Spruch:
Das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 27. Juni 2001, GZ 11 Vr 19/01-16, verletzt in der rechtlichen Beurteilung der dem Angeklagten Eduard St***** zu I./l./ und 2./ zur Last liegenden Taten als Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 206 Abs 1 zweiter Fall StGB (in der Fassung des Strafrechtsänderungsgesetzes 1998, BGBl I 1998/153) § 61 StGB iVm mit § 206 Abs 1 nF StGB.
Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in der rechtlichen Unterstellung der zu I./l./ und 2./ des Schuldspruchs beschriebenen strafbaren Handlungen und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Eduard St***** hat durch die in I./l./ und 2./ des Schuldspruchs angeführten Missbrauchshandlungen das Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF vor dem Strafrechtsänderungsgesetz 1998, BGB1 I 1998/153, begangen und wird hiefür sowie für die aufrecht bleibenden Schuldsprüche wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster und zweiter Fall StGB (in der Fassung des Strafrechtsänderungsgesetzes 1998, BGBl I 1998/153), der Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 erster Fall StGB und der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren nach § 209 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 207 Abs 1 nF StGB zu 18 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, die gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wird, deren Verlauf am 25. Oktober 2001 begonnen hat.
Text
Gründe:
Mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 27. Juni 2001, GZ 11 Vr 19/01-16, wurde Eduard St***** der Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 206 Abs 1 zweiter Fall (in der seit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1998, BGBl I 1998/153 geltenden Fassung) und 15 StGB (I./l./ und 2./) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster und zweiter Fall StGB (II./l./ und 2./) sowie der Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 erster Fall StGB (III./l./ bis 3./) und der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren nach § 209 StGB (IV./) schuldig erkannt. Danach hat er (soweit dies im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung ist)
(zu I./) mit unmündigen Personen dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen teils unternommen, teils zu unternehmen versucht, und zwar
(l./) in der Zeit zwischen Dezember 1994 bis zum 18. März 1995 in Großraming mit dem am 15. Dezember 1983 geborenen Werner K***** durch Durchführung eines Analverkehrs, wobei die Tatvollendung mangels Erektion des Eduard St***** unterblieb;
(2./) in der Zeit zwischen Anfang 1995 und dem l. Februar 1995 in Großraming und Ternberg in mehreren Angriffen mit dem am l. Februar 1981 geborenen Manuel E***** durch die wiederholte Durchführung gegenseitigen Oral- und Analverkehrs.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht die rechtliche Beurteilung der Eduard St***** zu I./l./ und 2./ angelasteten Missbrauchshandlungen mit dem Gesetz nicht in Einklang. Dieses Tatverhalten wäre nämlich rechtsrichtig dem für den Angeklagten günstigeren Verbrechenstatbestand der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB in der vor Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 1998 (BGBl I 1998/153) am l. Oktober 1998 geltenden Fassung zu unterstellen gewesen. Die Eduard St***** nach den betreffenden Schuldsprüchen zur Last gelegte Vornahme des Anal- und Oralverkehrs an und mit den zur Tatzeit unmündigen Personen entsprach dem Tatbild des Missbrauchs zur Unzucht nach dem ersten Fall des auf Grund des Strafrechtsänderungsgesetzes 1998 nach Tatbegehung außer Kraft getretenen § 207 Abs 1 StGB aF, der eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren vorsah. Nach der (vom Erstgericht irrig angewendeten) nunmehr geltenden Rechtslage erfüllt der Sachverhalt hingegen den durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1998 neu geschaffenen Tatbestand des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB nF, der - anders als § 206 Abs 1 aF StGB - nicht nur den Beischlaf mit einer unmündigen Person, sondern auch dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen (wie den hier aktuellen Anal- und Oralverkehr) pönalisiert und eine Freiheitsstrafe von einem bis zu 10 Jahren vorsieht.
Die zur Tatzeit geltende Bestimmung des § 207 Abs 1 StGB aF (§ 207 Abs 1 StGB nF hat nur mehr den sexuellen Missbrauch Unmündiger außer dem Fall des § 206 StGB nF zum Gegenstand) ist demnach die für den Angeklagten in ihrer Gesamtwirkung günstigere und daher - ungeachtet der Fällung des Ersturteils erst am 27. Juni 2001 und demnach nach Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 1998 - auch die im vorliegenden Fall anzuwendende Strafnorm (§ 61 StGB). Dieser für den Verurteilten nachteilige Subsumtionsirrtum des Schöffengerichtes bewirkt Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO, weshalb im bezeichneten Umfang mit Kassation vorzugehen und die aufgezeigte richtige Subsumtion vorzunehmen war.
Bei der nunmehr erforderlichen - nach aktueller Rechtsprechung auch unter Einbeziehung des Schuldspruchs wegen des mittlerweile aus dem Gesetzesbestand ausgeschiedenen Vergehens nach § 209 StGB vorzunehmenden (vgl 11 Os 95/02, verstärkter Senat) - Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die mehrfachen Tatwiederholungen und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, als mildernd den vormals ordentlichen Wandel, das Teilgeständnis und das relativ lange Zurückliegen der Taten. Auch unter Rücksichtnahme darauf, dass den im Ersturteil zu IV./ angeführten, nach § 209 StGB schuldig gesprochenen Taten im konkreten Fall nunmehr im Rahmen der insgesamt verurteilten Taten kein Gewicht beigemessen wird (wiederum 11 Os 95/02), erscheint eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten tat- und täteradäquat, deren Vollzug insbesondere wegen des langen Zurückliegens der gravierenden Taten des Angeklagten nunmehr aus spezial- und generalpräventiven Gründen nicht mehr geboten ist, sodass die Strafe zur Gänze bedingt nachgesehen werden konnte. Der Ausspruch über den Beginn der Probezeit gründet sich darauf, dass dieser durch eine Maßnahme nach § 292 (letzter Fall StPO nicht berührt werden darf (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 55).
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