OGH 4Ob16/04p

OGH4Ob16/04p10.2.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Judith E*****, vertreten durch Dr. Heinz-Peter Wachter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Ewald Rainer Hans Friedrich E*****, 2. "F*****" ***** KG, *****, beide vertreten durch Dr. Susanna Fuchs-Weißkircher, Rechtsanwältin in Wien, wegen einstweiliger Verfügung nach § 97 ABGB (Streitwert 4.360 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Zweitbeklagten gegen den Beschluss des Landesgericht St. Pölten vom 7. Oktober 2003, GZ 37 R 311/03s-13, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Zweitbeklagte macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass die angefochtene Entscheidung der Rechtsprechung widerspreche. Das Erstgericht habe zugunsten der Ehefrau ein Veräußerungs- und Belastungsverbot auf der Liegenschaft eines Dritten eingeräumt, ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 381 EO iVm § 97 ABGB zu prüfen. Eine Interessenabwägung zwischen den zwingenden wirtschaftlichen Interessen der Zweitbeklagten und der Klägerin sei nicht erfolgt; ein Anspruch nach § 97 ABGB bestehe nicht, wenn der verfügungsberechtigte Ehegatte durch die Umstände zur Aufgabe der Wohnung gezwungen sei.

Rechtliche Beurteilung

Richtig ist, dass kein Anspruch nach § 97 ABGB besteht, wenn das Handeln oder Unterlassen des verfügungsberechtigten Ehegatten durch die Umstände erzwungen wird (§ 97 Satz 2 ABGB). Im vorliegenden Fall ist zwar festgestellt, dass die Liegenschaft mit Pfandrechten belastet ist und die Zweitbeklagte über keine anderen Vermögenswerte verfügt, um die Verbindlichkeiten abzudecken; der (im Rechtsmittel) darauf gestützte Einwand der Zweitbeklagten, die Veräußerung werde durch die Umstände erzwungen, ist aber wegen des im Rechtsmittelverfahren geltenden Neuerungsverbots unbeachtlich. Der Einwand wird, da die Zweitbeklagte gegen die einstweilige Verfügung auch Widerspruch erhoben hat, Gegenstand des Widerspruchsverfahrens sein.

Die Zweitbeklagte macht weiters geltend, dass die Interessen der Klägerin nicht gefährdet seien. Sie leitet dies daraus ab, dass die Klägerin die Beklagten bei ihren Veräußerungsbemühungen unterstützt habe.

Die Zweitbeklagte vermischt damit zwei Dinge. Die Klägerin hat einen Anspruch nach § 97 ABGB, solange sie auf die Ehewohnung angewiesen ist. Dieser Anspruch ist gefährdet, wenn die Liegenschaft ohne Wahrung ihrer Rechte an der Ehewohnung veräußert wird. Das gilt unabhängig davon, ob die Klägerin die Veräußerungsbemühungen unterstützt, wobei sie, wie sich auch aus dem Vorbringen der Zweitbeklagten ergibt, ohnehin immer verlangt hat, dass ihre Wohnversorgung sichergestellt werde.

Die Kenntnis der Klägerin von den Veräußerungsbemühungen und selbst ihre Mitwirkung daran vermag auch nichts an der Rechtswidrigkeit einer Veräußerung ihr gegenüber zu ändern, solange sie auf die Ehewohnung angewiesen ist. Der Zweitbeklagten ist bekannt, dass die Klägerin über keine andere Wohnung verfügt. Bereits damit liegt in der Veräußerung der Liegenschaft ohne Berücksichtigung der Rechte der Klägerin an der Ehewohnung eine Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte, die zum Schadenersatz verpflichtet (3 Ob 541/91 = JBl 1992, 704; 7 Ob 86/03b; s auch Stabentheiner in Rummel, ABGB³ § 97 Rz 6; Schwimann in Schwimann, ABGB² § 97 Rz 11, jeweils mwN). Dieser primär auf Wiederherstellung gerichtete Schadenersatzanspruch kann durch eine einstweilige Verfügung gesichert werden, wenn er - wie auf Grund der unstrittigen Veräußerungsbemühungen feststeht - durch das Verhalten des Dritten gefährdet ist.

Die Zweitbeklagte macht schließlich noch geltend, dass die angefochtene Entscheidung mangelhaft sei. Das Rekursgericht hätte die Entscheidung des Erstgerichts aufheben müssen und nicht dessen mangelhafte Begründung ersetzen dürfen.

Das Rekursgericht hat die fehlenden Feststellungen zur Gefährdung des dringenden Wohnbedürfnisses der Klägerin aus dem Vorbringen der Zweitbeklagten und den von ihr vorgelegten Urkunden nachgetragen. Da der Sachverhalt - nicht seine Beurteilung - insoweit unstrittig ist, war er vom Rekursgericht seiner Entscheidung zugrundezulegen. Auch insoweit liegt daher keine erhebliche Rechtsfrage vor.

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