OGH 4Ob104/03b

OGH4Ob104/03b21.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei (nunmehr:) M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. Thomas T*****, und 2. V*****gmbH, *****, beide vertreten durch Hasch & Partner, Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 69.039,19 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der erstbeklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 13. August 2002, GZ 5 R 108/02t-26, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 31. Dezember 2001, GZ 18 Cg 204/01s-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen. Der Erstbeklagte hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin erzeugt und vertreibt - ebenso wie die Zweitbeklagte - Magnetfeldtherapiegeräte in Österreich. Der Erstbeklagte ist als "Direktor" führend in die Vertriebsorganisation der Zweitbeklagten eingebunden. Diese verkauft ihre Magnetfeldtherapiegeräte, die sie selbst als "Magnetresonanzsysteme" bezeichnet, über ein "Vertriebsnetzwerk", das einem Stufenvertriebssystem nachgebildet ist. Das bedeutet, dass mit fortschreitendem Vertriebserfolg der einzelne Verkäufer in einer Hierarchie aufsteigt, wodurch sich einerseits sein Provisionssatz erhöht und andererseits der Verkäufer einen "Titel" (bis hin zum "Manager" oder "Direktor") erhält. Der Erstbeklagte war zumindest in den Jahren 2000 und 2001 in diesem Verkaufssystem für die Zweitbeklagte tätig.

Grundlage des Vertriebssystems ist auch, dass jene Mitarbeiter, die in der Hierarchie weiter oben stehen, ihrerseits Vertriebsmitarbeiter werben, deren Verkaufserfolge sich in weiterer Folge nicht nur zugunsten dieser Mitarbeiter selbst, sondern auch zugunsten ihrer Werber auswirken (Superprovisionen).

Im Rahmen des Vertriebssystems der Zweitbeklagten sind nicht nur "normale" Außendienstmitarbeiter tätig, oftmals verdienen auch Ärzte wie der Erstbeklagte auf diese Art und Weise etwas zu ihrem Ärzteeinkommen dazu.

Nach den internen Provisionsrichtlinien der Zweitbeklagten erhält ein Verkäufer eine Mindestprovision von 20 % vom Verkaufspreis eines Magnetfeldtherapiegerätes. Die Verkaufspreise dieser Geräte betragen bei der Zweitbeklagten etwa 30.000 S bis 40.000 S. Die Mindestprovision für jeden einzelnen Verkauf, die ein Arzt im Rahmen der Vertriebsorganisation der Zweitbeklagten erzielen kann, beträgt daher etwa 6.000 S.

Der Erstbeklagte verwendet in seiner Ordination ein Magnetfeldtherapiegerät der Zweitbeklagten zur Behandlung seiner Patienten und vermietet es auch für die Heimbehandlung, wobei dafür jener Patientenkreis in Frage kommt, welcher ein Magnetfeldtherapiegerät nicht kaufen will.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin - soweit hier von Bedeutung - dem Erstbeklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen jedwede entgeltliche Mitwirkung am Verkauf von Geräten der Zweitbeklagten zu unterlassen. Gemäß § 108 MedizinprodukteG (MPG) sei es verboten, jenen Personen, denen im Rahmen der Verschreibung, Abgabe, Beschaffung für Einrichtungen des Gesundheitswesens, Errichtung, Inbetriebnahme oder Anwendung, Aufgaben zukämen, eine Prämie, finanzielle oder materielle Vorteile zu gewähren, anzubieten oder zu versprechen, es sei denn, diese Prämie wäre von geringem Wert und für die medizinische oder medizintechnische Praxis von Belang. Den genannten Personen sei es verboten, entsprechende Prämien, finanzielle oder materielle Vorteile anzunehmen. Ärzten komme bei der Anwendung oder Verschreibung von Magnetfeldtherapiegeräten eine bedeutende Stellung zu. Oftmals seien es Ärzte, die ihren Patienten eine entsprechende Anwendung empfehlen. Die Vorgangsweise der Beklagten - die mit der Klägerin in einem Wettbewerbsverhältnis stehen - verstoße gegen § 1 UWG. Der Erstbeklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Magnetfeldtherapiegeräte seien nicht verschreibungspflichtig. Er gebe sie auch nicht ab. Er nehme lediglich Bestellungen entgegen, die er an die Zweitbeklagte weiterleite. Für die Behandlung seiner Patienten setze er zwar Magnetfeldtherapiegeräte ein, diese Anwendung diene aber gerade nicht der Verkaufsförderung, weil die Behandlung in seiner Ordination für jene Patienten in Frage komme, welche so ein Gerät gerade nicht käuflich erwerben wollten. Die Mitwirkung am Vertrieb der Produkte der Zweitbeklagten sei nicht sittenwidrig. Medizinische Heilbehandlungen durch Ärzte erfolgten typischer Weise gegen Entgelt.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag gegenüber dem Erstbeklagten statt. Ausgehend vom vorangestellten als bescheinigt angenommenen Sachverhalt sah es im Verhalten des Erstbeklagten, der als Arzt für Allgemeinmedizin in seiner Ordination ein Magnetfeldtherapiegerät zur Behandlung seiner Patienten einsetze und für die Vermittlung von Kaufverträgen zwischen seinem Patienten und der Zweitbeklagten eine Provision beziehe, einen Verstoß gegen § 108 MPG.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei.

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Erstbeklagten ist mangels Rechtsprechung zu dem von § 108 MPG erfassten Personenkreis und den verkaufsfördernden Handlungen der dort genannten Personen zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

§ 108 MPG verbietet im Rahmen der Verkaufsförderung für Medizinprodukte bei den Personen, denen im Rahmen der Verschreibung, Abgabe, Beschaffung für Einrichtungen des Gesundheitswesens, Errichtung, Inbetriebnahme oder Anwendung Aufgaben zukommen, diesen eine Prämie, finanzielle oder materielle Vorteile zu gewähren, anzubieten oder zu versprechen, es sei denn, sie sind von geringem Wert und für die medizinische oder medizintechnische Praxis von Belang. Diesen Personen ist es untersagt, die genannten Vorteile zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen. Der Erstbeklagte steht auf dem Standpunkt, er gehöre nicht zu den in § 108 MPG aufgezählten Funktionsträgern, weil Magnetfeldtherapiegeräte nicht verschreibungspflichtig seien, von einer Abgabe iSd MPG durch Ärzte keine Rede sein könne und er nichts mit der Beschaffung von Medizinprodukten für Einrichtungen des Gesundheitswesens zu tun habe. Mit der Errichtung im Sinne von Lieferung und Produktion habe er auch nichts zu tun; von einer Inbetriebnahme oder Anwendung könne nur insofern die Rede sein, als er diese Geräte in seiner Ordination neben anderen therapeutischen Maßnahmen zur Behandlung seiner Patienten einsetze. Diese Vorgangsweise diene aber naturgemäß gerade nicht der Verkaufsförderung, weil die Behandlung in der Ordination oder die Vermietung für die Heimbehandlung nur für jenen Personenkreis in Frage komme, welcher so ein Gerät etwa wegen mangelnden langfristigen Bedarfs nicht käuflich erwerben wolle.

Zunächst ist festzuhalten, dass Magnetfeldtherapiegeräte zur Eigenanwendung an Laien mittlerweile (ab 26. 7. 2003) nur aufgrund ärztlicher Verschreibung abgegeben werden dürfen (§ 2 Magnetfeldtherapiegeräteverordnung BGBl II Nr 343/2003). Aber auch unabhängig von der inzwischen normierten Verschreibungspflicht kommt dem Erstbeklagten als Arzt, der eine Ordination für Allgemeinmedizin betreibt, eine Aufgabe im Rahmen der Abgabe, Inbetriebnahme oder Anwendung des hier gegenständlichen Medizinprodukts zu. Er gesteht in seinem Revisionsrekurs selbst zu, dass er die Geräte in seiner Ordination neben anderen therapeutischen Maßnahmen zur Behandlung seiner Patienten einsetzt. Dies wirkt allein schon deshalb verkaufsfördernd, weil damit dem Patienten die Sinnhaftigkeit der Anwendung der Magnetfeldtherapiegeräte der Zweitbeklagten vor Augen geführt wird, wie schon das Rekursgericht zutreffend hervorgehoben hat. Die mietweise Nutzung schließt entgegen dem Vorbringen des Erstbeklagten den späteren Ankauf eines derartigen Geräts, insbesondere wenn die Überzeugung von seinem sinnhaften Einsatz erreicht wurde, nicht aus. Die Verwendung eines Geräts der Zweitbeklagten durch den Erstbeklagten hat darüber hinaus selbstverständlich auch eine Werbewirkung. Der Erstbeklagte gehört daher als Arzt, der in seiner Ordination ein Magnetfeldtherapiegerät zur Behandlung seiner Patienten einsetzt, zu dem vom § 108 MPG umschriebenen Personenkreis, für die das Provisionsverbot dieser Bestimmung gilt.

Es geht bei der vom Erstbeklagten als unzulässiger Weise seine Erwerbsmöglichkeiten beschränkend und daher im Widerspruch zum verfassungsgesetzlich geschützten Recht auf Erwerbsfreiheit nach Art 6 Abs 1 StGG stehend sowie gleichheitswidrig kritisierten Bestimmung nicht darum, vom Arzt unentgeltliche Leistungserbringung zu verlangen. Die Beratung des Patienten über Therapiemöglichkeiten, auch über Anschaffung bestimmter Medizinprodukte, erfolgt als Teil der ärztlichen Dienstleistung grundsätzlich entgeltlich, weil hiefür vom Patienten (seinem Versicherer) Honorar gezahlt wird. § 108 MPG verbietet lediglich - wie vergleichbar auch § 53 Abs 2 ÄrzteG - ein Entgelt für die Auswahl/Empfehlung/Vermittlung eines bestimmten Medizinprodukts, wie dies auch für die Verschreibung bestimmter Arzneimittel oder für die Zuweisung von Kranken gilt. Diese Unterscheidung ist - wie vom Rekursgericht bereits dargelegt - durch den Zweck des Gesetzes gerechtfertigt, die sachgerechte Beratung des Patienten dadurch abzusichern, dass der mögliche finanzielle Vorteil nicht Einfluss auf die Entscheidung haben soll, welches Medizinprodukt (welches Heilmittel oder welcher behandelnde Arzt/Krankenanstalt) empfohlen wird. Die dadurch bewirkte Einschränkung der Erwerbsmöglichkeiten des Erstbeklagen wie auch aller anderen vom § 108 MPG erfassten Personen dient dem Schutz der Gesundheit und damit einem grundsätzlich höherwertigen Rechtsgut. Es liegt daher keine unsachliche und somit gleichheitswidrige Differenzierung vor, die einen Verstoß gegen Art 7 B-VG bzw Art 2 StGG bedeutete (H. Mayer, B-VG2, Art 2 StGG, III mwN). Der Erstbeklagte wird auch in seinem verfassungsgesetzlich geschützten Recht auf Erwerbsfreiheit nicht verletzt (vgl VfSlg 13.635; B 1205/01), zumal deren Beschränkung in öffentlichem Interesse (hier Gesundheitsschutz) zulässig ist (H. Mayer, aaO Art 6 StGG C. II mwN). Mangels Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der hier anzuwendenden gesetzlichen Bestimmung war daher von einer Antragstellung im Sinne des Art 89 Abs 2 B-VG - wie vom Revisionswerber angeregt - Abstand zu nehmen.

Im Übrigen ist den Revisionsrekursausführungen entgegenzuhalten, dass die Erläuternden Bemerkungen zu § 108 MPG zwar die Förderung eines korrekten Beschaffungswesens als Ziel der Gesetzesbestimmung besonders hervorheben, gleichzeitig aber als Ziel ganz allgemein eine "einwandfreie Fachwerbung" nennen. Darunter ist im Sinne der Erläuterungen zu den besonderen Bestimmungen für Betrieb, Abgabe, Verschreibung und Werbung (abgedruckt bei Schwamberger, MedizinprodukteG, 242 ff) die Abwehr von Gefahren für die menschliche Gesundheit ganz allgemein sowie der Verbraucherschutz zu verstehen. Darüber hinaus verbietet § 108 MPG einem Arzt nicht, Medizinprodukte zu vertreiben, sondern lediglich im Rahmen des Vertriebes finanzielle oder materielle Vorteile zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen.

Der Erstbeklagte hat daher durch Vermittlung von Kaufverträgen über Magnetfeldtherapiegeräte gegen Provision eindeutig gegen die Bestimmung des § 108 MPG verstoßen und sich so einen Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch iSd § 1 UWG verschafft. Angesichts der eindeutigen Gesetzeslage ist der Verstoß auch subjektiv vorwerfbar.

Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen. Der Ausspruch über die Kosten der Klägerin gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, derjenige über die Kosten des Erstbeklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

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