OGH 8Ob82/03x

OGH8Ob82/03x30.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling, Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christian G*****, vertreten durch Dr. Otmar Simma ua, Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei H***** reg GenmbH, *****, vertreten durch Mag. Günther Eybl, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen EUR 5.991,51 sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 17. März 2003, GZ 22 R 57/03v-14, mit dem über Berufung des Klägers das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 3. Dezember 2002, GZ 2 C 373/02a-8, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger unterfertigte am 15. 6. und am 15. 8. 1999 zwei von der Beklagten ausgestellte, von Franz P***** akzeptierte Wechsel als Wechselbürge. Da der Akzeptant die Wechselschuld von S 300.000,- nicht einlöste, erwirkte die Beklagte gegen diesen, dessen Ehegattin und den Kläger Wechselzahlungsaufträge über S 300.000,- sA und über S 9.520,- sA, die unangefochten in Rechtskraft erwuchsen. Im Zuge der von der Beklagten eingeleiteten exekutiven Maßnahmen wurden zur Sicherung der Forderung gegen den Akzeptanten auf ihm gehörigen Liegenschaften Zwangspfandrechte begründet. Auch gegen den Kläger, der zunächst nur den Betrag von S 9.520,- gezahlt hatte, führte die Beklagte Exekution, worauf zwischen den Parteien Einigung darüber erzielt wurde, dass der Kläger gegen Zahlung von S 100.000,- aus der Wechselbürgschaft entlassen werde. Der Kläger hat den zuletzt genannten Betrag der Beklagten gezahlt.

Das von der Beklagten auf der Liegenschaft des Akzeptanten erwirkte Zwangspfandrecht wurde mit Zustimmung der Beklagten gelöscht.

Über das Vermögen des Akzeptanten wurde am 6. 6. 2000 der Konkurs eröffnet. Mit Beschluss vom 2. 11. 2000 wurde ein Zwangsausgleich mit einer Quote von 25 % bestätigt und der Konkurs aufgehoben. Unter Berücksichtigung der auf Grund des Zwangsausgleichs erhaltenen Zahlungen erlitt der Kläger einen Ausfall in der Höhe des Klagebetrages.

Der Kläger begehrt im vorliegenden Verfahren von der Beklagten den Ersatz dieses Betrages. Obwohl die Beklagte vollständig befriedigt worden sei, habe sie es rechtswidrig und schuldhaft unterlassen, dem Kläger ihre exekutiven Pfandrechte zu überlassen. Statt dessen habe sie die Pfandrechte löschen lassen, ohne den Kläger davon zu verständigen.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Sie habe die Löschung der von ihr erwirkten Zwangspfandrechte weder beantragt noch veranlasst, sondern nur Löschungserklärungen abgegeben. Diese Pfandrechte seien erst nach der Begründung der Wechselverbindlichkeiten des Klägers erwirkt worden. Die vom Kläger behauptete Pflicht des Gläubigers, Sicherheiten an den Bürgen herauszugeben, bestehe aber für nachträglich erlangte Sicherheiten nicht. Zudem seien die Sicherheiten nach der Rechtsprechung schon deshalb nicht auf den Kläger übergegangen, weil er sich nur wechselmäßig verbürgt habe. Außerdem habe er die Forderung nur teilweise abgetragen und daher die Forderung nicht eingelöst. Die Zwangspfandrechte hätten dem Kläger auch keine Deckung geboten. Hilfsweise werde eingewendet, dass den Kläger das alleinige oder überwiegende Mitverschulden treffe, weil er sogleich nach seiner Zahlung von der Beklagten eine entsprechende Urkunde verlangen und damit die Umschreibung der Pfandrechte bewirken hätte können.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Bei einer Wechselbürgschaft finde im Sinne der Entscheidung SZ 60/87 ein Rechtsübergang nach § 1358 ABGB nicht statt. Auf eine Bürgschaft nach bürgerlichem Recht habe sich der Kläger nicht berufen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht dieses Urteil aufgehoben, die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen und ausgesprochen, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung SZ 60/87 die Frage, ob "bestellte Sicherheiten" auf den Wechselbürgen übergehen, offen gelassen. In der neueren Lehre werde jedoch überwiegend der Standpunkt vertreten, dass von einer Legalzession ausgegangen werden müsse, und zwar - zumindest nach einem Teil der Lehre - auch hinsichtlich der vom Gläubiger nachträglich gegen den Hauptschuldner erlangten Sicherheiten.

Das Berufungsgericht sei der Ansicht, dass jedenfalls exekutiv erlangte Sicherheiten gemäß Art 32 Abs 3 WG auf den Wechselbürgen übergehen. Schließlich habe der OGH bereits entschieden, dass der Wechselbürge, der die Schuld des Akzeptanten (als Bürge) zahle, auf Grund des bestehenden Wechselzahlungsauftrages gegen Nachweis der Einlösung der Forderung ein gegen den Akzeptanten geführtes Exekutionsverfahren im eigenen Namen fortführen könne. Gehe man aber in diesem Sinn vom Übergang exekutiver Sicherheiten aus, könne nicht zweifelhaft sein, dass der Gläubiger die Deckung des Regressanspruchs des Wechselbürgen nicht durch einen Pfandverzicht beeinträchtigen dürfe. Wenngleich die zivilrechtlichen Bürgschaftsregeln auf die Wechselbürgschaft nicht anwendbar seien und der Oberste Gerichtshof in SZ 57/48 das Entstehen eines verschuldensunabhängigen Ersatzanspruchs nach § 1360 ABGB zu Gunsten des Wechselbürgen offen gelassen habe, sei eine Pfandaufgabe durch den Gläubiger nach Einlösung der Forderung als sorgfaltswidrig anzusehen, sodass eine Haftung der Beklagten in Betracht komme.

Damit erweise sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig, weil Feststellungen zu den Zeitpunkten der Zahlungen des Klägers und zur Abgabe der Löschungserklärungen der Beklagten fehlten. Auch die von der Beklagten bestrittene Deckungstauglichkeit der Pfandrechte müsse geklärt werden. Im Hinblick auf den Mitverschuldenseinwand der Beklagten müssten auch Feststellungen über die Absprachen der Parteien vor der Pfandaufgabe getroffen werden.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zuzulassen, weil die zu lösenden Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung hätten, die dazu vertretenen Lehrmeinungen uneinheitlich seien und Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof fehle.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung des Berufungsgerichtes aufzuheben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Der Kläger beantragte, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist aus dem von der zweiten Instanz angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Maßgebend für den Entscheidungsspielraum des Gerichts sind der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt und die hiefür angegebenen Tatsachen. Eine unrichtige rechtliche Qualifikation wirkt sich dann nicht zum Nachteil des Klägers aus, wenn er alle anspruchsbegründenden Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt hat (MietSlg 38.775; 38.776; zuletzt etwa 4 Ob 12/02x).

Auch der rechtlichen Beurteilung der zweiten Instanz ist beizupflichten:

Der Rekurswerberin ist beizupflichten, dass der Oberste Gerichtshof - allerdings in aller Regel in anderem Zusammenhang - die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über die Bürgschaft als auf die Wechselbürgschaft nicht anwendbar erachtet (RIS-Justiz RS0032174; zuletzt 8 Ob 81/98i) und dass daraus in SZ 57/48 - obiter dictum - die Unanwendbarkeit auch des § 1360 ABGB abgeleitet wurde, nach der der Gläubiger nicht befugt ist, sich zum Nachteil des Bürgen eines vom Hauptschuldner oder einem Dritten vor oder bei Leistung der Bürgschaft gegebenen Pfandes zu begeben. Das Berufungsgericht hat aber zu Recht darauf verwiesen, dass die jüngere Lehre überwiegend von einer Legalzession auf den zahlenden Wechselbürgen ausgeht (zum Meinungsstand: Gamerith in Rummel³ § 1358 Rz 3 sowie SZ 60/87), wobei insbesondere P. Bydlinski (Die Bürgschaft im österreichischen und deutschen Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht 179 ff) den Standpunkt vertritt, dass auch erst nach der Verpflichtung des Wechselbürgen entstandene Sicherheiten auf den Wechselbürgen übergehen. Eine nähere Prüfung der in diesem Zusammenhang zu beantwortenden Rechtsfragen ist für die hier zu treffende Entscheidung jedoch entbehrlich.

Das Berufungsgericht hat zu Recht hervorgehoben, dass es im hier zu beurteilenden Fall nicht um eine "bestellte Sicherheit", sondern um Zwangspfandrechte geht, die gegen den Wechselhauptschuldner im Zuge der exekutiven Durchsetzung der über die Wechselschuld ergangenen Wechselzahlungsaufträge begründet wurden.

In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass der Wechselbürge, der den Wechsel bezahlt hat, nach Art 32 Abs 3 WG die Rechte aus dem Wechsel gegen denjenigen erwirbt, für den er sich verbürgt hat und gegen alle, die diesem wechselmäßig haften. Daraus hat die Rechtsprechung abgeleitet, dass der Wechselbürge, der durch die Zahlung der Wechselschuld die Rechte aus dem Wechsel erworben hat, ein vom Gläubiger zur Durchsetzung der Wechselschuld eingeleitetes Exekutionsverfahren gemäß § 9 EO fortsetzen kann, wenn er die Zahlung auf eine dieser Gesetzesstelle entsprechende Art nachweist (EvBl 1960/233; SZ VIII/180; zust Jakusch in Angst, Kommentar zu EO, § 9 Rz 25). Diese Rechtsprechung, von der abzugehen keine Veranlassung besteht, setzt aber notwendig voraus, dass die im Zuge der Exekution zur Durchsetzung der Wechselschuld bereits erworbenen Sicherungsrechte am Vermögen des Wechselhauptschuldners auf den einlösenden Wechselgläubiger übergehen. Dies erscheint im Übrigen auch durchaus sachgerecht, weil eine diesem Ergebnis entgegenstehende Schutzwürdigkeit des Wechselhauptschuldners gegenüber dem Wechselbürgen nicht erkennbar ist.

Geht man aber unter diesen Voraussetzungen von einem Übergang der zur Durchsetzung der Wechselschuld gegenüber dem Wechselhauptschuldner exekutiv begründeten Sicherungsrechte auf den einlösenden Wechselbürgen aus, muss auch - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - eine Verpflichtung des Wechselgläubigers bejaht werden, dem Wechselbürgen die Geltendmachung dieser Sicherungsrechte zu ermöglichen bzw nicht zu vereiteln. Ob man dieses Ergebnis unmittelbar aus § 1360 ABGB ableitet oder - mangels unmittelbarer Anwendbarkeit dieser Bestimmung - aus ihrer dann zur Schließung der offenkundig gegebenen Lücke gebotenen analogen Anwendung, braucht nicht näher erörtert zu werden.

Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes erweist sich daher als zutreffend.

Der Einwand der Rekurswerberin, der Wechselbürge könne nur dann iSd Art 32 WG Rechte aus dem Wechsel erwerben, wenn er die Wechselforderung zur Gänze einlöst, trifft nicht zu. Eine solche Annahme entbehrt jeder rechtfertigenden Grundlage. Die Rekurswerberin selbst verweist auf Art 51 WG, der deutlich macht, dass dem Wechselrecht auch ein teilweiser Rechtsübergang nicht fremd ist (vgl auch Baumbach/Hefermehl 22 Art 32 Rz 3).

Den Einwand, dass der Kläger anlässlich der teilweisen Einlösung der Wechselschuld nicht die Herausgabe des Wechsels bzw einer Quittung und einer Wechselabschrift verlangt habe, hat die Beklagte in erster Instanz nicht vorgebracht. Im Übrigen erwirbt der einlösende Wechselbürge mit der Zahlung der Wechselschuld das Recht am Wechsel und die daraus erwachsenden Rechte, ohne dass er in den Besitz der Wechselurkunde gelangen muss (Baumbach/Hefermehl 22 Art 32 Rz 3). Hat er ohne Aushändigung des Wechsels gezahlt, kann er als nunmehriger Eigentümer dessen Herausgabe begehren (Strunz, Wechselgesetz14 Art 32 Anm 6). Nähere Ausführungen dazu und zu allfälligen Auswirkungen auf den hier geltend gemachten Schadenersatzanspruch sind aber derzeit verfrüht, weil mangels entsprechender Behauptungen dazu jegliches Sachverhaltssubstrat fehlt.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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