OGH 13Os10/04

OGH13Os10/043.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. März 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loewe als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmut F***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 3 erster Fall SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 30. Oktober 2003, GZ 8 Hv 144/02v-158, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Helmut F***** (1.) des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG sowie (2.) der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG schuldig erkannt.

Danach hat er im Zeitraum 5. April 2000 bis 21. Dezember 2001 in Graz den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte

1. in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) in der Absicht sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, in Verkehr gesetzt, indem er Kokain, welches er von Johann Fr***** (2001: 60 Gramm) sowie von nicht näher bekannten Personen erworben hatte, an die nachstehend angeführten Abnehmer verkaufte, und zwar:

1.1. am 22. April 2000 0,45 Gramm Kokain dem Peter K*****,

1.2. am 23. November 2000 0,4 Gramm Kokain, am 9. März 2001 2,9 Gramm Kokain (2,19 +/- 0,02 Gramm Reinsubstanz), am 2. November 2001 4,7 Gramm Kokain (1,85 +/- 0,02 Gramm Reinsubstanz) und am 27. November 2001 5 Gramm Kokain (2,51 +/- 0,04 Gramm Reinsubstanz) einem verdeckten Ermittler des Bundesministeriums für Inneres;

1.3. im Zeitraum Februar 2001 bis März 2001 in mehreren Angriffen dem Manfred Sch***** (vormals W*****) 20 Gramm Kokain zu einem Grammpreis von 1.500 S sowie 2 Gramm Kokain als Gegenleistung für vier Alufelgen,

1.4. im Zeitraum Februar 2001 bis März 2001 in zwei Angriffen der Bettina Sch***** insgesamt 3 Gramm Kokain zu einem Grammpreis von

1.500 S,

1.5. im Zeitraum Silvester 2000 bis Frühling 2001 in mehreren Angriffen dem Maria Gu***** und dem Peter K***** insgesamt 7 bis 8 Gramm Kokain,

1.6. in mehreren Angriffen dem Otto S***** 200 bis 300 Gramm Kokain zu einem Grammpreis von 1.500 S,

1.7. im Zeitraum Anfang 2000 bis Dezember 2001 in mehreren Angriffen dem Helmut G***** insgesamt 480 Gramm Kokain zu einem durchschnittlichen Grammpreis von 2.000 S;

2. erworben und besessen, indem er 2,65 Gramm Kokain von einer nicht näher bekannten Person am 5. April 2000 erwarb und bis zur Sicherstellung des Suchtgiftes am 22. April 2000 in seiner Wohnung aufbewahrte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 3, 4, 5, 5a sowie 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Die Verfahrensrüge nach Z 3 bringt vor, dass in der Hauptverhandlung vom 30. Oktober 2003 der Zeuge Helmut G***** gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO belehrt worden sei, obwohl eine Belehrung nach § 152 StPO erfolgen hätte müssen.

Es liegt ein bloßer - jederzeit zu berichtigender - Schreibfehler im Protokoll vor. Eine Belehrung der Zeugen (über die Verlesungsvorschrift) nach § 252 Abs 1 Z 1 StPO gibt es nicht, wohl aber eine solche (über das Entschlagungsrecht) nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO.

Die Rüge nach Z 4 wendet sich gegen die Ablehnung der Anträge auf Vernehmung der Zeugen Erwin W***** und Peter K*****. Der erste war zum Beweis dafür geführt worden, dass entgegen der Aussage des Zeugen G***** dieser keinesfalls im Jahr 1998 oder im Jahr 1999 einen Kontakt zwischen dem Angeklagten und G***** hergestellt habe, der zweite zum Beweis dafür, dass "dieser Zeuge ebenfalls von Otto S***** unrechtmäßig und den Tatsachen widersprechend belastet wurde, dass er an den Otto S***** 1.500 Gramm Kokain, davon allein 480 Gramm Kokain im Zeitraum Jänner bis Mai 2003 verkauft hat".

Durch die Abweisung dieser Anträge wurden jedoch Verteidigungsrechte nicht verletzt. Es hätte nämlich bei Antragstellung gegründeter Ausführungen bedurft, weshalb ihre Vernehmung geeignet wäre, Erhebliches zur Lösung von für die Schuldfrage entscheidenden Tatsachen beizutragen; die angeführten Beweisthemen enthielten keine solchen. Im Ergebnis zielte daher der Antrag bloß auf einen (unzulässigen) Erkundungsbeweis ab.

Als Unvollständigkeit moniert die Mängelrüge (Z 5) das Übergehen der Aussagen der Zeuginnen Laura F***** und Sybille F***** darüber, dass anlässlich von Besuchen nicht der Angeklagte dem Zeugen S*****, sondern dieser dem Angeklagten Kokain bzw "weißes Pulver" übergeben hätte. Die Beschwerde übersieht dabei die ohnedies hierzu angestellten Überlegungen des Erstgerichtes US 16.

Entgegen der Beschwerde haben sich die Tatrichter auch mit den Angaben des Zeugen G***** über den Zeitpunkt dessen ersten Zusammentreffens mit dem Angeklagten beweiswürdigend auseinandergesetzt (US 15) und dabei insbesondere auch auf die fehlende Konkretisierung der Zeitangaben Bedacht genommen. Im Übrigen betrifft der genaue Zeitpunkt der ersten Kontaktaufnahme fallbezogen keine entscheidende Tatsache.

Die weiteren Beschwerdeausführungen, der Zeuge Gu***** habe angegeben, zu Silvester 2000/2001 in der Steyrgasse im Auto gewartet zu haben (wo der Angeklagte gar nicht mehr gewohnt hätte), ist aktenwidrig (S 353/III, 387/V).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) zeigt mit dem Hinweis auf angebliche "Unmengen an verschiedenen Angaben des Zeugen G*****" keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit entscheidender Tatsachenfeststellungen auf, sondern trachtet nur die Glaubwürdigkeit dieses Belastungszeugen anhand seiner unpräzisen - von den Tatrichtern ohnedies so beurteilten - Zeitangaben in Zweifel zu ziehen.

Die Strafbemessungsrüge (Z 11) rügt als Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot, dass (erschwerend) berücksichtigt worden sei, dass Kokain "zu den gefährlichsten Suchtgiften überhaupt" gehöre.

Dazu ist zu erwägen, dass dem Umstand, wonach es bei Kokain um eines der gefährlichsten Suchtgifte handelt, keine zusätzliche erschwerende Bedeutung zukommt, und dessen aggravierende Bewertung bei der Strafbemessung gegen das im § 32 Abs 2 erster Satz StGB verankerte Doppelverwertungsverbot verstößt. Dies deshalb, weil der Gesetzgeber mit § 1 Suchtgift-Grenzmengenverordnung iVm § 28 Abs 6 SMG das dem Kokain beigemessene Gefährdungspotential bereits in der die Strafdrohung des § 28 Abs 2 SMG bestimmenden Grenzmenge berücksichtigt (13 Os 74/02, zuletzt 14 Os 134/03) hat. Die Urteilsausführungen zur Strafbemessung lassen jedoch erkennen, dass der vom Erstgericht - von den besonderen Entscheidungsgründen getrennt - genannte und kritisierte Umstand (US 22 oben) sinnfällig auf die sich darauf manifestierte rezidive Kriminalität als eine nach den allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung (§ 32 Abs 2 und 3 StGB) für die Gewichtung der personalen Täterschuld als aggravierend bedeutsame Tatsache hinweist, was bei bloß isolierter Betrachtung zwar nicht präzise, im Kontext jedoch unzweideutig zum Ausdruck kam. Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d StPO), sodass über die Berufung des Angeklagte das Oberlandesgericht Graz zu entscheiden hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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