OGH 3Ob280/02a

OGH3Ob280/02a21.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, ***** vertreten durch Dr. Max Josef Allmayer-Beck und Mag. Dr. Johannes Stockert, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Jakob L*****, und 2. Lucia L*****, beide vertreten durch Dr. Robert Csokay, Rechtsanwalt in Wien, wegen 6.275,08 EUR sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 2. Juli 2002, GZ 36 R 199/02m-57, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Purkersdorf vom 25. März 2002, GZ 2 C 197/00t-49, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 549,33 EUR (darin 91,55 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Bank gewährte den Beklagten am 3. Juli 1990 einen Kredit über 350.000 S mit einer Laufzeit von zehn Jahren und einer kontokorrentmäßigen Verzinsung von 11,75 %. In der Folge kam es zu Erhöhungen und Herabsetzungen des Zinssatzes. Nachdem die Beklagten mit ihren Zahlungen in Verzug geraten waren, wandte sich der Erstbeklagte am 2. März 1998 an einen Angestellten der klagenden Partei. Der Erstbeklagte meinte, die klagende Partei habe zu hohe Zinsen und Spesen verrechnet; er bezog sich auf Medienberichte, wonach Banken zwar von Zinsgleitklauseln zu Lasten ihrer Kunden Gebrauch gemacht hätten, die Zinssätze jedoch nicht herabgesetzt hätten, wenn der Kapitalmarkt dies ermöglicht hätte. Nach einem eingehenden, alle Streitpunkte erörternden Gespräch kam es letztlich zu einer Einigung zwischen dem Erstbeklagten, der eine Zinsenvergütung von mindestens 50.000 S forderte, und dem Angestellten der klagenden Partei, der höchstens einen einmaligen Vergütungsbetrag von 20.000 S anbot. Sie vereinbarten, dass die klagende Bank eine Zinsenrückvergütung von 30.000 S auf das Kreditkonto vornimmt und der Zinssatz auf 8 % p.a. ab 6. März 1998 gesenkt wird. Die Beklagten erklärten mit Schreiben vom 2. März 1998 nach Erhalt von 30.000 S, die Zinssatzberechnung als ordnungsgemäß anzuerkennen und in diesem Zusammenhang keine wie immer gearteten Ansprüche gegen die klagende Partei zu stellen. Aus diesem Kredit haftet der Klagebetrag aus.

Die klagende Partei begehrt von den Beklagten Zahlung von 6.275,08 EUR sA.

Die Beklagten wendeten ein, es liege kein Rückstand vor. Die Vereinbarung vom 2. März 1998 werde wegen List und Irrtums angefochten; die klagende Partei habe dem Erstbeklagten erklärt, er habe keinen Anspruch auf Reduktion des offenen Kreditsaldos, obwohl sie gewusst habe, dass sie jahrelang überhöhte Zinsen und Spesen verrechnet hatte. Weiters wendeten die Beklagten Gegenforderungen von 43.353,85 S aus der Berechnung überhöhter Zinsen und Zinsen daraus von 107.606,92 S aus dem Titel des Schadenersatzes, ein, weil die klagende Partei der Zweitbeklagten aus einem (anderen) Privatkredit überhöhte Zinsen verrechnet habe.

Das Erstgericht sprach aus, die eingeklagte Forderung bestehe zu Recht, nicht jedoch die bis zu ihrer Höhe eingewendete Gegenforderung, und verpflichtete die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 6.275,08 EUR sA. Den eingangs im Wesentlichen wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, am 2. März 1998 sei ein außergerichtlicher Vergleich zustande gekommen; die Gegenforderung resultiere aus zur Gänze getilgten, länger als drei Jahre zurückliegenden Kreditverhältnissen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und ließ die ordentliche Revision zu, weil die Frage der Verjährung des Anspruchs auf Rückzahlung von Zinsen aufgrund einer nichtigen Zinsanpassungsklausel in der Rsp noch nicht beantwortet sei; in rechtlicher Hinsicht führte die zweite Instanz aus, der als Gegenforderung erstmals in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 27. Juni 2001 eingewendete Rückforderungsanspruch wegen überhöhter Zinsenberechnung betreffe einen am 15. April 1991 zur Gänze zurückgezahlten Kredit. Die dreijährige Verjährungsfrist für den Schadenersatzanspruch sei jedenfalls abgelaufen, weil die Beklagten nicht vorgebracht hätten, aus welchen Gründen sie die angeblich unrichtige Zinsenberechnung nicht früher geltend machen konnten; so hätten sie bereits am 2. Juni 1995 eine andere Klage eingebracht, in der es ebenfalls um die richtige Berechnung der Zinsen für ihre Privatkredite gegangen sei. Der Bereicherungsanspruch des Kreditnehmers wegen angeblich ungerechtfertigt zu hoch verrechneter Zinsen stütze sich auf § 1431 ABGB. Bereicherungsansprüche verjährten nach § 1479 ABGB grundsätzlich nach 30 Jahren, wobei es aber Ausnahmen gebe. So verjährten etwa Rückforderungsansprüche wegen gesetzwidriger Weise zu hoch bezahlter Hauptmietzinse in drei Jahren, dies in einem Rechtsbereich, wo der Schutz des Mieters besonders im Vordergrund stehe. Folgend Madl (in ÖBA 2001, 513) verjähre auch hier der Rückforderungsanspruch - Arglist ausgenommen - in drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginne aber erst mit Beendigung des Kontokorrentverhältnisses zu laufen, hier also mit der vollständigen Rückzahlung des Privatkredits am 15. April 1991. Die Gegenforderung sei daher bei Fälligstellung des der Klagsforderung zugrunde liegenden Kredits am 21. Dezember 1999 bereits verjährt gewesen. Eine Aufrechnung könne daher nicht erfolgen, weil Forderung und Gegenforderung einander nicht aufrechenbar gegenüber gestanden seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Die Beklagten relevieren in der Revision die Fragen der zulässigen Anfechtung des Vergleichs vom 2. März 1998 und der Verjährung des Rückforderungsanspruchs wegen Zahlung überhöhter Zinsen.

Bei ihren Rechtsausführungen zur Frage des Vergleichs gehen die Beklagten weitgehend nicht vom festgestellten Sachverhalt aus; insofern ist die Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt. Für die auch in der Revision behauptete bewusste Irreführung bieten die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen keine Grundlage. Auch für einen Irrtum über die Vergleichsgrundlage besteht kein Anhaltspunkt. Auf Grundlage der Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zu billigen, dass hier kein Irrtum über die Vergleichsgrundlage vorliege; ein Irrtum über die Streitpunkte kann jedoch nicht zur Anfechtung des Vergleichs führen.

Zur Verjährung des Rückforderungsanspruchs wegen Zahlung überhöhter Zinsen hat der vierte Senat in der - zeitlich nach der hier angefochtenen Entscheidung des Berufungsgerichts ergangenen - E 4 Ob 73/03v erkannt, dass in analoger Anwendung des § 1480 ABGB auf den Rückforderungsanspruch des Kreditschuldners die kurze Verjährungsfrist von drei Jahren anzuwenden ist. Nach Darlegung der Rsp des deutschen BGH und der deutschen und österreichischen Lehre führte der vierte Senat in dieser Entscheidung aus, es sei eine Rechtsanalogie zu § 27 Abs 3 MRG und § 5 Abs 4 KlGG geboten. Es bestehe nämlich kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass dem Gesetzgeber Bestandnehmer weniger schutzwürdig erscheinen als Kreditnehmer. Es läge daher ein Wertungswiderspruch darin, dass ein Mieter einen gesetzwidrig überhöhten Zins nur drei Jahre, ein Kreditgeber aber überhöhte Zinsen 30 Jahre lang zurückfordern könnte. Für den hier geltend gemachten Rückforderungsanspruch gelte daher die kurze Verjährungsfrist von drei Jahren. Damit werde nicht nur die Gefahr gebannt, dass die Kreditgläubiger und Rückforderungsschuldner im Hinblick auf möglicherweise in exorbitantem Ausmaß geltend gemachte Rückforderungsanspüche in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, sondern auch eine Flut von Prozessen vermieden, die von ehemaligen Kreditschuldnern angestrengt werden könnten, diese aber im Hinblick auf den insbesondere in Ansehung der Höhe des Zuspruchs ungewissen Prozessausgang einem hohen Prozessrisiko aussetzen müssten.

Der 2. Senat ist in der E 2 Ob 106/03g dieser Rechtsansicht gefolgt.

Der hier erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsansicht des vierten Senats an. Die von den Beklagten in der Revision vertretenen Argumente vermögen dem gegenüber nicht zu überzeugen. Der hervorgehobene Umstand, der Bereicherungsgläubiger werde gewöhnlich die Unwirksamkeit des Darlehensvertrags - und damit die Grundlage seines Anspruchs - nicht kennen, trifft idR gerade auch auf den Mieter zu, der den ihm vom Vermieter vorgeschriebenen überhöhten Mietzins bezahlt hat. Dass es sich beim Bereicherungsanspruch des Kreditnehmers um keinen Anspruch auf eine wiederkehrende Leistung iSd § 1480 ABGB handelt, spricht nicht entscheidend gegen die hier bejahte Analogie.

Die - hier nicht entscheidende - Frage des Beginns der Verjährungsfrist, die in der Revision nicht behandelt wird, kann dahingestellt bleiben.

Es ist daher der Revision der beklagten Parteien ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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