OGH 3Ob184/03k

OGH3Ob184/03k21.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen a) der klagenden Partei Gerhard U*****, vertreten durch Dr. Klaus J. Mitzner-Labrés und Dr. Michael Krautzer, Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagte Partei Mag. Brunhilde L*****, vertreten durch Prof. Dr. Kurt Dellisch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Unterlassung (Streitwert 2.500 EUR) und b) der klagenden Parteien 1. Gerhard U***** und 2. Doris U*****, beide vertreten durch Dr. Klaus J. Mitzner-Labrés und Dr. Michael Krautzer, Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagte Partei Mag. Brunhilde L*****, vertreten durch Prof. Dr. Kurt Dellisch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Feststellung und Duldung (Streitwert 5.800 EUR) infolge außerordentlicher Revisionen aller Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 8. Mai 2003, GZ 2 R 102/03g-20, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Akt wird dem Berufungsgericht mit dem Auftrag übermittelt, an Stelle seines einheitlichen Bewertungsausspruchs gesonderte Aussprüche über den Wert des Entscheidungsgegenstands der einzelnen voneinander zu trennenden Entscheidungsteile zu tätigen.

Text

Begründung

Beide Klagen wurden nach Prozessverbindung ausgedehnt, die Kläger ließen jeweils ihre ursprüngliche, jeweils undifferenzierte Bewertung (2.500 EUR im Hauptverfahren, 5.800 EUR - nach RATG - im verbundenen Verfahren) unverändert.

In seiner bestätigenden Entscheidung sprach das Berufungsgericht nur aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Das Erstgericht legte nunmehr die außerordentlichen Revisionen beider Seiten unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

Eine Entscheidung kann aber derzeit aus nachstehenden Erwägungen noch nicht erfolgen:

Bei seinem einheitlichen Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO übersah das Gericht zweiter Instanz zunächst, dass bei bloß zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen jedenfalls gesonderte Aussprüche erfolgen müssen (MietSlg 32.719; Kodek in Rechberger², § 500 ZPO Rz 3), hat doch die Verbindung auf die Zulässigkeit eines Rechtsmittels keinen Einfluss (stRsp, RIS-Justiz RS0037252, RS0037173, RS0037271; Kodek aaO § 502 ZPO Rz 1; nur im Ergebnis gleich jüngst 9 Ob 50/03y). Zwar wird die getrennte Bewertung im vorliegenden Fall dadurch erschwert, dass das Erstgericht eine Änderung der Klagen in der Form zugelassen hat, dass die zuletzt geltend gemachten Ansprüche nicht mehr ausdrücklich einem der beiden Verfahren zugeordnet sind. Allerdings ergibt sich, dass die Hauptbegehren und die Eventualbegehren 1) und 2) allein den Erstkläger und damit das Hauptverfahren betreffen, die übrigen Punkte aber das verbundene Verfahren.

Bei seinem korrigierten Ausspruch wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass auch ohne Prozessverbindung eine getrennte Bewertung erforderlich sein kann, wenn nämlich die Werte der Entscheidungsgegenstände der in einem Prozess erhobenen verschiedenen Ansprüche für die Beurteilung der Revisionszulässigkeit nicht zusammenzurechnen sind. Eine Zusammenrechnung ist dann nicht statthaft, wenn zwischen mehreren Ansprüchen kein innerer tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht, jeder daher ein ganz verschiedenes Schicksal haben kann (RIS-Justiz RS0037899). Ein rechtlicher Zusammenhang wurde bejaht, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder derselben Rechtsnorm abgeleitet werden (1 Ob 173/98t [insoweit nicht veröffentlicht]; 6 Ob 80/98b = RdW 1999, 78; 2. April 1998; Mayr in Rechberger², § 55 JN Rz 2 mwN aus der Rsp). Wird wie im vorliegenden Fall auf Grund von behaupteten Eingriffen der Beklagten in verschiedene, wenn auch durch einen einheitlichen Übergabsvertrag begründete dingliche Rechte geklagt, so macht schon das Vorbringen der behaupteten Eingriffshandlungen jeweils ein gesondertes zusätzliches Vorbringen erforderlich und es kann in Ansehung eines jeden Eingriffs zu einem anderen Ergebnis kommen. Es liegt der Fall nicht anders wie bei einer Klage auf Freiheit des Eigentums von drei verschiedenen Belastungen (6 Ob 79/98f). In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall wurden einzelne, voneinander verschiedene und unabhängige, das Eigentumsrecht des Klägers störende Handlungen des Beklagten bezüglich verschiedener körperlicher Teile der Liegenschaft der Beklagten behauptet. Im vorliegenden Fall wird im Hauptverfahren ein Eingriff der Beklagten in das Fruchtgenussrecht des Erstklägers betreffend den Gemüsegarten einerseits und in dessen Wohnrecht andererseits behauptet und daraus Unterlassungsansprüche abgeleitet. Das erfordert somit zwei Bewertungen. Im verbundenen Verfahren geht es wiederum um Eingriffe in verschiedene räumliche Bereiche, für die ein Wohn- bzw Mitbenützungsrecht behauptet wird. Angesichts der räumlichen Nähe zwischen Mostlagerraum und Kühlraum scheint eine einheitliche Bewertung des Feststellungs- und Duldungsbegehrens hinsichtlich beider Räume gerechtfertigt. In Ansehung der frei stehenden "Selch" und der Küche im Erdgeschoß sind aber wiederum getrennte Aussprüche erforderlich. Weiters sind auch die einzelnen Eventualbegehren, soweit sie von den Hauptbegehren abweichen (was in den Punkten 2.-4. offensichtlich nicht der Fall ist), gesondert nach den dargestellten Grundsätzen zu bewerten, weil zB die geringere Bewertung einer bloßen Mitbenützung nahe liegt.

Eine unmittelbare Wiedervorlage an den Obersten Gerichtshof wird nur zu erfolgen haben, falls das Berufungsgericht in jedem einzelnen Punkt - entgegen der eigenen erheblich niedrigeren, aber nicht bindenden Gesamtbewertung der Kläger - zu einer 20.000 EUR übersteigenden Bewertung gelangen sollte. Soweit dies auch nur in einem Teilbereich nicht der Fall ist, wäre nur eine ordentliche Revision verbunden mit einem Antrag nach § 508 ZPO zulässig, was allenfalls ein Verbesserungsverfahren erfordern würde, weil den Schriftsätzen der Parteien ein ausdrücklicher Antrag auf Abänderung des Zulassungsausspruchs an das Berufungsgericht nicht zu entnehmen ist (RIS-Justiz RS0109623).

Somit wird das weitere Vorgehen des Berufungsgericht vom Ergebnis der Erwägungen in der Frage der Bewertung und allenfalls zur nachträglichen Zulassung der erhobenen Rechtsmittel abhängen. Da im verbundenen Verfahren teilweise (Punkte 4. und 5.) beide Beklagte, und zwar offensichtlich jeweils alleine die Rechte aus dem Wohnungsrecht in Anspruch nehmen, liegt keine einheitliche Streitpartei vor, weshalb insoweit auch für jeden Kläger eine gesonderte Bewertung erforderlich ist.

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