Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann G***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A./I./1.), des teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A./I./2. und II./) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (C./) sowie der Vergehen des teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (B./1. und 2.) schuldig erkannt.
Demnach hat er in Wien
A. I. /1. Anfang 1999 an der am 11. August 1987 geborenen unmündigen Sabrina K***** durch ca einminütiges Streicheln ihrer Brust (zu ergänzen: außer dem Fall des § 206 StGB) eine geschlechtliche Handlung vorgenommen;
2. Ende Juni 2001 durch ihre Vornahme eines Oralverkehrs an ihm mit der Genannten eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen;
II./ Ende Juni 2001 durch Auseinanderspreizen ihrer Beine an dieser den Beischlaf zu unternehmen versucht;
B./ seine minderjährige Stieftochter Sabrina K*****
- 1. durch die in A./I./ genannten Handlungen zur Unzucht missbraucht;
- 2. durch die in A./II./ genannten Handlungen zur Unzucht zu missbrauchen versucht;
C./ Ende Juni 2001 Sabrina K***** durch die Äußerung: "Wenn du etwas sagst, bringe ich dich um", mithin durch Drohung mit dem Tod, zu einer Unterlassung, nämlich der Abstandnahme von der Erstattung einer Strafanzeige wegen der in A./I./2. und A./II./ genannten Straftaten gegen ihn, genötigt.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.
Durch die Abweisung (S 389) des in der Hauptverhandlung am 10. März 2003 gestellten Antrags auf Ausforschung und zeugenschaftliche Vernehmung der (Kranken-)Schwestern Petra und Verena, Station für Heilpädagogik und Psychosomatik der Universiätsklinik für Kinder und Jugendheilkunde am Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien, zum Beweis dafür, "dass diese Angaben der Zeugin Sabrina K***** falsch sind, dass sie dort niemals gegenüber erwähnt oder erzählt hat von den Vorfällen, mit denen sie nunmehr den Angeklagten belastet" (S 301), wurden - der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider - keine Verteidigungsrechte verkürzt. Denn mangels der aktuell gebotenen Nennung konkreter Anhaltspunkte dafür, dass durch die genannten Zeuginnen der angestrebte Negativbeweis überhaupt erbringbar wäre, zielte das Begehren im Ergebnis auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis (Ratz WK-StPO § 281 Rz 330 ff; Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 88 ff). Außerdem hat die vom Gericht beigezogene Sachverständige Dr. G***** zu der mit dem Beweisantrag problematisierten Aussagezuverlässigkeit der Sabrina K***** eindeutig Stellung genommen, indem sie bei der Genannten keine Zeichen einer pathologischen Lügenhaftigkeit oder erhöhten Fantasietätigkeit feststellen konnte (S 255). Die behauptete Bindung des Gerichts an seine in der Hauptverhandlung am 9. April 2003 beschlossene Beweisaufnahme (S 345) entbehrt einer gesetzlichen Grundlage. Vielmehr erlaubt gerade eine seit der Beschlussfassung eingetretene Änderung der Verhältnisse die nachträgliche Abweisung eines nach Maßgabe der aktuell vorliegenden Verfahrensergebnisse nicht mehr erheblichen Beweisantrags. In der Mängelrüge wird eine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) darin erblickt, dass die Erstrichter die Passage aus der Verantwortung des Angeklagten, "er sei eher selten mit Sabrina K***** alleine in der Wohnung gewesen" (S 295), zu seinem Nachteil verwertet, hingegen die entlastende Einschränkung, wonach "zumindest auch da die anderen Kinder da gewesen seien" (S 303), mit Stillschweigen übergangen habe. Dabei wird übersehen, dass die Tatrichter den die leugnende Verantwortung des Angeklagten stützenden Depositionen der Zeuginnen Hannelore G***** und Patricia K*****, wonach der Angeklagte wegen Anwesenheit zumindest einer der beiden Genannten de facto keine Gelegenheit zur Tatbegehung gehabt habe, mit formal einwandfreier Begründung verwarfen (US 8 f) und Patricia K***** (Schwester des Tatopfers) selbst angab, gelegentlich alleine im Hof gespielt zu haben (S 367).
Mit den in der Tatsachenrüge (Z 5a) vorgetragenen, auf eigene Beweisinterpretationen und teils spekulative Rückschlüsse gegründeten Einwänden gegen die vom Schöffengericht als zuverlässig beurteilten belastenden Angaben des Tatopfers wird inhaltlich eine im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Schuldberufung ausgeführt, ohne auf Aktenbasis erhebliche Bedenken gegen die den Schuldsprüchen zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen.
Bleibt anzumerken, dass der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen zu A./I./2. seine (damals) unmündige Stieftochter Sabrina K***** zunächst mit Gewalt (vgl US 5: "packte sie und drückte sie aufs Bett") zur Vornahme des Oralverkehrs zwang und nachfolgend - gedanklich abgetrennt - den Entschluss auf Durchführung des Beischlafs mit ihr fasste (US 5, 9). Abgesehen davon, dass die wegen tateinheitlichen Zusammentreffens mit § 201 Abs 2 StGB an sich gebotene Subsumtion des Sachverhalts A./I./2. (auch) unter das bezeichnete Delikt zugunsten des Angeklagten unterblieb (vgl Schick WK2 § 206 Rz 32), begegnet die rechtlich selbständige Beurteilung des dem Oralverkehr nachfolgenden Beischlafsversuchs als versuchter schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 1 StGB bzw damit korrespondierend als versuchter Missbrauch des Autoritätsverhältnisses nach §§ 15, 212 Abs 1 StGB (B./2.) keinen eine Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO erforderlich machenden Bedenken, weil beim Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen auch bei in kurzer zeitlicher Abfolge gegen dasselbe Tatopfer gerichteten mehrfachen Angriffen - im hier konstatierten Fall getrennter Handlungskomplexe - Deliktswiederholung (echte Realkonkurrenz) möglich ist (Kienapfel/Schmoller BT III § 206 Rz 49). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators - bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.
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