Spruch:
Es verletzen das Gesetz
1./ der Vorgang, dass das Bezirksgericht Innsbruck von seinem gemeinsam mit dem Urteil vom 7. Juni 2002, GZ 8 U 100/02i-15, (unter Absehen vom Widerruf) gefassten Beschluss auf Verlängerung der Probezeit der dem Aytekin K***** mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 5. September 2000, GZ 23 E Vr 1386/00-13, gemäß § 43a Abs 2 StGB gewährten (teil-)bedingten Strafnachsicht nicht unverzüglich diesen Gerichtshof verständigte, in der Bestimmung des § 494a Abs 7 StPO;
2./ der Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. Jänner 2003, GZ 23 E Vr 1386/00-32, mit dem der mit Urteil vom 5. September 2000 bedingt nachgesehene Strafteil endgültig nachgesehen wurde, obwohl infolge der zu 1./ erwähnten Verlängerung der Probezeit auf vier Jahre noch nicht feststand, dass die teilbedingte Strafnachsicht nicht widerrufen wird, in dem sich aus § 43 Abs 2 StGB iVm §§ 53 und 56 StGB ergebenden Gebot, die endgültige Strafnachsicht erst nach Ablauf der Probezeit auszusprechen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Innsbruck vom 5. September 2000, GZ 23 E Vr 1386/00-13, wurde Aytekin K***** des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127, 129 Z 2 StGB schuldig erkannt und nach § 129 StGB zu einer gemäß § 43a Abs 2 StGB für eine Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten sowie zu einer unbedingten Geldstrafe verurteilt. Das Urteil erwuchs am 24. November 2000 in Rechtskraft (ON 19).
Am 22. November 2001 (also in der Probezeit) beging Aytekin K***** das Vergehen des Diebstahls. Er wurde deswegen mit Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 7. Juni 2002, GZ 8 U 100/02i-15, des Vergehens nach § 127 StGB schuldig erkannt und - vom Landesgericht Innsbruck in Stattgebung seiner Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe - zu einer Geldstrafe verurteilt. Zugleich fasste das Bezirksgericht Innsbruck gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 den Beschluss vom Widerruf der mit dem oben bezeichneten Urteil des Landesgerichtes Innsbruck gewährten (teil-)bedingten Strafnachsicht abzusehen und verlängerte die Probezeit auf vier Jahre. Die in § 494a Abs 7 StPO vorgeschriebene unverzügliche Verständigung des Landesgerichtes Innsbruck zu 23 E Vr 1386/00, Hv 82/00, von der Verlängerung der Probezeit unterblieb. Das Bezirksgericht Innsbruck ordnete vielmehr erst nach der Rechtskraft seiner Entscheidung in der Endverfügung (ON 22) am 3. Februar 2003 die Verständigung des Landesgerichtes Innsbruck an, welche am 5. Februar 2003 dort einlangte (23 E Vr 1386/00-33).
Mit rechtskräftigem Beschluss vom 30. Jänner 2003, GZ 23 E Vr 1386/00-32, stellte das Landesgericht Innsbruck - dem Antrag der Staatsanwaltschaft entsprechend - in Unkenntnis der Entscheidung über die Verlängerung der Probezeit und damit vor deren Ablauf fest, dass die dem Aytekin K***** bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe endgültig nachgesehen ist.
Rechtliche Beurteilung
Durch das Vorgehen der Gerichte wurde - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - das Gesetz in zweifacher Hinsicht verletzt. Zum einen setzt die Bestimmung des § 43 Abs 2 StGB über die endgültige Strafnachsicht voraus, dass die Strafe nicht widerrufen wird. Dieses Erfordernis war aber im Zeitpunkt der Beschlussfassung zufolge rechtswirksamer Verlängerung der Probezeit (und der damit verbundenen Möglichkeit späteren Eintrittes eines Widerrufsgrundes) noch nicht gegeben.
Diese Gesetzesverletzung wurde zum anderen ersichtlich durch die ihrerseits gesetzwidrige Vorgangsweise des Bezirksgerichtes Innsbruck ausgelöst, das entgegen der Vorschrift des § 494a Abs 7 StPO dem hievon betroffenen Landesgericht Innsbruck nicht sogleich seine Entscheidung über die Verlängerung der Probezeit bekannt gab. Die in dieser Gesetzesstelle normierte Verständigungspflicht soll nämlich sicherstellen, dass das von der neuen Entscheidung betroffene Gericht keine weitere Entscheidungskompetenz in Anspruch nimmt, was aber nur dann erreicht werden kann, wenn die Verständigung unmittelbar nach der jeweiligen Entscheidung nach § 494a StPO (ohne Rücksicht auf deren Rechtskraft) vorgenommen wird (14 Os 77, 78/98 uva). Da sich die aufgezeigte Gesetzesverletzung durch das Bezirksgericht Innsbruck und die dadurch mitausgelöste (gesetzwidrige) endgültige Strafnachsicht durch das Landesgericht Innsbruck noch vor Ablauf der (verlängerten) Probezeit zum Vorteil des Angeklagten auswirkten, muss es insoweit - anders als bei Vorliegen von begrifflich miteinander völlig unvereinbaren Entscheidungen - mit der Feststellung der Gesetzesverletzungen sein Bewenden haben.
Somit bleibt der Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. Jänner 2003, mit dem die endgültige Nachsicht der Freiheitsstrafe festgestellt wurde, rechtswirksam. Dem Bezirksgericht Innsbruck wird es obliegen, das Strafregisteramt davon in Kenntnis zu setzen, dass die Verlängerung der Probezeit zufolge der zwischenzeitig ausgesprochenen endgültigen Strafnachsicht gegenstandslos ist.
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