OGH 13Os158/03

OGH13Os158/0318.2.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Februar 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loewe als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mehmet B***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Feldkirch vom 5. September 2003, GZ 21 Hv 49/03d-57, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Aicher, des Angeklagten Mehmet B***** und seines Verteidigers Mag. Nicolas Stieger, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Mehmet B***** der Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 2. Februar 2003 in Frastanz Fatma B***** dadurch vorsätzlich getötet, dass er dreimal aus einer Entfernung von fünf bis zehn Metern stark beschleunigend mit seinem PKW auf sie zufuhr und sie gegen das Heck eines abgestellten PKWs drückte bzw sie dort einquetschte, wodurch sie nach Brustkorbkompression mit Rippen- und Lungenverletzungen sowie Hauptschlagaderriss kurze Zeit danach verstarb.

Die Geschworenen bejahten die - anklagekonform - an sie wegen des Verbrechens des Mordes gestellte Hauptfrage stimmeneinhellig; folgerichtig unterblieb die Beantwortung der (einzigen) Eventualfrage wegen Totschlags.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6, 10a und 12 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) erblickt die Beschwerde darin, dass der Schwurgerichtshof keine Eventualfrage nach dem Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83, 86 StGB) gestellt hat. Diese Fragestellung unterblieb indes zu Recht.

Unabdingbare Voraussetzung für die Stellung einer Eventualfrage ist nämlich das Vorbringen von Tatsachen in der Hauptverhandlung, die einen gegenüber der Anklage geänderten Sachverhalt und im Fall ihrer Bejahung die Basis für einen Schuldspruch wegen einer - von der Anklage abweichenden - gerichtlich strafbaren Handlung in den näheren Bereich der Möglichkeit rücken.

Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung im Wesentlichen damit verantwortet, dass er nach seiner Erinnerung seine ehemalige Gattin auf der Straße "zweimal angefahren habe, wobei er sich dachte, dass sie verletzt wird, was er auch wollte". An ein drittes Zufahren könne er sich jedoch nicht erinnern.

Daraus zieht die Beschwerde (lediglich) Schlüsse auf einen fehlenden Tötungsvorsatz, ohne jedoch in der Hauptverhandlung vorgebrachte (vorgekommene) Tatsachen zu bezeichnen, nach welchen der Angeklagte auch bei Fortsetzung seiner Handlungen nur mit bloßem Verletzungsvorsatz gehandelt hätte.

Sie bezeichnet solcherart keine in der Hauptverhandlung vorgebrachte bzw vorgekommenen Tatsachen in der Bedeutung des § 314 Abs 1 StPO, bei deren Bejahung eine Körperverletzung mit tödlichem Ausgang anzunehmen wäre (Schindler WK-StPO § 314 Rz 1, 12 ff; § 313 Rz 6 f), zumal auch das ohne weitere Begründung gebliebene prozessuale Verlangen des Verteidigers in der Hauptverhandlung nach Stellung der Eventualfrage, bloß verbunden mit isolierten Beweiswerterwägungen, wonach der Tötungswille des Angeklagten anzuzweifeln sei, nicht als "vorgebrachte Tatsache" anzusehen ist.

Die Stellung einer Eventualfrage in Richtung des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 43, 86 StGB) war somit nicht indiziert.

Die (eine Unterstellung der Tat unter § 76 StGB anstrebende) Tatsachenrüge (Z 10a) vermag mit der im Übrigen mit anderen Beweisergebnissen nicht im Einklang stehenden (siehe ON 33, 34) Behauptung jahrelanger Demütigungen des Beschwerdeführers durch das Tatopfer sowie der Hervorhebung einiger Details aus dem Gutachten des Sachverständigen Univ. Doz. Dr. H***** (ON 44) bei Verschweigen der diesbezüglich klar relativierenden Ausführungen (vgl S 159 f/II), keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit und Gesamtheit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen hervorrufen.

Im Übrigen übersieht die Beschwerde bei der Behauptung, wonach die Geschworenen über das Vorliegen von Affekten nicht abgesprochen hätten und die (in einer bestimmten Reihenfolge gestellten) Fragen in einer bestimmten Reihenfolge zu beantworten seien, dass die Rechtsbelehrung von den Geschworenen als Ganzes - hier also auch zu den Tatbestandselementen des § 76 StGB - zur Kenntnis zu nehmen ist (13 Os 173/94).

Unerfindlich bleibt, da der Schuldspruch sich auf den Wahrspruch der Geschworenen stützt, aus welchen "nicht überzeugenden Erwägungen" sich konkrete Bedenken ergeben könnten.

Die Subsumtionsrüge (Z 12) meint vorerst zwar zutreffend, dass der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Richtigkeit der Gesetzesauslegung an den Inhalt des Wahrspruches gebunden ist (vgl § 335 StPO), greift jedoch demgegenüber auf das im Zuge des Verfahrens eingeholte Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen zurück, sodass die Beschwerde nicht den prozessualen Vorschriften entspricht (Mayerhofer StPO4 § 345 Z 12 E 8, 8a).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen. Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach § 75 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Jahren, wobei es als erschwerend eine "massive" einschlägige Vorstrafe, als mildernd hingegen die höhergradig eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten wertete.

Weiters wurde der Angeklagte gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Gegen den Sanktionenausspruch richtet sich die Berufung des Angeklagten mit den Anträgen auf Herabsetzung der Freiheitsstrafe und auf Ausschaltung des Ausspruches der Anstaltsunterbringung sowie jene der Staatsanwaltschaft mit dem Begehren auf Erhöhung des Strafausmaßes.

Beide Berufungen sind nicht berechtigt.

Das Geschworenengericht hat die Strafzumessungsgründe im Wesentlichen richtig und vollständig erfasst sowie insbesondere unter entsprechender Berücksichtigung des Geisteszustandes des Angeklagten eine Strafe verhängt, die unter weiterer Bedachtnahme auf dessen (keineswegs uneingeschränkt geständige) Verantwortung, die brutale Tatbegehung und auf die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) einer Herabsetzung nicht zugänglich ist, aber auch keiner Erhöhung bedarf.

Da die Ausführungen des Geschworenengerichtes zur angeordneten Maßnahme und die Ausführungen zur Gefährlichkeitsprognose unbedenklich sind, konnte auch diesem Teil des Berufungsbegehrens kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf bezogene Gesetzesstelle.

Stichworte