OGH 14Os120/03

OGH14Os120/0330.9.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. September 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Allmayer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Walter M***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 15. April 2003, GZ 20 Hv 151/02y-30, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Walter M***** der (jeweils wiederholt begangenen) Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II) sowie der (jeweils wiederholt begangenen) Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 (zweiter Fall) StGB (III) und der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (IV) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wieselburg - zu Punkt II A auch einmal in Amstetten

-

I) von Sommer 1990 bis 24. November 1990 "in mehrfachen Angriffen"

mit der am 24. November 1976 geborenen (sohin unmündigen) Nora B***** durch Vollzug des Geschlechtsverkehrs den Beischlaf unternommen;

II) außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an unmündigen Personen vorgenommen, und zwar

A) von 1988 bis 24. November 1990 "in oftmals wiederholten Angriffen"

an der am 24. November 1976 geborenen Nora B***** durch Betasten ihres Brust- und Genitalbereichs;

B) von 1996 bis 1. März 1997 "in oftmals wiederholten Angriffen" an

der am 1. März 1983 geborenen Manuela K***** durch Betasten ihres Brust- und Genitalbereichs oberhalb der Kleidung;

III) unter Ausnützung seiner Stellung als Reitlehrer gegenüber seiner Ausbildung und Aufsicht unterstehenden minderjährigen Personen diese zur Unzucht mißbraucht, und zwar

A) von Frühjahr 1986 bis 1988 "in oftmals wiederholten Angriffen" die

am 14. Jänner 1972 geborene Roswitha Z***** durch Betasten ihres Brust- und Genitalbereichs oberhalb und unterhalb der Kleidung;

B) von 1988 bis 1993 Nora B***** durch die zu Punkt I und II A

angeführten sowie weitere gleichartige, zeitlich danach begangene Tathandlungen;

C) von 1996 bis 1998 Manuela K***** durch die zu Punkt II B

angeführten sowie durch weitere gleichartige, zeitlich danach begangene Tathandlungen;

IV) im Jahr 1986 außer den Fällen des § 201 StGB in wiederholten Angriffen Roswitha Z***** mit Gewalt, indem er sie, um ihre Gegenwehr zu überwinden, gewaltsam festhielt, ihr einen Arm verdrehte und sie gegen eine Wand oder ein sonstiges Hindernis drückte, zur Duldung der in Punkt III A angeführten geschlechtlichen Handlungen genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Durch die Abweisung der in der Hauptverhandlung vom Verteidiger zum Beweis dafür, "dass es im Reitstall des Angeklagten zu keinerlei sexuellen Übergriffen kam, im Übrigen auch keine Personen sexuell belästigt wurden" (S 355 f, 385), gestellten Anträge auf Vernehmung der Zeugen Isabella K*****, Margit M***** und Dr. Julian K***** (weitere Zeugen sind in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht deutlich und bestimmt bezeichnet, § 285a Z 2 StPO) wurde der Beschwerdeführer in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt. Denn es fehlt diesen Anträgen schon an den formellen Voraussetzungen, weil sie in Wahrheit kein überprüfbares Beweisthema enthalten, sondern bloß pauschal den Anklagevorwurf bestreiten.

Als für einen Beschwerdeerfolg ungeeignet erweist sich auch der Antrag auf Durchführung eines Lokalaugenscheines zum Beweis, dass sich am Tatort (Schuldspruch I) kein Nachtkästchen im Raum befindet und die vorhandene Bank auf Grund ihrer (geringen) Breite nicht dafür geeignet ist, dass zwei Personen darauf liegen und einen Geschlechtsverkehr vollziehen (S 356 iVm 385). Einerseits gingen die Erkenntnisrichter ohnehin davon aus, dass sich kein Nachtkästchen im Raum befand (US 10), andererseits fehlen dem Beweisantrag konkrete Hinweise, inwiefern eine Bank der im Verfahren beschriebenen Art - entgegen der Lebenserfahrung und entgegen den sich aus den vorgelegten Lichtbildern ergebenden Platzverhältnissen - zur Durchführung eines Geschlechtsverkehrs "nicht geeignet" sein sollte. Zu Unrecht erblickt der Beschwerdeführer einen Nichtigkeitsgrund in unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) bezüglich der Kenntnis des Angeklagten vom (unmündigen) "Alter seiner Opfer, insbesondere der Nora B*****". Denn mit Rücksicht auf die erstgerichtlichen Konstatierungen, wonach Nora B***** und Manuela K***** regelmäßig in den Reitstall des Angeklagten kamen und von ihm unterrichtet wurden, wozu bei Nora B***** noch die Feststellung kommt, dass sie schon im Alter von etwa sechs (!) Jahren mit dem Reiten beim Angeklagten begonnen hatte (US 5; vgl im Übrigen die Angaben der Manuela K*****, wonach diese im Alter von sieben Jahren in den Reitstall kam [AS 329]), und aufgrund der Tatsache, dass sich der Angeklagte in seiner jeglichen Schuldvorwurf leugnenden Verantwortung niemals auf mangelnde Kenntnis vom tatsächlichen Alter der Opfer berufen hat, genügt der ausdrückliche Urteilshinweis auf die erfolgte Ableitung der Feststellungen zur inneren Tatseite aus dem äußeren Geschehen (US 11).

Unzutreffend releviert die Beschwerde eine Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) mit der - nicht näher substantiierten - Behauptung, die Feststellung eines "Geschlechtsverkehrs" des Angeklagten mit Nora B***** auch in seiner Wohnung finde nicht einmal in deren Zeugenaussage (ON 16) Deckung. Denn der bezeichnete Begründungsmangel kann nur dann vorliegen, wenn die Erkenntnisrichter den Inhalt einer Zeugenaussage (oder einer Urkunde oder eines anderen Beweismittels) in einem entscheidenden Punkt unrichtig oder unvollständig wiedergeben, nicht jedoch, wenn sie im Rahmen der Beweiswürdigung aus einer Zeugenausssage (nach Ansicht der Beschwerde) "unrichtige" Schlussfolgerungen gezogen haben. Im Übrigen berührt die Rüge keine erhebliche Tatsache.

Mit ihrem Vorbringen (Z 5 zweiter Fall), das Erstgericht habe "die Aussagen der Zeugen K*****, H***** und H*****" nicht berücksichtigt, die "allesamt übereinstimmend angegeben" hätten, "dass es im Reitstall keine sexuellen Übergriffe des Angeklagten gegeben hat und dass dieser kein sexuelles Verhältnis mit Nora B***** hatte", bekämpft die Nichtigkeitsbeschwerde in Wahrheit bloß unzulässig die im schöffengerichtlichen Verfahren unanfechtbare Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer Schuldberufung. Dem Einwand ist zusätzlich zu entgegnen, dass er von der Aktenlage abweicht, weil zumindest in den Aussagen der Zeuginnen K***** und H***** (s S 328 ff, 330 f) ein derartiger Inhalt nicht enthalten ist. Soweit die genannten Zeuginnen über sexuelle Übergriffe des Angeklagten, insbesondere gegenüber Nora B*****, nichts zu berichten wussten bzw beiläufig angaben, "von sexuellen Übergriffen" nichts zu wissen, handelt es sich um nicht erörterungbedürftige, weil unerhebliche Umstände (näher Ratz in WK-StPO § 281 Rz 409 ff).

Die Behauptung unzureichender Begründung hinsichtlich der "Ausnützung des Autoritätsverhältnisses" beschränkt sich erkennbar lediglich auf einen einzigen Satz der Seite 11 aus den Urteilserwägungen. Solcherart lässt die Rüge nicht nur den Folgesatz (US 11 f) außer Acht, sondern auch die weiteren, im Kontext zu beachtenden Entscheidungsgründe (US 5-7 und 13).

Die behaupteten Begründungsfehler haften daher dem bekämpften Urteil nicht an.

Nach Prüfung des Beschwerdevorbringens anhand der Akten weckt die Tatsachenrüge (Z 5a) beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der zu den Schuldsprüchen getroffenen, insbesondere auf die als glaubwürdig beurteilten Angaben der als Zeugen vernommenen Opfer gegründeten entscheidenden Feststellungen. In seinen nur gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 212 Abs 1 StGB gerichteten Ausführungen zur Rechts- (Z 9 lit a) und Subsumtionsrüge (Z 10) orientiert sich der Beschwerdeführer nicht vollständig an den sowohl die Wissens- als auch die Wollenskomponente des Vorsatzes umfassenden Urteilskonstatierungen, wonach der Angeklagte im Bewußtsein der Tatsache und sich mit dieser abfindend handelte, dass die Mädchen seiner Aufsicht und Beaufsichtigung unterstellt waren und er diese seine Autoritätstellung zu den inkriminierten sexuellen Handlungen ausnützen werde (US 7, 11 f, 13). Er verfehlt damit die prozessordnungsgemäße Ausführung dieser Nichtigkeitsgründe, wobei die Qualifikationsrüge - inkonsequent - überhaupt nur auf die Ausführungen zu Z 9 lit a verweist. Die teils offenbar unbegründete, teils nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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