OGH 2Ob270/03z

OGH2Ob270/03z20.11.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Markus W*****, 2.) Sandra K*****, beide vertreten durch Dr. Candidus Cortolezis, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Bernd Fritsch und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 13. August 2003, GZ 4 R 117/03p-13, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 26. März 2003, GZ 23 Cg 3/03b-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass die klagenden Parteien gegenüber der beklagten Partei aus dem Kaufvertrag vom 23. 1. 2002 zu keiner Leistung verbunden sind, abwiesen wird.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die Prozesskosten aller drei Instanzen in Höhe von EUR 7073,66 (darin EUR 860,78 USt und EUR 1.909,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger haben mit Kaufvertrag vom 23. 1. 2002 von der beklagten Partei ein Grundstück im Ausmaß von 799 m2 gekauft, auf dem die beklagte Partei für sie ein Einfamilienhaus mit einer voraussichtlichen Nutzfläche von 100 m2 zu errichten hatte. Der Vertrag wurde als Bauträgervertrag im Sinne des Bauträgervertragsgesetzes bezeichnet. Vertragsgegenstand sind gemäß Punkt 3 des Vertrages Grundstück und Haus.

Punkt 4 ("Leistungen des Erwerbers") lautet:

Folgende Aufwendungen bzw Leistungen bzw Maßnahmen sind nicht Vertragsgegenstand und sind daher vom Erwerber selbst zu erbringen und selbst zu bezahlen: .... Allfällige Maßnahmen (zB Gutachten, Sprengen von Felsen, Anstechen und Ableiten etwaiger unterirdischer Quellen, Schüttungen, Grundierungsmaßnahmen, sonstige bauliche Maßnahmen), die erst beispielsweise auf Grund geologischer Gegebenheiten oder der mangelnden Tragfähigkeit des Bauplatzbodens eine Bebauung desselben mit dem vertragsgegenständlichen Wohnhaus ermöglichen ....

Punkt 7 ("Kaufpreis") lautet:

Der fixe Kaufpreis setzt sich wie folgt zusammen:

Grundkosten EUR 51.670,39

Baukosten EUR 138.078,38

insgesamt daher EUR 189.748,77.

Mit Schreiben vom 26. 4. 2002 erklärten die Kläger wegen nach Punkt 4 des Vertrages für sie zu erwartender Mehrkosten den Rücktritt vom Vertrag.

Die beklagte Partei lehnte den Rücktritt der Kläger ab, erklärte aber, dass sie als Zeichen des guten Willens keine Forderungen aus dem strittigen Vertragspunkt ("allfällige Maßnahmen...") stellen werde. Weiters bot sie den Klägern an, dass dieser Vertragspunkt einvernehmlich aufgehoben werde.

Auf Nachbargrundstücken hat die beklagte Partei Einfamilienhäuser errichtet. Der Bau des Einfamilienhauses der Kläger wurde auf Grund dieses Rechtsstreites noch nicht in Angriff genommen, insbesondere auch, weil die Kläger die Bankgarantie, die vor Baubeginn zu erlegen wäre, im Hinblick auf den erklärten Vertragsrücktritt nicht erlegt haben.

Mit ihrer am 7. 1. 2003 eingebrachten Klage begehrten die Kläger die Feststellung, dass sie gegenüber der Beklagten aus dem Kaufvertrag vom 23. 1. 2002 zu keiner Leistung verbunden seien. Sie brachten hiezu im Wesentlichen vor, aus Punkt 4 des Vertrages ergebe sich wegen des Verstoßes gegen § 4 Abs 1 Z 2 BTVG die relative Nichtigkeit des gesamten Kaufvertrages.

Die beklagte Partei wendete ein, dass kein solcher Verstoß vorliege, weil zwischen den Streitteilen ein Fixpreis vereinbart worden sei. Das mit Schreiben vom 26. 4. 2002 erstmals geltend gemachte Rücktrittsrecht, für das § 5 BTVG eine Frist von einer Woche ab Vertragsabschluss bzw eine absolute Frist von einem Monat vorsehe, sei verfristet.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren wegen Nichtigkeit des Vertrages statt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000,-- übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei und führte ua folgendes aus:

Während bei einem Werkvertrag nach der "Sphärentheorie" den Werkbesteller, der den Baugrund beistelle, grundsätzlich das Boden-(Baugrund-)Risiko treffe, es sei denn dieses Risiko werde vertraglich auf den Werkunternehmer überwälzt, habe bei einem Bauträgervertrag der Bauträger, aus dessen Sphäre die Liegenschaft stamme, das Baugrundrisiko zu tragen. Die konkrete Vertragsgestaltung, die die Pflicht zur Ergreifung der für die Ermöglichung der Bebaubarkeit des Baugrundes allenfalls erforderlichen Maßnahmen den Erwerbern übertrage und ihnen diesbezüglich auch die - betraglich nicht bestimmte - Kostenlast auferlege, und somit das gesamte unternehmerische Risiko hinsichtlich der Bebaubarkeit der Liegenschaft ohne jede betragliche Begrenzung auf die Erwerber überwälze, verstoße gegen die Mindesterfordernisse des § 4 Abs 1 Z 1 und 2 BTVG. Daran vermöge auch die Vereinbarung eines "Fixpreises" für den im Punkt 3 des Vertrages bezeichneten "Vertragsgegenstand" nichts zu ändern, weil es sich in Wahrheit um keinen Fixpreis handle. Vielmehr hätten die Erwerber nach dem Vertrag für typischerweise vom Bauträger geschuldete (Vor-)Leistungen, die nicht auf die Erwerber übertragen werden dürften, ein der Höhe nach gänzlich unbestimmtes Entgelt zu bezahlen, was der Bestimmung des § 4 Abs 1 Z 2 BTVG widerspreche, zumal hiefür weder ein Fixpreis noch ein bestimmbarer Preis im Sinne dieser Gesetzesstelle vereinbart worden sei. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 4 Abs 1 BTVG seien in diesem Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Ein solcher Verstoß gegen die zwingenden Inhaltserfordernisse bewirke die Nichtigkeit des gesamten Vertrages. Ob es sich um eine absolute oder bloß relative Nichtigkeit handle, müsse hier nicht untersucht werden, weil sich die Kläger auf diese Nichtigkeit ohnehin berufen hätten. Die Befristung des Rücktrittsrechts nach § 5 Abs 2 BTVG sei nicht - und zwar auch nicht analog - auf die Geltendmachung einer (relativen) Nichtigkeit wegen Verletzung der Inhaltserfordernisse eines Bauträgervertrages nach § 4 Abs 1 BTVG anzuwenden. Der Vertrag sei auch nicht zumindest mit dem im Punkt 7 vereinbarten "Fixpreis" als gültig zustandegekommen anzusehen. Der in diesem Vertragspunkt vereinbarte Kaufpreis sei die Gegenleistung der Erwerber für den Erwerb des im Punkt 3 bezeichneten Vertragsgegenstandes, nach der Vereinbarung aber gerade nicht eine Gegenleistung für die im Punkt 4 genannten Leistungen. Insoweit sei die Preisvereinbarung der Streitteile völlig unbestimmt geblieben.

Die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO sei zuzulassen gewesen, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Baugrundrisiko in Zusammenhang mit einem Bauträgervertrag sowie zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 4 Abs 1 BTVG fehle.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kläger beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist auch berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht im Wesentlichen geltend, der Vertrag sei mit dem fixen Kaufpreis gemäß Punkt 7 wirksam zustandegekommen; das Entgelt sei ausreichend bestimmt; das Rücktrittsrecht sei verspätet in Anspruch genommen worden; das Baugrundrisiko könne - ebenso wie Aufschließungskosten - auf den Erwerber überwälzt werden.

Hiezu wurde erwogen:

Zutreffend sind die Parteien und die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass zwischen den Streitteilen ein Bauträgervertrag im Sinne des § 2 Abs 1 BTVG geschlossen wurde. Da die Bauführung auf einer Liegenschaft des Bauträgers erfolgen soll, handelt es sich um den Normalfall eines solchen Vertrages (vgl Böhm/Pletzer in Schwimann2 Band 4 § 2 BTVG Rz 5, 44). Zum zwingenden Inhalt eines Bauträgervertrages gehört gemäß § 4 Abs 1 BTVG das vom Erwerber zu zahlende Entgelt und dessen Fälligkeit.

Zu 4 Ob 56/03v = JBl 2003, 640 (Staudegger) und 1 Ob 101/03i = EvBl 2003/169 wurde vor kurzem bereits ausgesprochen, dass unter "Entgelt" im Sinne des § 4 Abs 1 Z 2 BTVG nur solche Entgeltsbestandteile zu verstehen sind, die typischerweise zum Bereiche der geschuldeten Leistung gehören, demnach wirtschaftlich gesehen beim Bauträger verbleiben und zur Abgeltung seiner eigenen Leistungen bestimmt sind; behördlich vorgeschriebene Bauabgaben oder an Dritte zu zahlende Kosten für die Aufschließung des zu bebauenden Grundstücks (Herstellung von Kanalisation, Strom-, Wasser- und Fernwärmeanschluss, Gehsteigerrichtung im behördlich vorgeschriebenen Umfang) fallen hierunter nicht.

Hingegen gehören - worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat - die Beschaffung des Grundstückes, die Bewertung seiner Lage und die Prüfung seiner Eignung für den gewünschten Bauzweck sowie das Abschätzen der Bodenbeschaffenheit zu den typischen Leistungen eines Bauträgers (Kallinger, Definition, Rechte und Pflichten des Bauträgers, immolex 2002, 259). Während bei der werkvertraglichen Bauführung durch Bauunternehmer auf dem Grund des Bestellers dieser das - aus seiner Sphäre stammende - Bodenrisiko zu tragen hat (RIS-Justiz RS0022045 T 9 und 13; RS0022075; vgl Thaler, Rechtsprechungsübersicht Baugrundrisiko, ecolex 2001, 192), trifft dieses Risiko erhöhter Baukosten beim Bauträgervertrag mangels gegenteiliger Vereinbarung den das Grundstück beschaffenden (und im vorliegenden Fall auch verkaufenden) Bauträger (Engin-Deniz, BTVG2 § 4 Rz 1). Er hat es daher grundsätzlich in den von ihm geforderten Fixpreis einzukalkulieren; will er es gesondert überwälzen, kann er einen deswegen veränderlichen Preis iSd § 4 Abs 1 Z 2 BTVG vereinbaren.

Nach der vorliegenden Vertragsgestaltung sollen im Ergebnis allfällige aus einer problematischen Bodenbeschaffenheit resultierende Mehrkosten vom Käufer zusätzlich zu den fixen Grund- und Baukosten zu bezahlen sein. Auch für diesen Entgeltsbestandteil gilt aber - ungeachtet der Formulierung "Leistungen des Erwerbers" - § 4 Abs 1 Z 2 BTVG: Ist das Entgelt nicht als Fixpreis bestimmt, so kann ein von bestimmten Kostenfaktoren abhängiges Entgelt vereinbart werden; eine solche Vereinbarung ist nur wirksam, wenn diese Faktoren genau festgelegt sind und eine Obergrenze bestimmt ist (oder diese Festlegung des Entgelts nach dem WGG zulässig ist, was zufolge des Justizausschussberichtes nur gemeinnützige Bauträger betrifft).

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu dieser Bestimmung (ebenso wie der Justizausschussbericht abgedruckt zB bei Engin-Deniz aaO 34 ff) heißt es: Das vom Erwerber dem Bauträger zu zahlende Entgelt kann - vorbehaltlich anderer gesetzlicher Preisbildungsvorschriften - entweder als Fixpreis vereinbart oder von anderen Umständen, zB den eigenen Kosten des Bauträgers, abhängig gemacht werden (Z 2). Wird kein Fixpreis festgelegt, so sind jedenfalls bestimmte Kostenfaktoren (etwa ein Baupreisindex oder Lohnsteigerungsraten) und eine Obergrenze zu vereinbaren, zumal nicht das gesamte unternehmerische Risiko des Bauträgers auf den Erwerber überwälzt werden soll. Ist überhaupt kein zahlenmäßig bestimmtes Entgelt vereinbart und fehlt es an der Obergrenze oder den bestimmten Kostenfaktoren, so liegt kein hinreichend bestimmter Vertrag vor (§ 869 ABGB); wird dagegen ein veränderliches aber zahlenmäßig bestimmtes Entgelt vereinbart, so können ohne Obergrenze und ohne Nennung bestimmter Kostenfaktoren keine Erhöhungen verlangt werden (auch wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG vorliegen).

Ist also ein zwar veränderliches, aber zunächst zahlenmäßig bestimmtes Entgelt ohne objektive Kostenfaktoren oder Obergrenze genannt worden, ist dieses Entgelt gleich einem Fixpreis zu behandeln (Würth in Rummel3 II/5 § 4 BTVG Rz 2); der Vertrag kommt mit dem als Absolutbetrag genannten Betrag gültig zustande (Engin-Deniz aaO § 4 Rz 2; aM wohl Böhm/Pletzer aaO § 4 Rz 15).

In Punkt 4 des vorliegenden Vertrages fehlt es bei den allenfalls zusätzlichen Kosten (Entgelten) infolge schlechter Bodenbeschaffenheit schon an der Angabe einer Obergrenze, weshalb - wie die Erläuterungen zur Regierungsvorlage deutlich machen - keine Erhöhung verlangt werden kann; vielmehr ist diese Klausel unwirksam. Der Vertrag ist aber dennoch hinreichend bestimmt im Sinne des § 869 ABGB: Er ist mit dem als Fixpreis bezeichneten Betrag wirksam zustandegekommen. Die von den Vorinstanzen wegen Verstoßes gegen § 4 Abs 1 BTVG bejahte Nichtigkeit des gesamten Vertrages ist nicht gegeben. Dies entspricht auch den allgemeinen Grundsätzen der Teilnichtigkeit (vgl Koziol/Welser I12 164 f). Dass die Parteien den Vertrag ohne Punkt 4 nicht abgeschlossen hätten, ist hier nicht anzunehmen. Die beklagte Partei macht ja in der Revision die Gültigkeit des Vertrags ohne die von den Klägern beanstandete Klausel geltend. Für die Kläger aber bedeutet der Entfall der Klausel keinen Nachteil.

Da somit Vertragspflichten der Kläger gegenüber der Beklagten bestehen, war das auf eine gegenteilige Feststellung abzielende Klagebegehren in Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen abzuweisen. Auf die Frage der Verfristung muss nicht mehr eingegangen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 sowie (für die Kosten des Rechtsmittelverfahrens) 50 ZPO.

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