OGH 13Os129/03

OGH13Os129/0322.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Oktober 2003 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Proksch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Michael O***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 2. April 2003, GZ 22 Hv 39/02p-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Michael O***** wurde des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 22. Jänner 2001 in I***** mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Angestellten der Filiale A***** der R*****bank 258.309,71 S mit dem Vorsatz abgenötigt, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, indem er die Kassierin Doris O***** mit einer Pistolenattrappe bedrohte, sie aus dem Kassenbereich gewaltsam zurückzog, wegstieß und das Geld wegnahm.

Rechtliche Beurteilung

Der aus Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Die in der Hauptverhandlung vom 2. April 2003 (Bd II, S 51 ff) gestellten Anträge,

"die der Zeugin Andrea B***** zur Identifizierung des Täters vorgelegten Wahllichtbildvorlagen zugänglich zu machen und die erforderliche Reihenfolge der Vorlage zu dokumentieren", auf "Einholung eines psychologischen Gutachtens über die erfolgte Durchführung sämtlicher Wahllichtbildervorlagen und Wahlgegenüberstellungen der Zeugen B***** und F*****, jeweils zum Beweis dafür, dass bei der Vorlage der Wahllichtbilder und der Wahlkonfrontation die Alternativpersonen sich in ihrer äußeren Erscheinung, insbesondere Größe, Gewicht, Körperbau, Alter, Frisur, Haarfarbe wesentlich vom Angeklagten und vom Phantombild unterscheiden und diese daher nicht geeignet waren, den Angeklagten als Täter zu identifizieren und die Zeugen lediglich aufgrund des ihnen vertrauten Phantombildes bzw. Wahllichtbildervorlagen suggestiv den Angeklagten als mit diesem ähnlich fälschlich als Täter identifiziert haben", wobei der Antragsteller auf Nachfrage der Vorsitzenden ergänzend vorbrachte, dass das Gutachten "über eine bestimmte Person erstellt werden soll" und zwar "über die Fehleranfälligkeit dieser Art der Identifizierung", weiters auf "Einholung eines psychologischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass der Zeuge F***** ein überdurchschnittlich schlechtes Gesichts- und Personengedächtnis hat und insbesondere nicht in der Lage ist, sich ein Gesicht oder eine Person nach kurzfristiger Betrachtung nach einem Zeitablauf von 5 ½ Monaten wiederzuerkennen und aus einer Auswahl ähnlicher Personen als richtig zu identifizieren" und schließlich

auf "Einholung eines Lichtbildvergleichsgutachtens zum Beweis dafür, dass die auf den Lichtbildern der Überwachungskamera abgebildete Person nicht mit dem Angeklagten ident ist", wobei ergänzend auf drei angeblich 1999 oder 2000 angefertigte Lichtbilder, auf denen der Angeklagte links einen Ohrring trägt und darauf hingewiesen wurde, dass "es keinen Anlass gegeben hätte, diesen Ohrring vor dem Überfall zu entfernen, das der Täter ohnehin maskiert war und der Ohrring nicht sichtbar gewesen wäre",

verfielen zu Recht der Abweisung.

Ein Antrag auf - ohnehin nur in Ausnahmefällen, etwa bei Entwicklungsstörungen oder geistigen Defekten unmündiger oder jugendlicher Zeugen in Erwägung zu ziehende - Beurteilung der Fähigkeit eines Zeugen, Vorgänge in der Außenwelt korrekt aufzufassen und über die Wahrnehmung wahrheitsgemäß auszusagen, durch einen psychologischen Sachverständigen (2. und 3.) bedarf jedenfalls eines ergänzenden Vorbringens, warum anzunehmen ist, dass sich der Zeuge zur Befundaufnahme bereit finden werde, woran es vorliegend gebricht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350).

Zu 1. gesteht das Rechtsmittel mit seinem (ergänzenden und daher verspäteten) Vorbringen: "Wäre dieses Beweismittel aufgenommen worden, so wäre hieraus ersichtlich gewesen, ob die auf den Lichtbildern abgebildeten Personen überhaupt keine Ähnlichkeit mit der Täterbeschreibung aufweisen. Weiters wäre aus der Reihenfolge ersichtlich gewesen, ob der Zeugin unzulässigerweise suggeriert wurde, den Angeklagten als Täter zu identifizieren." selbst den Erkundungscharakter der beantragten Beweisaufnahme zu (WK-StPO § 281 Rz 325, 327, 330).

Ohne ein Vorbringen, weshalb trotz des ausdrücklichen Hinweises auf die Aussichtslosigkeit der beantragten Beweisführung durch das deutsche Bundeskriminalamt (ON 31) diese gleichwohl das in Aussicht gestellte Ergebnis erwarten lasse, kann auch das zu 4. dargelegte Begehren nur als unzulässige, weil das Verfahren ohne Nutzen für die Aufklärung der Sache verzögernde (vgl § 232 Abs 2 StPO), Erkundungsbeweisführung angesehen werden.

Warum angesichts des Umstandes, dass Andrea B***** bei der nachfolgend durchgeführten Gegenüberstellung die Täterschaft des Peter O***** verneinte, zuvor über Vorhalt eines Lichtbildes noch geäußerte Zweifel (Bd I, S 157, 161) ungeachtet des Gebotes zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) gesonderter schriftlicher Erwägungen bedurft hätten, vermag die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) nicht darzutun. Gleiches gilt für die vermisste Auseinandersetzung mit einzelnen - keineswegs im Widerspruch zur Identifizierung des Angeklagten stehenden - Bekundungen des Zeugen Mag. F*****.

Unsicherheiten der Zeugin B***** wurden keineswegs übergangen (US 8). Auch sind die Entscheidungsgründe bei der Beurteilung deren Bedeutung nicht undeutlich (der Sache nach Z 5 erster Fall).

Da die Zeugin O***** die grundsätzliche Übereinstimmung der Augenfarbe des Angeklagten mit derjenigen des (maskiert wahrgenommenen) Täters (ob "stahlblau" oder zwar "blau, allerdings nicht gerade stahlblau"; Bd I, S 439) in der Hauptverhandlung nicht in Abrede gestellt hat, war eine gesonderte Erörterung nicht vonnöten.

Warum sich der - die sorgfältigen und eingehend auf eine Mehrzahl von Beweismitteln gestützten Erwägungen der Tatrichter bloß ergänzende - Hinweis auf die einschlägigen Vorverurteilungen "auf dem Niveau einer unstatthaften Vermutung zu Lasten des Angeklagten bewegen" sollten, ist nicht nachzuvollziehen.

Hinsichtlich des aus Z 5 dritter Fall gerügten, auf einen Schreibfehler zurückzuführenden (statt 16. 01. 2002 müsste es lauten:

16. 02. 2001; Bd I, S 243) Widerspruchs ist dem - insoweit vordergründig eher verwirrenden - Rechtsmittel nicht zu entnehmen, weshalb dieser angesichts des Umstandes, dass die Tatrichter ein im Tatzeitpunkt sichtbares Gerstenkorn an einem Auge des Angeklagten ohnehin für möglich hielten (US 9), erheblich sein sollte (WK-StPO § 281 Rz 443).

Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) einleitend erneut - teils abweichend vom Vorbringen in der Hauptverhandlung (vgl WK-StPO § 281 Rz 480) - die Ablehnung der bereits aus Z 4 relevierten Beweisanträge kritisiert, ist sie auf die Erledigung der Verfahrensrüge zu verweisen. An der Beweiswürdigung der Tatrichter vermag die nach Art einer Schuldberufung vorgetragene, im Wesentlichen auf bereits im Rahmen der Mängelrüge vorgetragene Argumente gestützte Kritik erhebliche Bedenken nicht zu wecken.

Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nichtöffentlicher Sitzung (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Innsbruck zur Entscheidung über die Berufungen zur Folge (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet auf § 390a StPO.

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