OGH 9Ob127/03x

OGH9Ob127/03x22.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH & Co, *****, vertreten durch Dr. Christian Konzett, Rechtsanwalt in Bludenz, wider die beklagte Partei D***** AG, *****, vertreten durch Sutterlüty, Klagian, Brändle, Schnetzer, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Dornbirn, wegen EUR 52.651,47 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse EUR 6.867,58) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 20. August 2003, GZ 4 R 162/03k-26, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.) Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin kann keine Rede davon sein, dass der Schriftwechsel vom 17./29. 5. 2001 zum Zustandekommen eines wirksamen Kaufvertrages geführt haben könnte. Vielmehr liegt geradezu der Paradefall eine (offenen) Dissenses vor. Die beklagte Partei hat in ihrem Antwortschreiben zwar erklärt, dass Kaufanbot "hiemit anzunehmen", dies aber - entsprechend ihrer beschränkten Vollmacht - mit der Forderung verbunden, die in der Vollmachtsurkunde enthaltenen Bestimmungen in den Kaufvertrag aufzunehmen, womit in Wahrheit ein Gegenoffert vorlag, dass von den Kaufinteressenten in dieser Form auch nie angenommen wurde. Erst mehr als 10 Monate später kam es schließlich nach langwierigen Vertragsverhandlungen über verschiedene Einzelfragen zur Unterfertigung eines schriftlichen Kaufvertrages mit einer GmbH.

2.) Unter diesen Voraussetzungen ist es auch unerheblich, dass sowohl der Vertreter der beklagten Partei als auch die beiden Kaufinteressenten - zu Unrecht - davon ausgegangen sind, mit dem Antwortschreiben der beklagten Partei sei bereits ein Kaufvertrag zustandegekommen. Auch wenn die Vorinstanzen eine derartige Tatsachenfeststellung getroffen haben, steht nicht fest, von welchem Kaufvertragsinhalt die Verhandlungspartner bei ihrer Annahme, ein Kaufvertrag sei bereits perfekt geworden, jeweils ausgegangen sind. Angesichts des Inhalts der abgegebenen Erklärungen ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass keine Übereinstimmung über den jeweils angenommenen Vertragsinhalt bestand. Insbesondere ist auszuschließen, dass die Verhandlungsparteien übereinstimmend von einer bindenden Fixierung der Hauptpunkte (Kaufgegenstand und Kaufpreis) ausgegangen sind und sich damit abgefunden haben, dass alle übrigen Fragen den allgemeinen Regeln des dispositiven Rechtes unterliegen sollten. Dies kam schon deshalb nicht in Betracht, weil die Vertretungsmacht der beklagten Partei, die ihre insoweit beschränkte Vollmacht durch Übermittlung der Vollmachtsurkunde auch gegenüber den Kaufinteressenten offengelegt hatte, den Abschluss eines derartigen Vertrags gar nicht gedeckt hätte.

3.) Für den schadenersatzbegründenden Vorwurf schuldhaft sorgfaltswidrigen Handelns kommt es aber gar nicht primär darauf an, ob tatsächlich bereits ein bindender Kaufvertrag vorlag, sondern vielmehr darauf, ob die Mitarbeiter der beklagten Partei bei ausreichender Sorgfalt vom Vorliegen einer solchen Bindung ausgehen durften. Auch davon kann aus den bereits dargelegten Gründen keine Rede sein. Die mangelnde Übereinstimmung der Willenserklärungen der Verhandlungspartner musste bereits bei durchschnittlicher Sorgfalt ohne weiteres auffallen. Ein Vertragsabschluss unter Bedingungen, die mit den Beschränkungen der Vollmachtsurkunde nicht in Einklang zu bringen waren, kam von vornherein nicht in Betracht. Schließlich war zum Zeitpunkt des Auftretens des anderen Kaufinteressenten noch nicht einmal klar, mit welcher (natürlichen oder juristischen) Person ein Vertrag zustandegekommen sollte, sofern die ursprünglichen Vertragsverhandlungen zu einer inhaltlichen Einigung führen sollten. Der auch in Vertretung einer weiteren natürlichen Person auftretende (erste) Kaufinteressent hat in seinem Schreiben vom 17. 5. 2001 ausdrücklich erklärt, dass der Erwerb allenfalls durch eine zu gründende oder bestehende Gesellschaft erfolgen würde. Schließlich hatte das "Angebot" auch die Beschränkung enthalten, dass es nur "vorbehaltlich der Klärung von Detailfragen" abgegeben werde und wäre auch sonst als unverbindliche Absichtserklärung erkennbar ("... bestätigen, dass wir großes Interesse ... haben. Vorausgesetzt der Klärung von rechtlichen Fragen würden wir ... einen Preis von ... anbieten").

Unter diesen Umständen war evident, dass eine Bindung gegenüber der ursprünglichen Kaufinteressenten noch nicht vorlag, sodass die Vorinstanzen der beklagten Partei zu Recht zum Vorwurf gemacht haben, ernsthafte Vertragsverhandlungen mit einem weiteren Interessenten, der einen erheblichen höheren Kaufpreis bot, ungeachtet der entsprechenden Hinweise der klagenden Partei nicht aufgenommen zu haben.

4.) Unverständlich ist die vermeintliche Relevanz der von der Revisionswerberin vermissten Feststellungen, dass sie die beiden ursprünglichen Kaufinteressenten auf Vertragszuhaltung geklagt hätte bzw dass diese beiden Personen auf Zuhaltung des Vertrages "gepocht bzw geklagt" hätten, wenn die Liegenschaft an einen anderen Interessenten verkauft worden wäre. Andererseits wird damit nur die ohnehin getroffene Feststellung, beide Seiten wären von dem Abschluss eines Kaufvertrages ausgegangen, mit anderen Worten wiedergegeben, sodass insoweit auf die obigen Ausführungen zu verweisen ist. Andererseits bleibt völlig unklar auf welchen Rechtsgrund die Revisionswerberin ihre Klage hätte stützen wollen, hat sie die Vertragsverhandlungen doch nur als Bevollmächtigte der Liegenschaftseigentümerin (klagenden Partei) geführt. Angesichts der offensichtlich fehlenden Einigung konnte es aber jedenfalls auch eine von den ursprünglichen Kaufinteressenten allenfalls erwogene - gegenüber der beklagten Partei aber gar nicht offengelegte - Einschaltung des Gerichts in keiner Weise rechtfertigen, ohne Rücksprache mit der klagenden Partei eine günstige Veräußerungsmöglichkeit von vornherein nicht weiter zu verfolgen.

5.) Zu Unrecht wirft die Revisionswerberin dem Berufungsgericht auch vor, die Beweislast falsch verteilt bzw Feststellungen des Erstgerichts unrichtig interpretiert zu haben.

Auszugehen ist davon, dass der beklagten Partei zu Recht angelastet wird, schuldhaft Vertragsverhandlungen mit einem anderen Interessenten unterlassen zu haben. Auch wenn es richtig ist, dass auch im Falle der Schädigung durch Unterlassung der Geschädigte grundsätzlich den Kausalzusammenhang zu beweisen hat, ist doch anerkannt, dass an den Beweis des bloß hypothetischen Kausalverlaufs nicht so strenge Anforderungen gestellt werden können, wie bei einer Schadenszufügung durch positives Tun. Die Frage, wie sich die Geschehnisse entwickelt hätten, wenn der Schädiger pflichtgemäß gehandelt hätte, lässt sich naturgemäß nie mit letzter Sicherheit beantworten, weil dieses Geschehen eben nicht tatsächlich stattgefunden hat (Judikaturnachweise etwa bei Reischauer in Rummel II2, Rz 3 zu § 1295 ABGB). Die Vorinstanzen haben nun festgestellt, dass der spätere Kaufinteressent die ernsthafte Absicht hatte, die Liegenschaft zu kaufen. Er war vermögend und hatte umfassende Kenntnisse über das Objekt. Für den Fall einer Zusage hätte er sich sowohl mit dem Gewährleistungsausschluss als auch mit der Kostentragungspflicht einverstanden erklärt.

Soweit die Revisionswerberin moniert, die Negativfeststellung des Erstgerichts, nach der es nicht als erwiesen anzunehmen sei, dass ein Kaufvertrag nicht zustandegekommen wäre, falls die beklagte Partei ein ernsthaftes Interesse am Verkauf der Liegenschaft an diesem Interessenten gehabt hätte, übersieht sie, dass an anderer Stelle des Ersturteils ausdrücklich festgehalten wurde, dass eine "sehr hohe Wahrscheinlichkeit" dafür spricht, dass bei einem entsprechenden Interesse der beklagten Partei dieser Interessent die Liegenschaft tatsächlich zu dem von ihm gebotenen Preis von S 14 Mio gekauft hätte. Wenn nun das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung von dieser Feststellung ausgegangen ist, kann ihm nicht der Vorwurf gemacht werden, Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes unrichtig interpretiert zu haben. Die festgestellte sehr hohe Wahrscheinlichkeit des von der klagenden Partei behaupteten hypothetischen Geschehnisablaufes reicht jedenfalls aus, um die Kausalität zwischen der schuldhaften Unterlassung der beklagten Partei und der unterbliebenen Veräußerung der Liegenschaft von S 14 Mio anzunehmen.

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