OGH 15Os171/03

OGH15Os171/0319.2.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Februar 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kainz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Magarete Z***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19. August 2003, GZ 121 Hv 120/02g-48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 290 Abs 1 StPO) wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wird die Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Margarete Z***** wurde der Finanzvergehen (I) der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und (II) der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG schuldig erkannt.

Danach hat sie in Wien im Bereich des Finanzamtes für den 4., 5. und

10. Bezirk vorsätzlich

(I) "durch" (vgl jedoch Dorazil/Harbich § 33 E 33 Punkt 2) Verletzung

einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht

Abgabenverkürzungen bewirkt, nämlich durch Abgabe unrichtiger

Umsatzsteuererklärungen und Einkommensteuererklärungen für die Jahre

1995 bis 1998 Verkürzungen dieser bescheidmäßig festzusetzenden

Abgaben um insgesamt 692.097 S bewirkt und zwar

1) für das Jahr 1995

Umsatzsteuer um 13.811 S

2) für das Jahr 1996

Umsatzsteuer um 80.160 S

Einkommensteuer um 141.054 S

3) für das Jahr 1997

Umsatzsteuer um 32.359 S

Einkommensteuer um 9.599 S

4) für das Jahr 1998

Umsatzsteuer um 233.149 S

Einkommensteuer um 181.965 S;

(II) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 (gemeint: UStG 1994) entsprechenden Voranmeldungen, nämlich unter Nichtabgabe von Voranmeldungen eine Verkürzung der selbstzuberechnenden Abgabe der Vorauszahlung an Umsatzsteuer um insgesamt 610.527 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, und zwar

(1) von 15. März 1999 bis 15. Februar 2000 um 561.144 S und

(2) von 15. März 2000 bis 15. April 2000 um 49.383 S; strafbestimmender Wertbetrag insgesamt 1,302.624 S (= 94.695,38 Euro).

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass der von der Angeklagten gegen den Schuldspruch aus Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon (§ 290 Abs 1 StPO), dass das Urteil zum Schuldspruch I mit Mängeln an Feststellungen zur objektiven Tatseite, zu Punkt II mit solchen zur subjektiven Tatseite behaftet ist.

Zur Erfüllung des Tatbestandes des § 33 Abs 2 lit a FinStrG wird für die Bewirkung der Verkürzung Wissentlichkeit im Sinne des § 5 Abs 3 StGB gefordert. Da die (unter Verwendung des Gesetzeswortlautes) lediglich alle Tatbestandsmerkmale enthaltende Formulierung des Urteilsspruchs die fehlenden Feststellungen nicht zu ersetzen vermag (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 580) und sonstige Annahmen zur Wissentlichkeit dem Urteil nicht zu entnehmen sind, leidet das Urteil zu Punkt II an fehlenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite. Zu Punkt I des Schuldspruches (Hinterziehung von Umsatzsteuer und Einkommenssteuer für die Jahre 1995 bis 1998) hat das Schöffengericht ausgeführt, dass "die von der Betriebsprüfung und den Sachverständigen in seinem Gutachten (Variante 2a) getroffenen Feststellungen sich im Wesentlichen mit den Ergebnissen des durchgeführten Beweisverfahrens decken: Die Angeklagte hat die ausbezahlten Gewinne für Klassen- bzw Brieflose nicht erfasst und damit die in der Buchhaltung aufscheinenden Tageslosungen zumindest um die ausbezahlten Gewinne verkürzt. Die anhand des Wareneinsatzes der Jahre 1995 bis 1999 kalkulierten Umsätze weichen erheblich von den in den jeweiligen Jahren erklärten Umsätzen ab. Die Feststellungen gründen sich auf die Eingangs erwähnten Beweismittel, insbesondere auf das schlüssige und nachvollziehbare Gutachten des Sachverständigen Mag. Z*****, der sich in seinem Gutachten ausführlich mit den von der Angeklagten vorgebrachten Einwendung auseinandersetzt und diese entkräftet (S 353, 355/II)". Im (ergänzenden) Gutachten des Sachverständigen ON 46/II, das prozessordnungswidrig als Feststellungsersatz und solcherart als Tatsachengrundlage der rechtlichen Beurteilung dienen soll, wird ausdrücklich festgehalten, dass die Kalkulationsdifferenzen - auch für die Jahre 1995, 1996 und 1997 - nicht auf die Gewinnauszahlungen rückführbar seien (S 169/II, S 265/II).

Feststellungen, worin die der Angeklagten angelasteten Verkürzungen liegen sollen, lassen sich dem Urteil nicht entnehmen. Gleiches gilt für den im Spruch angeführten hinterzogenen Umsatzsteuerbetrag in der Höhe von 233.149 S für das Jahr 1998. Laut Gutachten des Sachverständigen Variante 2a für das Jahr 1998 hätte die hinterzogene Steuer für dieses Jahr 130.414 S betragen (S 429/I) und sich lediglich durch Hinzurechnung des in der Selbstanzeige angeführten Betrages von 160.679 S (S 431/I, ON 31/II) um den genannten Betrag erhöht. Ob der in der Selbstanzeige einbekannte Betrag von 160.679 S zu berücksichtigen sei oder nicht, wurde vom Sachverständigen als vom Gericht (in Hinblick auf die Frage der Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige) zu lösende Rechtsfrage angesehen und der Beurteilung durch das Gericht überlassen (ON 31/II), welche nicht vorgenommen wurde.

Da die fehlenden Feststellungen vom Obersten Gerichtshof nicht nachgetragen werden können, war die Kassation des Urteils und die Anordnung der Verfahrenserneuerung anzuordnen (§ 285e StPO). Dabei werden vom Erstgericht eigenständige Konstatierungen zu treffen sein, die nicht nur in einem Verweis auf Aktenstücke, wie zB im gegenständlichen Fall auf das Sachverständigengutachten, bestehen können. Auch werden sich die Tatrichter mit der Frage der Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige zu befassen und darzulegen haben, worin und in welcher Höhe die Abgabenhinterziehungen gelegen haben soll.

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung war die Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte