Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Nichtannahme von weiteren Verbrechen nach § 207 Abs 1 StGB sowie demgemäß im Strafausspruch (mit Ausnahme der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbsterkannt:
Kaspar S***** hat durch die zum Schuldspruch I festgestellten Tatsachen auch die Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB begangen und wird hiefür sowie für die unberührt gebliebenen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB, des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB, des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB sowie die Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB, der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB, des Missbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 206 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft verworfen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Die Berufung der Staatsanwaltschaft wird zurückgewiesen. Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche enthaltenden Urteil wurde Kaspar S***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (II), des schweren sexuellen
Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (III), des sexuellen
Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (IV) und der schweren Nötigung nach § 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (VII) sowie der Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (I), der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB (V), des Missbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (VI) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er
I. im Sommer 1999 in Mauerkirchen außer den Fällen des § 201 StGB in zwei Angriffen seine am 8. Juni 1986 geborene Tochter Sabrina S***** mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie
a) am Arm packte, zu sich zog, ihre Füße einklemmte, ihr die Hose hinunterzog, ihre Brüste betastete und sie im Genitalbereich abschleckte,
b) auf die Couch stieß, ihr die Hose hinunterzog und ihre Brust betastete sowie sie im Genitalbereich abschleckte;
II. außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB eine Person mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, und zwar
1. seine am 8. Juni 1986 geborene Tochter Sabrina S*****
a) im Herbst 1999 in Mauerkirchen dadurch, dass er sie packte, auf eine Couch stieß und fixierte, ihr die Hose hinunterzog und mehrere Finger in ihre Vagina einführte,
b) am 22. 10. 2000 in Tarsdorf, indem er sie zwischen der Couch und sich einklemmte und schließlich mit seinem Penis in ihre Vagina eindrang,
2. im Februar 2001 in Riedersbach seine am 17. Oktober 1987 geborene Tochter Tanja S***** dadurch, dass er ihr Ohrfeigen versetzte, sie an den Oberarmen packte, auf eine Couch warf, ihr die Hose hinunterzog und drei Finger in ihre Vagina einführte;
III. mit einer unmündigen Person den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, und zwar
1. mit seiner am 8. Juni 1986 geborenen Tochter Sabrina S***** durch die unter II. 1. a) geschilderten Handlungen,
2. mit seiner am 17. Oktober 1987 geborenen Tochter Tanja S***** durch die unter II. 2. geschilderte Handlung;
IV. im Februar 2001 in Riedersbach außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vorgenommen, indem er die Brüste seiner am 17. Oktober 1987 geborenen Tochter Tanja S***** betastete;
V. zwischen 22. Dezember 2000 und 5. März 2001 in Tarsdorf und Riedersbach in einer unbekannten Zahl von Angriffen mit seiner Tochter Sabrina S*****, sohin mit einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf vollzogen;
VI. seine am 17. Oktober 1987 geborene minderjährige Tochter Tanja S***** durch die unter Punkt IV. geschilderten Handlungen zur Unzucht missbraucht;
VII. ab Sommer 1990 bis 2001 seine Tochter Sabrina S***** durch die wiederholte Äußerung, wenn sie jemand von den Missbräuchen erzähle, werde er sie zerstückeln, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zu einer Unterlassung genötigt;
VIII. im Jahr 2002 seine Tochter Tanja S***** durch die telefonische Äußerung, er werde sie noch erwischen und umbringen, gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen. Während der Angeklagte den gesamten Schuldspruch aus den Nichtigkeitsgründen der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO bekämpft, richtet sich die auf die Z 5 und 10 leg cit gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft nur gegen die Schuldspruchfakten I und V.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:
Entgegen dem eine "unzureichende, weil unvollständige" Begründung behauptenden Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) wurden die Aussagen der Zeugen Daniela S*****, Johann T***** und Irmgard R***** in den Erwägungen der Tatrichter berücksichtigt (US 13 f). Diese setzten sich auch mit den Anschuldigungen der Sabrina S*****, sie sei über einen längeren Zeitraum vom Beschwerdeführer eingesperrt gewesen, auseinander und gelangten in freier Beweiswürdigung zum Ergebnis, dass sie "nicht wörtlich zu nehmen" und auf das besondere subjektive Empfinden in ihrer Opfersituation zurückzuführen seien (US 12). Eines detaillierteren Eingehens bedurfte es mangels Entscheidungswesentlichkeit nicht. Das gegen den Nichtigkeitswerber anhängig gewesene Strafverfahren wegen § 99 Abs 1 StGB zum Nachteil der Sabrina S***** wurde nämlich über Antrag der Staatsanwaltschaft (S 3e verso) mit Beschluss des Untersuchungsrichters vom 23. April 2003 gemäß § 109 Abs 1 StPO eingestellt (S 3f) und dem Schuldspruch nach § 201 Abs 2 StGB als Mittel der Tatbegehung nur Gewaltanwendung, nicht aber die in der Anklage ebenfalls angeführte Entziehung der persönlichen Freiheit zugrunde gelegt.
Verfehlt ist der weitere Vorwurf der Vernachlässigung der Aussage der Irmgard R***** in der Hauptverhandlung vom 30. Juni 2003, wurden deren (keine Tatsachenwahrnehmungen betreffenden) Bedenken gegen die Wahrheitsliebe ihrer Schwester Annemarie W***** (S 378 ff) von den Tatrichtern doch ausdrücklich geteilt (US 14 und 17). Der Einwand, die Zeugenaussagen, Sabrina und Tanja S***** hätten gegenüber Verwandten und nahestehenden Personen sexuelle Übergriffe nicht angedeutet, seien unberücksichtigt geblieben, betrifft zum einen keine entscheidungswesentliche Tatsache und übergeht zum anderen die Angaben der Zeugin Pascal Wi***** (S 365 ff) sowie des Wilfried (S 373 ff) und der Theresia R***** (S 370 ff). Unzutreffend ist der im Rahmen der Tatsachenrüge erhobene, der Sache nach Z 5 zweiter Fall geltend machende Vorwurf, die Tatrichter hätten sich mit der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers nicht auseinandergesetzt (vgl hiezu US 10 ff).
Das insbesondere die Verlässlichkeit der Belastungszeugin Sabrina S***** in Frage stellende Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich in einer unzulässigen Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung. Erhebliche Bedenken gegen die dem Schuldspruch zugrundeliegenden Feststellungen vermag es nicht zu erwecken.
Der unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher
ein Erfolg zu versagen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Die allgemein gehaltenen Vorwürfe unvollständiger und unzureichender Begründung der Urteilsfeststellungen (Z 5 zweiter und vierter Fall) bezeichnen weder deutlich noch bestimmt Umstände, welche einen Nichtigkeitsgrund bilden sollten.
Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) der Feststellung, der Angeklagte habe seine Tochter Sabrina im Sommer 1999 in Mauerkirchen in zwei Angriffen "im Genitalbereich abgeschleckt", liegt ebenfalls nicht vor, weil das von der Zeugin jeweils beschriebene "Schlecken im Genitalbereich" (S 31, 33, 156) gleichbedeutend ist und entgegen den Rechtsmittelausführungen keine Abstufung in der Intensität der Tat zum Ausdruck bringt. Von einem Schlecken "im Geschlechtsteil" hat die Zeugin nie gesprochen.
Soweit die Beschwerde Feststellungen zur subjektiven Tatseite vermisst und damit der Sache nach Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO geltend macht, übergeht sie die Gesamtheit der hiezu getroffenen Konstatierungen; im Besonderen negiert sie den bei allen Angriffen festgestellten Vorsatz des Angeklagten, Sabrina S***** durch überlegene körperliche Gewalt zur Duldung der (jeweils konstatierten) sexuellen Handlungen zu nötigen, wobei Gewaltanwendung nach dem 22. Dezember 2000 nicht mehr nötig war (US 9). Entgegen dem eine Unterstellung des mit Gewalt abgenötigten Duldens des (Ab-)Schleckens im Genitalbereich unter § 201 Abs 2 StGB (und damit echt idealkonkurrierend § 206 Abs 1 StGB) anstrebenden Vorbringens der Subsumtionsrüge (Z 10) ist das festgestellte Verhalten nach der Summe der Auswirkungen und Begleiterscheinungen einer zur Verwirklichung des § 201 Abs 2 StGB notwendigen oralen Penetration, die bei einem Lecken an der Scheide angenommen wird, nicht gleichzuhalten. Die Bezugnahme auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 24. April 1990, 15 Os 40/90, die ebenfalls von einem "Lecken an der Scheide" ausgeht ist daher verfehlt. Soweit die Subsumtionsrüge eine Unterstellung des ab 22. Dezember 2000 vom Angeklagten an seiner leiblichen Tochter vielfach vollzogenen Beischlafs unter das Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 2 StGB anstrebt, negiert sie die Feststellung eines "gebrochenen" (nicht bloß in seinem Willen "gebeugten") Opfers (US 8), dem "alles egal war" (US 12), und das sich gegen die folgenden wiederholten und fortlaufenden Angriffe des Vaters bis 5. März 2001 nicht mehr wehrte (US 8 f, 12). Der bereits ab dem Vollzug des ersten Geschlechtsverkehrs gebrochene Wille des Mädchens schließt (nach dem Akteninhalt auch nicht indizierte) Verführungshandlungen aus. Die von den Tatrichtern vorgenommene Subsumtion sämtlicher zwischen 22. Dezember 2000 und 5. März 2001 vom Angeklagten an seiner leiblichen Tochter vollzogenen Geschlechtlichsverkehre unter § 211 Abs 1 StGB erfolgte daher rechtsrichtig.
Zutreffend rügt die Beschwerdeführerin hingegen das Unterbleiben eines Schuldspruches hinsichtlich der zu I. a) und b) beschriebenen (nur § 202 Abs 1 StGB unterstellten) Tathandlungen als auch zum Nachteil der Sabrina S***** begangene Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB.
Nach herrschender Lehre und Judikatur besteht zwischen § 202 Abs 1 StGB und § 207 Abs 1 StGB echte Idealkonkurrenz (Schick in WK2 § 201 Rz 61 iVm § 202 Rz 20). Ausgehend vom festgestellten zweifachen Betasten der Brüste sowie dem (Ab-)Schlecken des Genitalbereiches der am 8. Juni 1986 geborenen, demgemäß im Sommer 1999 unmündigen Sabrina S***** wurde auch zu deren Nachteil jeweils das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs Unmündiger verwirklicht. Ein entsprechender Schuldspruch unterblieb rechtsirrig und war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Anklagebehörde nachzuholen. Bei der dadurch erforderlich gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die Begehung von mehreren strafbaren Handlungen derselben und verschiedener Art über einen längeren Zeitraum, die Tatsache, dass der Angeklagte bereits wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten verurteilt worden ist, den Umstand, dass die Tat unter einem verwerflichen Vertrauensbruch, sohin heimtückisch begangen wurde, wobei die Wehr- und Hilflosigkeit von zwei Opfern ausgenützt wurde, als mildernd keinen Umstand.
Der von der Berufung des Angeklagten geltend gemachte zusätzliche Milderungsgrund des längeren Wohlverhaltens seit der Tat kann nicht angenommen werden, weil hiefür das Verstreichen eines Zeitraumes erforderlich wäre, welcher in etwa der Rückfallsverjährungsfrist entspricht (Leukauf/Steininger Komm3 § 34 RN 27).
Die wiederholte Begehung von Missbrauchshandlungen an zwei Kindern in einem Zeitraum von rund eineinhalb Jahren trotz einer einschlägigen Verurteilung wegen § 202 Abs 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe ergibt einen hohen Schuldgehalt und zeigt einen Hang zur Begehung von Sexualdelikten. Beides erfordert die Verhängung einer nicht unbeträchtlichen Freiheitsstrafe. Da das Hinzutreten von zwei weiteren Fakten nach § 207 Abs 1 StGB für die ohnedies hohe Tatschuld kein besonderes zusätzliches Gewicht bedeutet, ist eine Freiheitsstrafe von acht Jahren - wie bereits vom Erstgericht ausgesprochen - angemessen.
Der Angeklagte war mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Berufung der Anklagebehörde war zurückzuweisen, weil bei der Anmeldung nicht angegeben wurde, ob sie zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten ergriffen wird, eine Ausführung der Berufung nicht erfolgte und sie auch nicht zurückgezogen wurde.
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