OGH 14Os139/03

OGH14Os139/0318.11.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. November 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Dachsberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr. Werner Reinhold S***** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 22. Jänner 2003, GZ 8 Hv 4/02m-125, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Werner Reinhold S***** des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Danach hat er in Braunau am Inn ein ihm anvertrautes Gut in einem 40.000 Euro übersteigenden Wert, nämlich zur Weiterleitung an seine Mandanten bestimmte Gelder, dadurch, dass er diese einbehielt und für sich verwendete, sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1. von Juli 1993 bis Ende 1998 für die Firma M***** GmbH bzw J*****B.V übernommene Geldbeträge von zusammen 8,432.662,36 S (= 612.825,46 Euro);

2. nach dem 24. Juni 1996 einen von der I***** AG für Claudia K***** übernommenen Geldbetrag von 98.597 S (= 7.165,32 Euro);

3. zwischen November 1997 und Dezember 1999 von Walter R***** für die Ra***** übernommene Geldbeträge von zusammen 149.005,60 S (= 10.828,66 Euro);

4. am 12. Februar 1999 einen von Oliver E***** für die Ra***** übernommenen Geldbetrag von 47.562,47 S (= 3.456,50 Euro).

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Gründe der Z 4, 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

In der Verfahrensrüge (Z 4) bemängelt der Angeklagte die Abweisung seiner Anträge auf Beischaffung der von ihm an die Firma M***** GmbH bzw J***** B.V zurückgeschickten "negativen" Akten (Fälle, die nach Erlangung eines Exekutionstitels mangels erfolgreicher Eintreibung der eingeklagten Forderung samt Kosten an die Auftraggeberin gegen Verrechnung der Barauslagen zurückgestellt wurden; vgl US 17) sowie die Beischaffung der von ihm an RA Dr. K***** übergebenen (im anhängigen Zivil- bzw Exekutionsverfahren noch betriebenen) Akten zum Beweis dafür, dass diese Streitfälle (bzw die dazu betriebenen Forderungen samt Kosten) im Nachhinein vom Inkassobüro oder dritten Rechtsanwälten einbringlich gemacht werden konnten und dass in der Einbringlichkeitssumme auch jene Kosten und Barauslagen enthalten sind, die rechtlich ihm zustehen, wodurch sich eine Gegenforderung zu seinen Gunsten in bislang unbestimmter Höhe ergibt. Ungeachtet des Umstandes, dass im Antrag mangels eines Vorbringens, die Gegenforderungen würden einen die Qualifikationsgrenze des § 133 Abs 2 zweiter Fall StGB tangierenden Umfang erreichen, keine entscheidungswesentliche Tatsache angesprochen wurde, bestand für das Erstgericht keine Veranlassung, diesem Begehren näher zu treten. Da die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten Voraussetzung für die Erheblichkeit eines darauf aufbauenden Beweisantrags ist (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 342, 347), fallbezogen aber die Behauptung des Dr. Werner Reinhold S****, er habe noch Gegenforderungen, vom Schöffengericht als unglaubwürdig erachtet wurde, weil das erkennende Gericht aus den Beweisergebnissen - wie unten darzulegen sein wird - mängelfrei einen Verzicht des Beschwerdeführers auf weitere Forderungen gegenüber der ihn mit der klagsweisen Durchsetzung von Ansprüchen beauftragenden Firma K***** GmbH, nachfolgend M***** GmbH bzw J*****B.V ableitete, erfolgte die Ablehnung der beantragten Beweisaufnahme zu Recht.

Aus diesem Grund war das Erstgericht entgegen dem Beschwerdevorbringen weder verhalten, dem überdies lediglich in Form eines Erkundungsbeweises formulierten Antrag auf Einholung eines ergänzenden Gutachtens zur Feststellung der Höhe derartiger Gegenforderungen stattzugeben, noch jenem auf Vernehmung eines informierten Vertreters der Inkassofirma L***** zum Beweis dafür, dass Kosten und Barauslagen, die durch dieses Büro bei den vom Angeklagten übermittelten Akten einbringlich gemacht werden konnten, an die Firma K***** GmbH und nicht an Dr. Werner Reinhold S***** überwiesen wurden.

Mangels eines Vorbringens, wonach die weiters beantragte Zeugin RA Dr. Waltraud W***** trotz des von ihr geltend gemachten Zeugnisentschlagungsrechtes nach § 152 Abs 1 Z 4 StPO (ON 109 und ON 112) nunmehr doch bereit wäre, über das beantragte, neuerlich eine Besprechung mit ihrem Mandanten betreffende Beweisthema auszusagen, lehnte der Schöffensenat zutreffend auch das Begehren auf Vernehmung dieser Zeugin ab; strebte doch der Angeklagte damit inhaltlich die Durchführung eines unzulässigen Erkundungsbeweises an (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 331).

Den Antrag auf Vernehmung der Zeugin Anita K***** zum Beweis dafür, dass das Schreiben der Firma K***** GmbH bzw M***** GmbH vom 12. Juli 1993, mit dem diese Firma die bisherige Geschäftsbeziehung zum Angeklagten aufgekündigt hatte, nicht an den Beschwerdeführer weitergeleitet wurde, wies das Erstgericht gleichfalls zu Recht ab, weil er jegliche Konkretisierung dahingehend vermissen lässt, inwiefern diese Zeugin ausschließen könnte, dass der Angeklagte dieses Schreiben zur Kenntnis genommen habe.

Schließlich versagt auch die Verfahrensrüge in Bezug auf die Abweisung des Antrages auf Einholung einer Auskunft des Postamtes Kematen in Tirol zum Beweis dafür, dass seit der Suspendierung des Angeklagten (durch die Rechtsanwaltskammer Oberösterreich) eine Postsperre bestand und daher keine Briefe und andere Poststücke an ihn weitergeleitet werden konnten. Abgesehen davon, dass sich der Angeklagte im Umfang der von diesem Beweisantrag betroffenen Schuldsprüche 3./ und 4./ schuldig bekannt hatte (S 61/VII), hätte dieses Beweisergebnis - wie das Tatgericht in der Zwischenentscheidung zutreffend darstellte (S 42 und 63/VII; US 20) - zur Klärung der Schuldfrage nichts beitragen können. Denn dem Angeklagten liegt insoweit zur Last, die Überweisung des weiterzuleitenden Betrages auf ein von ihm eröffnetes PSK-Konto veranlasst zu haben.

Durch die gerügte Unterlassung der Beweisaufnahmen wurde daher der Angeklagte in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt. Die in der Mängelrüge (Z 5) behauptete unzureichende Begründung der Urteilsannahme, Dr. Werner Reinhold S***** habe das Schreiben der Firma M***** GmbH vom 12. Juli 1993 erhalten, mit dem diese Firma die Geschäftsbeziehungen zum Angeklagten aufgekündigt habe (US 5), übergeht die umfassenden Erwägungen des Schöffengerichts (US 11 f und 15 f), welches entgegen dem Beschwerdestandpunkt auch die Angaben der Zeuginnen Maria S***** und Adelgund J***** berücksichtigte (US 11 f und 16), die überdies lediglich eigene Erinnerungen an dieses Schreiben verneinten, aber über eine diesbezüglich fehlende Kenntnisnahme durch den Beschwerdeführer nichts aussagen konnten (vgl S 570 ff/VI; S 31 ff/VII).

Auch die als unzureichend gerügte Begründung der subjektiven Tatseite liegt nicht vor. Das Erstgericht setzte sich nämlich eingehend mit dem Kenntnisstand des Angeklagten über seine finanziell desaströse Situation auseinander (US 10 ff). Dabei hat es dessen Verantwortung, er habe die bei ihm für die Firma M***** GesmbH eingelangten Gelder lediglich deswegen zurückbehalten, um damit seine behaupteten Gegenforderungen befriedigen zu können, als unglaubwürdig erachtet. In Wahrheit leiteten die Tatrichter aus den im Einzelnen dargestellten Verfahrensergebnissen (US 12 ff und 15 ff) einen Verzicht auf alle weiteren Forderungen für erbrachte Leistungen sowohl aus den an die Firma M***** GesmbH zurückgestellten "negativen" Akten als auch aus den an den nunmehr für diese Firma einschreitenden Rechtsanwalt übermittelten, bis dahin noch von ihm betriebenen Akten ab (US 6 f und 17).

Entgegen den Beschwerdeausführungen erschöpft sich die Begründung des erkennenden Gerichtes in diesem Zusammenhang nicht in bloßen Mutmaßungen; vielmehr schloss das Schöffengericht aufgrund der geübten Praxis des Beschwerdeführers, die einlangenden Fremdgelder - entgegen seiner sich aus § 19 RAO und § 43 RL-BA 1977 ergebenden anwaltlichen Verpflichtung, diese auf zu errichtende Anderkonten zu leiten - auf eigenen Konten zu vereinnahmen und dadurch die sonst drohende Insolvenz abzuwenden, ohne Widerspruch mit den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen auf eine unrechtmäßige Bereicherung gerichtete Aneignung dieser weiterzuleitenden Gelder (US 12 f und 15 ff iVm US 5 ff). Unter Hervorhebung seiner leugnenden Einlassung versucht der Beschwerdeführer demgegenüber die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht anfechtbare Beweiswürdigung der Tatrichter zu bekämpfen, ohne eine iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO willkürliche Begründung (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 444 mwN) aufzuzeigen.

Die behauptete Widersprüchlichkeit der Urteilskonstatierungen im Bezug auf den angespannten Überziehungsrahmen lässt außer Acht, dass nach den unmissverständlichen Feststellungen die eingeräumten Überziehungsrahmen teils angespannt, teils ausgeschöpft waren (US 3 f, 5 und 11).

Die Strafbemessungsrüge (Z 11) erschöpft sich darin, für den Beschwerdeführer vom Erstgericht nicht angenommene Milderungsumstände zu reklamieren. Sie bringt damit einen nur im Fall einer Strafbefugnisüberschreitung oder einer rechtsfehlerhaft vorgenommenen Strafbemessung gegebenen Nichtigkeitsgrund iSd § 281 Abs 1 Z 11 StPO nicht gesetzesgemäß zur Darstellung, sondern führt solcherart inhaltlich lediglich eine Berufung aus.

Die teils offenbar unbegründete, teils nicht prozessordnungsgemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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