OGH 1Ob646/52

OGH1Ob646/5215.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Ersten Präsidenten Dr. Strobele als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hohenecker, Dr. Schmeisser, Dr. Schuster und Dr. Kralik als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Berta H*****, vertreten durch Franz Langeder, Rechtsanwalt in Bad Aussee, wider die beklagte Partei Franz B*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Branczik, Rechtsanwalt in Bad Aussee, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 21. Mai 1952, GZ R 611/52, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Bad Aussee vom 8. April 1952, GZ C 24/52 -4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, dass das Urteil erster Instanz wieder hergestellt und der Beklagte für schuldig erkannt wird, die Kosten des Berufungsverfahrens im Betrage von S 244,50 binnen 14 Tagen bei Zwangsvollstreckung zu bezahlen. Der Beklagte ist weiters schuldig, die Kosten des Revisionsverfahrens im Betrage von S 388,80 binnen 14 Tagen bei Zwangsvollstreckung zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte bewohnte im Hause der Klägerin eine Wohnung. Als die angrenzenden Räumlichkeiten, die bisher an Dr. D***** vermietet waren, frei wurden, nahm der Beklagte auch diese Räume aufgrund einer Vereinbarung vom 4. 12. 1950 in Benützung, durch welche er anerkannte, dass ihm an den neu in Benützung genommenen Räumlichkeiten keinerlei Mietrechte zustehen, dass er sie gegen jederzeitigen Widerruf sofort zu räumen habe. Er verpflichtete sich, für die Zeit der Benützung den Mietzins seiner bisherigen Wohnung um monatlich S 90 zu erhöhen, das ist jener Betrag, welchen Dr. D***** bisher bezahlt hatte.

Das Erstgericht hat der Räumungsklage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Die Revision beantragt, gestützt auf § 503 Z 2, 3, 4 ZPO, die Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichtes oder die Aufhebung des Urteiles und die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Rechtliche Beurteilung

Mit Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass von einer unentgeltlichen Überlassung der Wohnräume hier nicht die Rede sein kann. Es ist lediglich ein Spiel mit Worten, wenn die Information vom 4. 12. 1950 den Mietzins für die ursprüngliche Wohnung erhöht, - eine Erhöhung, die übrigens den für Wohnungen noch immer bestehenden Preisstopp widersprechen würde - und nicht eben geraden Wegs für die neuen Wohnräume ein Entgelt festgelegt, weil ja eben die Erhöhung nur insoweit stattfinden soll, als die neuen Räume in Benützung genommen werden. Allerdings ist damit noch nicht klargestellt, dass das zwischen den Streitteilen hinsichtlich der neuen Räume begründete Rechtsverhältnis als Bestandverhältnis zu charakterisieren ist. Denn es ist klar, dass die Parteien eine Überlassung der neuen Wohnräume auf bestimmte Zeit ausschließen wollten und dass diese Absicht nicht nur deutlich ausgesprochen, sondern auch durch erkünstelte rechtliche Konstruktionen gesichert werden sollte. Es ist nun schon wiederholt festgestellt worden, dass Unentgeltlichkeit keine Voraussetzung eines jederzeit auflöslichen precariums darstellt. Es besteht also kein Hindernis, in dem abgeschlossenen Vertrag trotz der Entgeltlichkeit ein solches jederzeit widerrufliches precarium zu erblicken. Fraglich ist nur, ob das zwischen den Streitteilen begründete Rechtsverhältnis nicht trotz dieser ausdrücklichen Abrede den Bestimmungen des Mietengesetzes über den Kündigungsschutz unterstellt werden müsste, weil sich der Abschluss des Vertrages nur als der Versuch einer Umgehung dieser Bestimmungen darstellt. Es ginge ja nicht an, wenn Hausbesitzer, soweit sie trotz des Anforderungsgesetzes über Wohnungen frei verfügen können, statt eines Bestandvertrages nur ein entgeltliches, jederzeit widerrufliches precarium zugestehen wollten. Dennoch kann sich im einzelnen Fall der Abschluss eines solchen Vertrages nicht als der Versuch einer Umgehung der Bestimmungen über die Kündigungsbeschränkungen darstellen, wenn besondere Verhältnisse den Abschluss eines solchen Vertrages rechtfertigen. Im gegebenen Falle war dem Beklagten, der sich selbst um den Ankauf des Hauses bemühte, bekannt, dass die Klägerin die frei gewordene Wohnung zur Erzielung eines besseren Kaufpreises nicht ohne durch öffentlich-rechtliche Verfügungen dazu gezwungen zu sein, vermieten wollte. Der Beklagte gibt selbst zu, dass er sich den Bestimmungen der Information in dem Gedanken unterworfen hat, einmal selbst Eigentümer des Hauses zu werden. Wenn nun in dieser Situation mit dem Beklagten, der immerhin über Wohnräume verfügte, ein Vertrag abgeschlossen wurde, durch welchen einerseits über die frei gewordenen Räume nicht endgültig verfügt, aber dem Beklagten als möglichem Käufer doch schon der Gebrauch der frei gewordenen Räume überlassen werden sollte, so kann bei dieser besonderen Gestaltung der Verhältnisse in dem abgeschlossenen precaristischen Verhältnis eine Umgehung des Mietengesetzes nicht gefunden werden. Die Klägerin konnte sich also entsprechend der getroffenen Vereinbarungen darauf berufen, dass der Beklagte sich zur sofortigen Räumung der neu übernommenen Wohnräume bei jederzeitigem Widerruf verpflichtet hatte und konnte ohne vorgehende Kündigung die Räumung derselben begehren. Der Revision musste daher Folge gegeben, das erstgerichtliche Urteil wieder hergestellt werden. Der Beklagte hat aber nach §§ 50, 41 ZPO die Kosten des Verfahrens in allen drei Instanzen zu tragen.

Stichworte