OGH 14Os124/03

OGH14Os124/0321.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Oktober 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Philipp, Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bauer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Doris A***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 23. April 2003, GZ 41 Hv 561/01p-130, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im Freispruch unberührt bleibt, aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch rechtskräftige Freisprüche enthaltenden) Urteil wurde Doris A***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (I.) sowie des Verbrechens (richtig des Vergehens) der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 (ergänzt erster Fall) StGB (II.) schuldig erkannt. Danach hat sie (hier zusammengefasst wiedergegeben) in Mödling

I. vom 21. Februar 1996 bis 23. Dezember 1998 die ihr als Buchhalterin durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über das Vermögen der Firma Dr. Gernot S***** GmbH zu verfügen oder dieses Unternehmen zu verpflichten, durch Veranlassung von im Urteilstenor angeführten Telebankingüberweisungen vom Firmenkonto auf ihr Privatkonto zu Lasten dieser Firma und zu ihren Gunsten ohne wirtschaftliche und rechtliche Rechtfertigung wissentlich missbraucht und dadurch der genannten Firma einen insgesamt 2,022.815,80 S (147.003,76 Euro) betragenden und somit 40.000 Euro übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt;

II. vom 16. Februar 1996 bis 5. August 1998 sich ein Gut, welches ihr anvertraut worden war, nämlich zehn im Urteilsspruch angeführte Schecks im Wert von mehr als 2.000 Euro mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Der auf Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten kommt Berechtigung zu.

Zum Schuldspruch I.:

Indem das erkennende Gericht - ohne die Einlassung der Angeklagten (welche vorbrachte, auf Anweisung des Geschäftsführers der Dr. Gernot S***** GesmbH zum Teil "Schwarzgeld" zur Verwendung für die Firma beiseite geschafft, zum Teil in der Firmenbuchhaltung nicht erfasste Leistungen wie Überstundenentgelte und einen Gehaltsvorschuss bezogen zu haben) und die dazu diametral entgegenstehenden Angaben des Dr. Gernot S***** zu würdigen - davon ausging, dass nicht festgestellt werden könne, ob Doris A***** bei diesen Geldtransaktionen mit jemand anderen aus der Firma zusammenarbeitete, insbesondere, ob sie von Dr. Gernot S***** dazu die Bewilligung oder Anordnung erhielt (US 9), blieb mangels Bezugnahme auch auf andere Beweisergebnisse die einen Schädigungsvorsatz gerade noch zum Ausdruck bringende Urteilsannahme völlig unbegründet, dass die Angeklagte die im Urteilsspruch I. erfassten Überweisungen "zu Lasten dieser Firma (= Dr. Gernot S***** GmbH) und zu ihren Gunsten ohne wirtschaftliche und rechtliche Rechtfertigung" (US 2) durchführte, "um sich dadurch einen entsprechenden finanziellen Vorteil zu verschaffen" (US 9). Im Übrigen wird - wie die Beschwerde abermals mit Recht rügt - im zweiten Rechtsgang für den Fall einer alle subjektiven Tatbestandsvoraussetzung erfüllenden Handlung der Angeklagten festzustellen sein, inwieweit tatsächlich die Dr. Gernot S***** GmbH (und nicht bloß - wie vom Erstgericht angenommen - vier der fünf Gesellschafter dieser Firma; vgl US 12), deren Verfügungsmacht die Angeklagte missbraucht haben soll, durch diese Vorgangsweise geschädigt wurde. Denn - anders als beim Betrug - ist Charakteristikum der Untreue, dass der Schaden demjenigen erwächst, über dessen Vermögen der Täter verfügt oder den zu verpflichten er befugt ist (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 153 Rz 36). Ein dadurch bewirkter (mittelbarer; vgl Kirchbacher/Presslauer aaO Rz 37) Vermögensnachteil für vier der fünf Gesellschafter dieser juristischen Person kann allenfalls als Indiz für eine Schädigung der Gesellschaft gewertet werden, ersetzt aber nicht konkrete Konstatierungen dazu.

Ebenso zu Recht zeigt die Beschwerdeführerin in der Subsumtionsrüge (inhaltlich Z 9 lit a) auf, dass das Erstgericht zum Schuldspruch I. wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB - sieht man von der unsubstanziierten Verwendung des Wortes "wissentlich" im Urteilstenor (US 2) ab - keine Feststellungen zu der für die Verwirklichung dieses Delikts erforderlichen qualifizierten subjektiven Tatseite in Form der Wissentlichkeit (§ 5 Abs 3 StGB) in Bezug auf den Missbrauch der Verfügungsmacht traf.

Zum Schuldspruch II.:

Der Mängelrüge (Z 5) ist beizupflichten, dass die eine Zueignung der Schecksummen bestreitende Verantwortung der Angeklagten unerörtert blieb. Die Tatrichter erachteten angesichts der begebenen Schecksummen und der kurz darauf folgenden Verbuchung annähernd gleicher Beträge auf dem Privatkonto der Angeklagten eine Aneignung dieser Schecks durch die Beschwerdeführerin deswegen für gegeben, weil sie "in ihrer Verantwortung auch keine andere Quelle für diese Eingänge angeben" konnte (US 11). Dabei ließen sie die von Doris A***** vorgebrachte Erklärung ungewürdigt, wonach mehrere auf ihrem Konto gutschriebene, nicht aus dem von der Firma Dr. Gernot S***** GmbH ausbezahlten Angestellteneinkommen stammende Beträge auf Unterhaltszahlungen ihres geschiedenen Ehemanns, nebenberufliche Tätigkeiten, "schwarz" ausbezahlte Überstundenentgelte sowie auf einen "schwarz" gewährten Gehaltsvorschuss zurückzuführen seien (S 71 ff, 113, 117 ff, 133/V).

Dem Beschwerdevorbringen (inhaltlich Z 5) ist auch dahingehend zuzustimmen, dass das erkennende Gericht zu der zum Urteilsspruch II. festgestellten Zueignung der (durch Täuschung über den Verwendungszweck erlangten - US 9) inkriminierten Schecks mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung (US 12) abermals jegliche Erörterung der bereits zum Schuldspruch I. dargestellten, eine solche Zueignung ebenso wie eine unrechtmäßige Bereicherung bestreitenden Verantwortung der Angeklagten unterlässt, sie habe im Auftrag des Geschäftsführers und im Interesse der Firma gehandelt. Damit blieb die Urteilsbegründung auch in diesem Punkt unvollständig. Im zweiten Rechtsgang wird - entsprechend dem Rechtsmittelbegehren in der Subsumtionsrüge - im Umfang des im Schuldspruch II. inkriminierten Sachverhalts im Fall eines durch Täuschung der Ausstellerin erlangten Gewahrsams an den (als Wertträger zu beurteilenden; vgl Fabrizy StGB8 § 127 Rz 4; SSt 54/32) Schecks zu beachten sein, dass bei dieser Fallkonstellation keine Veruntreuung nach § 133 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB, sondern ein (qualifizierter) Betrug nach §§ 146 ff StGB vorliegen würde (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 Rz 140; Fabrizy StGB8 § 146 Rz 21; SSt 52/65). Da wegen der Aufhebung des Schuldspruches II. aufgrund der zutreffenden Einwände in der Mängelrüge noch nicht abzusehen ist, ob angesichts der sich über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren erstreckenden mehrfachen Tathandlungen der Beschwerdeführerin eine allfällige Beurteilung des inkriminierten Geschehens als im Vergleich zum Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 2 erster Fall StGB mit strengerer Strafe bedrohtes Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen (gegebenenfalls gewerbsmäßigen schweren) Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 (erster oder zweiter Fall) StGB möglich wäre, wirkt sich dieser Zweifel zugunsten einer Rechtsmittellegitimation der Angeklagten im Sinne einer anzunehmenden Beschwer nach § 282 Abs 1 StPO aus (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 654 ff, insbes Rz 656; § 290 Rz 31 f; Foregger/Fabrizy StPO8 § 290 Rz 9). Dies hat zur Folge, dass die Tatsacheninstanz im zweiten Rechtsgang im Fall entsprechender Verfahrensergebnisse auch zu einer im Vergleich zum angefochtenen Urteil ungünstigeren rechtlichen Beurteilung der angeklagten Tat kommen könnte, wobei das Verbot einer reformatio in peius nach § 290 Abs 2 StPO lediglich untersagt, eine strengere Strafe als im ersten Rechtsgang zu verhängen (vgl Ratz in WK-StPO § 290 Rz 31).

Die aufgezeigten Urteilsmängel erfordern die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung, sodass der Nichtigkeitsbeschwerde - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators - bei nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben war (§ 285e StPO). Das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte daher keiner weiteren Erörterung.

Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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