OGH 13Os78/03

OGH13Os78/033.9.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. September 2003 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bauer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr. Abdul Jabar A***** wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und anderer Straftaten über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6. Februar 2003, GZ 042 S Hv 2/03z-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Dr. Abdul Jabar A***** wurde (richtig:) einer jeweils unbestimmten Anzahl von Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (1) und Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt. Danach hat er von Frühjahr 2000 bis 3. November 2002 in Wien in zahlreichen Angriffen

außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an seiner am 29. August 1991 geborenen, mithin unmündigen Tochter Fatima A***** vorgenommen, indem er sie wiederholt unterhalb der Kleidung im Brust- und Scheidenbereich streichelte und nur mit einer Unter- oder Pyjamahose bekleidet seinen Penis an ihr rieb, wobei er sie mit den Händen festhielt;

durch die zu 1. beschriebenen Handlungen sein minderjähriges Kind Fatima A***** zur Unzucht missbraucht, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen."

Rechtliche Beurteilung

Die aus Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel. Der Mängelrüge (Z 5 letzter Fall) zuwider kann von einem erheblichen Widerspruch zwischen den Angaben der Entscheidungsgründe über den Inhalt des Gutachtens Dris. G***** (wonach das Tatopfer "eine gute Wahrnehmungsfähigkeit und eine unauffällige kognitive Leistungsfähigkeit" aufweise, "sich bei ihr keine wesentlichen Persönlichkeitsauffälligkeiten und auch keine Hinweise, dass sie sich durch das Erfinden von Erzählungen die besondere Aufmerksamkeit der Umgebung sichern möchte" oder "auf eine auffällig erhöhte Phantasietätigkeit oder pathologische Lügenhaftigkeit" fanden und "ihr Realitätsbezug unauffällig, die Kontaktfähigkeit ungestört" waren; US 9 f) und den vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umständen einer "sehr starken innerpsychischen Anspannung", "erhöhter Affekt- und Stimmungslabilität" und "starken Ängsten und Beziehungsunsicherheiten" keine Rede sein. Die Glaubwürdigkeit der Zeugin wird dadurch nicht in Frage gestellt, sondern unterstrichen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 466, 424).

Warum der vom Obersten Gerichtshof aus dem Gesetz abgeleitete Rechtssatz, wonach "Streicheln oder Betasten am Oberschenkel, Gesäß oder Bauch zufolge des objektiv sexuell neutralen Charakters dieser Körperstellen für sich allein" noch nicht als geschlechtliche Handlung zu beurteilen sind, die Folgerung tragen sollte, dass auch ein mit Streicheln verbundenes Betasten des Scheidenbereiches als sexuell indifferente Handlung einzustufen sei, sagt die Beschwerde - welche zudem getroffene Feststellungen übergeht - nicht (Z 9 lit a und 10; WK-StPO § 281 Rz 588 bis 590). Genügt aber bereits eine geschlechtliche Handlung zur Erfüllung des Tatbildes des § 207 Abs 1 StGB, kann es dahinstehen, ob die gleichfalls gestreichelte Brust des Mädchens bereits entwickelt war und dieses den erigierten Penis des Angeklagten auch haptisch wahrgenommen hat.

Die vermisste Feststellung, wonach dieser seine Autorität als Vater zum Missbrauch der Minderjährigen ausnützte (übrigens ohnehin keine entscheidende Tatsache; vgl Schick in WK2 § 212 Rz 9) und "selbst mit dem Opfer in sexuellen Kontakt" trat, haben die Tatrichter gar wohl getroffen (US 6, 8 f, 12), sodass die Rechtsrüge auch unter dem Gesichtspunkt der Schuldsprüche wegen § 212 StGB versagt. Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nichtöffentlicher Sitzung (§ 285d Abs 1 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung zur Folge (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet auf § 390a StPO.

Stichworte