OGH 13Os4/04

OGH13Os4/0418.2.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Februar 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loewe als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alois U***** und weitere Angeklagte wegen des teils im Stadium des Versuchs gebliebenen Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB, teilweise als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, und weiterer strafbarer Handlungen über die vom Generalprokurator gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5. September 2003, GZ 41 Hv 49/02b-76, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Raunig, in Abwesenheit des Verurteilten, jedoch in Anwesenheit seiner Verteidigerin Mag. Barbara Bach-Kresbach, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluss (des Vorsitzenden) des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5. September 2003, GZ 41 Hv 49/02b-76, mit welchem die "Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Alois U*****" zurückgewiesen wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 285a Z 2 StPO. Dieser Beschluss wird aufgehoben, und es wird dem Landesgericht für Strafsachen Wien aufgetragen, in Ansehung der vom Angeklagten Alois U***** mit seiner Erklärung "Beschwerde gegen die Abschöpfung" angemeldeten Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. Februar 2003, GZ 41 Hv 49/02b-62, dem Gesetz gemäß zu verfahren.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. Februar 2003, GZ 41 Hv 49/02b-62, wurde ua Alois U***** des teils im Stadium des Versuchs gebliebenen Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB, teilweise als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt; der bei ihm sichergestellte Geldbetrag von 655 Euro wurde als Bereicherung gemäß § 20 Abs 1 Z 1 StGB abgeschöpft. Sogleich nach Urteilsverkündung erklärte der (anwaltlich vertretene) Angeklagte Alois U*****, mit Ausnahme einer "Beschwerde gegen die Abschöpfung" auf Rechtsmittel zu verzichten (S 85/II). Am 16. Juli 2003 wurde dem Verteidiger des Angeklagten eine Ausfertigung des Urteils zugestellt (S 3 II verso). Eine Ausführung des angemeldeten Rechtsmittels ist jedoch unterblieben.

Mit Beschluss vom 5. September 2003 (ON 76) wies der Vorsitzende des Schöffengerichtes die "Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Alois U*****" gemäß § 285a Z 2 StPO mit der Begründung zurück, dass der Angeklagte weder bei Anmeldung der als Nichtigkeitsbeschwerde aufzufassenden "Beschwerde" einen der im § 281 Abs 1 Z 1 bis 11 StPO angeführten Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet noch eine (schriftliche) Rechtsmittelausführung erstattet hätte.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in der von ihm gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht der bezeichnete Beschluss (ON 76) mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Die im Urteil zu treffende Entscheidung über die Abschöpfung der Bereicherung steht nämlich dem Ausspruch über die Strafe gleich und kann zu Gunsten oder zum Nachteil des Verurteilten mit Berufung (§ 443 Abs 3 StPO), im Falle der erforderlichen Lösung von Rechtsfragen auch mit Nichtigkeitsbeschwerde aus dem Grunde der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO angefochten werden (11 Os 61/00). Umstände, die der Nichtigkeitssanktion des § 281 Abs 1 Z 11 StPO unterfallen, können gemäß § 283 Abs 1 StPO aber auch mit Berufung geltend gemacht werden (927 BlgNR XVII. GP 5; 11 Os 129, 130/89).

Wenngleich die Strafprozessordnung demnach eine Bekämpfung der gegenständlichen Anordnung durch eine "Beschwerde" nicht vorsieht, lässt die Rechtsmittelerklärung in ihrem Zusammenhalt und ihrem Sinn unmissverständlich erkennen, dass sich diese Anfechtung gegen den Ausspruch über die Abschöpfung der Bereicherung richtet und demzufolge inhaltlich, da sie die beabsichtigte Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen nicht erkennen lässt, eine Berufung ist. Die Gleichsetzung des vom Angeklagten, wenn auch verfehltermaßen, verwendeten Begriffes der "Beschwerde" mit jenem der "Nichtigkeitsbeschwerde" durch den Vorsitzenden hatte eine Beeinträchtigung der Rechtsmittelbefugnis des Angeklagten zur Folge und gereicht diesem daher auch zum Nachteil. Der Vorsitzende hätte auf der Grundlage der erwähnten Erklärung des Angeklagten dessen Rechtsmittel als Berufung werten und im Sinn des § 294 StPO verfahren müssen; eine Pflicht zur Ausführung der Berufungsgründe besteht nicht (Ratz, WK-StPO § 294, Rz 4).

In Stattgebung der Wahrungsbeschwerde war somit die aufgezeigte Gesetzesverletzung festzustellen und zufolge des sich aus ihr ergebenden Nachteils für den Angeklagten der Entscheidung auch konkrete Wirkung zuzuerkennen.

Stichworte