OGH 14Os109/03

OGH14Os109/039.9.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. September 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bauer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dominik L***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des teils versuchten (§ 15 StGB), teils vollendeten schweren, gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 2 und 4, und 129 Z 1, 2 und 3, 130 zweiter Satz zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung sowie über die damit verbundene (§ 498 Abs 3 StPO) Beschwerde der Angeklagten Roswitha J***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 8. Mai 2003, GZ 23 Hv 58/03s-142, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die damit verbundenen Beschwerde (§ 498 Abs 3 StPO) werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Der Angeklagten Roswitha J***** fallen auch die Kosten des bisherhigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Roswitha J***** des Verbrechens des teils versuchten (§ 15 StGB), teils vollendeten schweren und gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 2, 129 Z 1, 2 und 3, 130 zweiter Satz zweiter Fall StGB als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt. Danach hat sie zwischen 7./8. Juli 2002 und 7. Oktober 2002 in Kufstein zumindest zu den im Urteilsspruch I./17. bis 52. angeführten Einbruchsdiebstählen beigetragen, indem sie dem Mitangeklagten Boris R***** ihr Auto zur Begehung von Einbruchsdiebstählen insbesondere auch außerhalb von Kufstein in der Absicht zur Verfügung stellte, sich durch die wiederholte Zur-Verfügung-Stellung ihres PKW zur Begehung von Einbruchsdiebstählen eine fortlaufende Einnahme in Form eines Beuteanteils zu verschaffen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus Z 4, 5, 5a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Roswitha J*****, der keine Berechtigung zukommt.

Aus dem Gesetzeswortlaut des § 281 Abs 1 Z 4 StPO ergibt sich unmissverständlich, dass für die Geltendmachung dieses Anfechtungspunktes in formeller Hinsicht die Stellung eines Antrags in der Hauptverhandlung (§ 238 StPO) unabdingbare Voraussetzung ist. Nur auf dessen Grundlage kann beurteilt werden, ob ein nichtigkeitsbegründendes negatives Zwischenerkenntnis vorliegt und ob über einen Antrag nicht überhaupt entschieden wurde. Soweit daher die Beschwerde in der Verfahrensrüge (Z 4) in Bezug auf den Jugendschöffen Anton Sch***** erst in der Rechtsmittelausführung einen Befangenheitsgrund geltend macht, weil dieser früher (ohne jemals mit Roswitha J***** persönlich in Kontakt gekommen zu sein) als Volksschullehrer Kinder der Angeklagten unterrichtet hatte und ihm solcherart die Familienverhältnisse sowie die Probleme in der Familie auch in strafrechtlicher Hinsicht bekannt waren (womit im Übrigen kein Umstand dargetan wird, der geeignet wäre, die volle Unbefangenheit dieses Laienrichters in Zweifel zu setzen), ist dem (unberichtigt gebliebenen und demnach vollen Glauben machenden) Hauptverhandlungsprotokoll kein Antrag zu entnehmen, über den der Gerichtshof zu entscheiden gehabt hätte.

Die Abweisung des Antrags auf Vernehmung der Zeuginnen Stefanie B***** und deren Mutter "zum Beweis des Gegenteils" des vom öffentlichen Ankläger durch deren Vernehmung angestrebten Beweisergebnisses (S 201 f/V) erfolgte (im Ergebnis) zurecht (S 203/V). Denn mangels Substantiierung dieses schon an sich unklaren Begehrens blieb offen, ob die Zeuginnen das vom Staatsanwalt unter Beweis gestellte Gespräch (in der Wohnung der Angeklagten "jedenfalls vor der Verhaftung des R*****, bei dem sie behauptet haben soll, dem R***** das Auto nicht mehr zu leihen, weil er damit einbrechen geht - S 201/V) und bei dem die Angeklagte zu erkennen gegeben haben soll, dass sie um die Einbruchsfahrten mit ihrem Fahrzeug Bescheid wusste, überhaupt mitverfolgt hatten, oder ob sie bestätigen sollten, dass Roswitha J***** eine derartige Kenntnis geleugnet habe. Die erste Variante enthält kein entscheidungsrelevantes Beweisthema. Im zweiten Fall wäre angesichts der gegenteiligen Aussage der Zeugin Daniela R*****, die diese belastenden Angaben der Beschwerdeführerin gehört haben will, während die beantragten Zeuginnen anwesend gewesen sein sollen (S 201/V), eine Konkretisierung des der Aktenlage widerstreitenden Beweisbegehrens dahingehend erforderlich gewesen, warum die angestrebte Beweisaufnahme gerade das von der Nichtigkeitswerberin behauptete Ergebnis erwarten ließ (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 330). Durch die Abweisung des Beweisantrags wurden daher Verteidigungsrechte der Angeklagten nicht verletzt. Da allein der in erster Instanz gestellte Antrag den Gegenstand des Zwischenerkenntnisses des Gerichtshofs bildet, ist dessen Berechtigung stets auf den Entscheidungszeitpunkt bezogen zu prüfen. Die erst im Rechtsmittel dazu vorgebrachten Argumente sind daher nicht nur prozessual verspätet (vgl Ratz aaO Rz 325), sondern basieren auch auf aktenfremden Zeitpunkten (vgl letzter Absatz S 259/VI).

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) setzt sich das Erstgericht in der nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO gebotenen gedrängten Form mit dem Hinweis, dass kein vernünftiger Grund ersichtlich ist, warum der Angeklagte Boris R***** die Beschwerdeführerin belasten sollte (US 50), hinreichend mit der bloß spekulativen Einlassung der Beschwerdeführerin auseinander, dieser Mitangeklagte belaste sie "wahrscheinlich" wegen ihrer Nichte (S 161/V).

Eines gesonderten Eingehens auf die Verantwortung des Mitangeklagten Dominik L***** bedurfte es nicht, weil dieser lediglich über die durch Boris R***** auch ihm gegenüber erhobene Belastung der Roswitha J***** und über die entgegengesetzte Verantwortung der Beschwerdeführerin referiert hatte (S 187/V). Demgegenüber setzten sich die Tatrichter mit diesen auch in der Hauptverhandlung wiederholten, im Widerspruch zueinander stehenden Angaben dieser beiden Mitangeklagten im Einzelnen ebenso ausreichend auseinander wie mit den Aussagen des Zeugen Marcel V***** (US 50 f). Im Kern trachtet die Angeklagte mit ihrem Vorbringen lediglich ihrer leugnenden Verantwortung zum Ausbruch zu verhelfen, ohne einen Begründungsfehler darzutun.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) verweist zunächst pauschal auf die Ausführungen zur Z 5 und wiederholt die bereits zur Verfahrens- und Mängelrüge dargestellten Einwände, um dann weitwendig der Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung eigene Beweiserwägungen gegenüber zu stellen, erneut für die Angeklagte günstigere Feststellungen und letztlich ihren Freispruch zu fordern. Sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen vermag sie jedoch nicht aufzuzeigen.

Die bloß einen unzulässigen Vergleich mit der über den Mitangeklagten R***** verhängten Freiheitstrafe anstellende, ansonsten unsubstantiiert eine "unvertretbar hohe, auch nicht zum Teil bedingt nachgesehene Strafe" kritisierende Strafbemessungsrüge (Z 11) stellt weder eine mit diesem Nichtigkeitsgrund erfassbare Überschreitung der Sanktionsbefugnis noch einen Rechtsfehler bei der Ermessensentscheidung des erkennenden Gerichts dar (vgl Ratz aaO Rz 665, 724 f, 730). Solcherart wird lediglich eine Berufung ausgeführt. Die teils offenbar unbegründete, teils nicht prozessordnungsgemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators - bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO). Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde der Angeklagten das Oberlandesgericht Innsbruck zuständig ist (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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