OGH 11Os139/03

OGH11Os139/039.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Dezember 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Danek, Dr. Kirchbacher und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Proksch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dipl. Ing. Karl R***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. Juni 2003, GZ 024 Hv 19/03t-48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dipl. Ing. Karl R***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 11. Februar 2000 in Wien mit der Unmündigen Elisa M*****, geboren am 8. Juni 1987, den Beischlaf unternommen hat.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 4 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Die Verfahrensrüge (Z 4) moniert die Abweisung der in der Hauptverhandlung gestellten Anträge auf Verlesung der vom Verteidiger vorgelegten Urkunden (Krankenberichte, Befunde, Merkblätter, Beipacktexte und ähnliches) sowie auf Beiziehung von Sachverständigen aus den Gebieten der Neurologie, Psychiatrie, Pharmazie, Pharmakologie und Kardiologie zum Beweis dafür, dass der Angeklagte wegen der zur Behandlung seiner Herzerkrankung erforderlichen Einnahme von Medikamenten zur Tatzeit keine Erinnerung an die davor erfolgte Mitteilung des Alters der Elisa M***** gehabt habe und überdies weder diskretions- noch dispositionsfähig gewesen sei (S 363 f).

Das Gericht hat die Ablehnung der Beweisanträge damit begründet, dass aus dem gesamten Akt keinerlei Anhaltspunkte für eine geistige Beeinträchtigung des Angeklagten iSd § 11 StGB zum Tatzeitpunkt ersichtlich sei (S 369). Im Urteil (US 6f) hat es ausführlich dargetan, warum es auch unter Berücksichtigung der vorliegenden körperlichen Krankheiten eine geistige Abnormität nicht angenommen hat. Dabei haben die Tatrichter insbesondere darauf verwiesen, dass es dem Beschwerdeführer ohne weiteres möglich war, mit dem Auto von Graz nach Wien zu fahren, hier (unter falschem Namen) ein Hotelzimmer zu mieten, dort die sexuellen Handlungen mit der Unmündigen vorzunehmen und sodann wieder mit dem Fahrzeug nach Graz zurückzukehren. Die klaren Angaben bei der Vernehmung durch Polizeibeamte und der persönliche Eindruck von der Person des Angeklagten in der Hauptverhandlung führten die Richter zur Überzeugung, dass eine strafrechtlich relevante geistige Beeinträchtigung nicht vorlag. Zudem stützten sie sich auf die zwar nur für den Zeitpunkt der Verhandlung eingeholten Gutachten von Sachverständigen der inneren Medizin und der Psychiatrie, welche keine Beeinträchtigung der Verhandlungsfähigkeit feststellen konnten (ON 30, 31 und 35). Insbesondere der Experte Dr. H***** fand keinerlei Hinweise auf psychiatrische Krankheiten oder geistige Behinderungen. Er bezeichnete Dipl. Ing. R***** als voll orientiert, im Gedankengang geordnet und zur Konzentration sowie Merkfähigkeit nicht beeinträchtigt. Von ihm konnten aus psychiatrisch-neurologischer Sicht keine wesentlichen Beeinträchtigungen festgestellt werden (S 279, 281). Eine psychiatrische Begutachtung ist aber nur dann zu veranlassen, wenn objektive Momente vorliegen, welche die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten in Frage stellen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 346 f; Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 121). Zweifel können nur dann bestehen, wenn Symptome vorliegen, die auf das Vorhandensein eines Geistesdefektes hindeuten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob von irgendeiner Seite in dieser Hinsicht Zweifel ausgesprochen wurden, sondern nur darauf, ob das Beweisverfahren objektive Momente für Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit ergeben hat. Da das Schöffengericht keine positiven Wahrnehmungen in diese Richtung gemacht hat, war es nicht verpflichtet, Gutachten über die Erinnerungs-, Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Angeklagten zu veranlassen. Dazu kommt, dass bei Antragstellung nicht dargetan wurde, warum die beantragten Verlesungen und die Gutachten der Sachverständigen die festgestellten objektiven Momente widerlegen sollten.

Durch die Abweisung der Beweisanträge wurden somit Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) gesteht zwar zu, dass im Urteil festgestellt worden sei, Dipl. Ing. R***** habe mit dem Vorsatz gehandelt, mit einer unmündigen Person den Beischlaf zu vollziehen (US 5), moniert jedoch den substanzlosen Gebrauch der verba legalia. Sie lässt aber den für einen prozessordnungsgemäße Darstellung dieses Nichtigkeitsgrundes vorausgesetzten Hinweis vermissen, welche - nach der Aktenlage indizierte - Konstatierung nach Ansicht des Beschwerdeführers über die Urteilsfeststellungen hinaus noch zu treffen und in weiterer Folge auch den Rechtsmittelausführungen zugrunde zu legen gewesen wären (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584; Mayerhofer StPO4 § 281 Z 9 E 5c). Soweit inhaltlich ein Begründungsmangel (Z 5) zur inneren Tatseite geltend gemacht wird, übergeht das Rechtsmittel insbesondere die Tatsache, dass sich das Erstgericht auch auf das vom Angeklagten im Vorverfahren abgelegte Geständnis gestützt hat (US 5).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als unbegründet, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt in einer nichtöffentlichen Sitzung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285a Z 2 StPO). Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufung der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a StPO.

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