, vgl insbesondere S 412).

Mit Beschluss vom 24. September 2003, GZ 13 Os 93/03-8, wies der Oberste Gerichtshof die Nichtigkeitsbeschwerde zurück und leitete die Akten zur Entscheidung über die Berufung dem Oberlandesgericht Linz zu (ON 68).

Mit Urteil vom 30. Oktober 2003, AZ 7 Bs 241/03 (ON 73), wies das Oberlandesgericht Linz sodann die Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis mit der Begründung zurück, dass "sie (in diesem Punkt) nicht rechtzeitig angemeldet wurde (§ 294 Abs 1, 2 und 4 StPO)". Im Übrigen gab das Oberlandesgericht Linz der Berufung (gegen den Ausspruch über die Strafe) nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, steht die Zurückweisung der gegen das Adhäsionserkenntnis gerichteten Berufung des Angeklagten mit dem Gesetz nicht im Einklang. Gemäß § 283 Abs 1 StPO steht gegen Urteile der Schöffengerichte die Berufung sowohl gegen den Ausspruch über die Strafe als auch gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche offen, welche innerhalb der im § 284 StPO bezeichneten (3-Tages-Frist) anzumelden ist (§ 294 Abs 1 StPO). Entweder bei der Anmeldung oder in der (binnen 4 Wochen nach Zustellung einer Urteilsausfertigung) bei Gericht zu überreichenden Ausführung der Berufung muss der Beschwerdeführer erklären, ob er sich durch den Ausspruch über die Strafe oder durch den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche beschwert erachtet, widrigenfalls der Gerichtshof zweiter Instanz darauf keine Rücksicht zu nehmen hat (§ 294 Abs 2 vierter Satz StPO). Der Berufungswerber ist somit - entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichtes Linz - nicht verhalten, bereits bei der Anmeldung Berufungspunkte erschöpfend zu bezeichnen. Vielmehr steht es ihm frei, sowohl die Anmeldung der Berufung fristgerecht zu ergänzen als auch das Rechtsmittel in Richtung eines bei der Anmeldung nicht genannten Berufungspunktes auszuführen, weil aus der Bezeichnung eines (zulässigen) Berufungspunktes ein schlüssiger Verzicht auf andere nicht abgeleitet werden darf (RZ 2002/21; Ratz, WK-StPO § 294 Rz 2, 10). Voraussetzung für die Ausführung der Brufungsgründe ist lediglich die Anmeldung einer zulässigen Berufung innerhalb der im § 284 StPO genannten Frist (14 Os 121/01, 14 Os 159/02, vgl auch 13 Os 77/02).

Da der Angeklagte Norbert P***** vorliegend fristgerecht eine zulässige Berufung angemeldet hat, stand ihm - entgegen der älteren, überholten Judikatur (vgl 12 Os 175/76, 13 Os 4/90, Mayerhofer StPO4 § 294 E 3) - auch das Recht auf Ausführung der Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis zu.

In Stattgebung der Wahrungsbeschwerde war die Gesetzesverletzung somit aufzuzeigen und, da sie dem Verurteilten zum Nachteil gereichen kann, die im Spruch bezeichnete konkrete Wirkung zuzuerkennen.

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