OGH 15Os90/03

OGH15Os90/0321.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Dachsberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Feridun T***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und Abs 2, 161 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. März 2003, GZ 122 Hv 3404/01d-79, sowie dessen Beschwerde gegen den Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Feridun T***** (zu I./) des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und Abs 2, 161 Abs 1 StGB sowie der Vergehen (zu II./) der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach §§ 159 Abs 1 und Abs 2, 161 Abs 1 StGB und zu (zu III./) nach § 114 Abs 1 ASVG schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien jeweils als faktischer Geschäftsführer nachgenannter Unternehmen, welche Schuldner mehrerer Gläubiger waren I./ Bestandteile deren Vermögens beiseite geschafft, indem er sie für gesellschaftsfremde Zwecke verwendete, und dadurch die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger geschmälert, wobei er durch die Tat einen 40.000 Euro übersteigenden Schaden herbeigeführt hat, und zwar 1./ von Juli 1999 bis März 2000 durch Einbehalten von den Geschwistern S***** inkassierte und an die B***** GesmbH abzuführender Geldbeträge in einer Gesamthöhe von 188.949,37 Euro, 2./ am 3. und 6. April 2000 durch Einbehalten von der E***** GesmbH inkassierter und an die I***** GesmbH abzuführender Beträge von 87.207,40 Euro und 43.021,23 Euro;

II./ dadurch, dass er es entgegen den Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens unterließ, Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen zu führen, sodass ein zeitnaher Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erschwert wurde, und auch sonstige geeignete und erforderliche Kontrollmaßnahmen, die einen solchen Überblick verschaffen, unterließ, sowie Jahresabschlüsse, zu deren Erstellung er verpflichtet war, zu erstellen unterließ, grob fahrlässig

A./ die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschafter herbeigeführt, und

zwar

1./ von Anfang bis Mitte 1999 der B***** GesmbH;

2./ von Februar bis Ende 1999 der I***** GesmbH;

B./ in Kenntnis oder fahrlässigen Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Unternehmen die Befriedigung wenigstens eines Gesellschaftsgläubigers geschmälert, und zwar

1./ von Mitte 1999 bis Jänner 2000 der B***** GesmbH;

2./ von Ende 1999 bis April 2000 der I***** GesmbH;

III./ von Oktober 1999 bis April 2000 von der I***** GesmbH abzuführende Beiträge von Dienstnehmern zur Sozialversicherung in der Höhe von 10.534,48 Euro einbehalten und der Wiener Gebietskrankenkasse vorenthalten.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl.

Das Schöffengericht durfte sämtliche von der Verfahrensrüge genannte Beweisanträge im Ergebnis zu Recht abweisen.

Zum Antrag auf Vernehmung der Zeugen Hayati K***** und Behcet G***** (S 259/III, 319/III) hat der Verteidiger nicht dargetan, inwieweit das angestrebte Beweisziel, der Angeklagte habe die Zahlungen der E***** GesmbH nicht persönlich inkassiert, für die Schuldfrage von Bedeutung sei (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327). Dazu wird auch auf die zutreffenden Urteilserwägungen US 16 f verwiesen.

Zu den Anträgen auf Vernehmung eines informierten Vertreters der Firma H***** (S 259/III), des Zeugen Friedrich S***** (S 319/III) sowie des Zeugen Ahmed D***** (S 261/III) wurde nicht einmal ein Beweisthema genannt.

Hinsichtlich des Zeugen Franz M***** (S 319/III) wurde bei Antragstellung nicht dargetan, inwieweit es für die Schuldfrage von Bedeutung sei, ob der Angeklagte im Rahmen von Geschäftsbeziehungen der I***** GesmbH mit der Firma O***** Handlungen gesetzt oder bei letzterer bekannt geworden sei.

Schließlich entbehrt auch der Antrag auf Öffnung der Konten der I***** GesmbH und der B***** GesmbH (S 261/III) jeglichen Vorbringens, weshalb aus dem behaupteten Beweisziel, der Angeklagte habe (bei Geldinstituten) keine Geldtransaktion für die beiden Gesellschaften vorgenommen, eine für ihn günstigere Beurteilung der Frage seiner faktischen Geschäftsführertätigkeit zu erwarten sei, zumal es weder notwendig noch typisch ist, dass ein bloß faktischer Geschäftsführer auf Konten der Gesellschaft zeichnungsberechtigt ist (vgl Zeuge G*****, S 285/III).

Erst in der Nichtigkeitsbeschwerde vorgebrachte Gründe tatsächlicher Art zu behaupteten Antragsberechtigung sind unbeachtlich (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4, E 40, 41).

Soweit sich die Beschwerde auf mit Schriftsatz oder in einer früheren Hauptverhandlung, die später gemäß § 276a StPO neu durchgeführt wurde, gestellte Beweisanträge bezieht, stellen solche keine iSd § 238 StPO entscheidungspflichtigen oder mit Nichtigkeitsbeschwerde relevierbaren Anträge dar (Ratz, WK-StPO § 218 Rz 310). Auch den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. B***** und Beiziehung eines anderen Sachverständigen (S 365 f/III) durfte das Schöffengericht zu Recht ablehnen.

Befangen ist ein Sachverständiger - ebenso wie ein Richter - dann, wenn er nicht mit der vollen Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit an eine Sache herantritt und somit eine Beeinträchtigung der unparteilichen Beurteilung durch sachfremde psychologische Motive zu befürchten ist. Es genügt grundsätzlich schon der äußere Anschein einer Befangenheit, soweit hiefür zureichende Anhaltspunkte gegeben sind, denen die Eignung zukommt, aus objektiver Sicht, d.h. bei einem verständig wertenden objektiven Beurteiler, die volle Unbefangenheit des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen (zur gleichgelagerten Frage nach der Befangenheit von Richtern vgl 15 Os 178, 179/95; in Bezug auf Sachverständige siehe 15 Os 42/92, 15 Os 100, 103/92, 14 Os 174/96). Im konkreten Fall hat der Sachverständige die zentrale Beweisfrage, ob der Angeklagte einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung der beiden Gesellschaften genommen hat - somit als faktischer Geschäftsführer fungiert hat (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 161 Rz 13) - zulässiger Weise aus seiner Sicht zum Nachteil des Angeklagten beantwortet (S 601/I, 41/III). Antrag und Beschwerde vermögen nicht plausibel darzutun, warum aus dem (von der Beschwerde detailliert als unrichtig bezeichneten) Inhalt des Gutachtens eine Voreingenommenheit oder Parteilichkeit des Experten ableitbar sei.

Der Verfahrensrüge (Z 4, richtig Z 3) zuwider erfolgten die Verlesungen der Hauptverhandlungsprotokolle vom 27. August 2001 und 12. Juni 2002 gesetzeskonform, nämlich gemäß § 252 Abs 2 Z 4 StPO einverständlich (S 235/I), woran auch folgende gegenteilige Äußerungen des Verteidigers (S 235, 259/III) nichts zu ändern vermögen, zumal er die Verlesung in weiterer Folge sogar ausdrücklich nochmals beantragt hat (S 389 f/III). Dass der zuletzt gestellte Antrag auf (nochmalige) Verlesung hinsichtlich des Hauptverhandlungsprotokolls vom 27. August 2001 unerledigt blieb, schadet schon deshalb nicht, weil der Verteidiger nicht dargetan hat, weshalb er die Wiederholung einer bereits erfolgten Verlesung begehre.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider sind die Urteilsausführungen, "die überwiegende Mehrzahl der in der Hauptverhandlung unmittelbar gehörten Zeugen" habe den Angeklagten als "Chef" bezeichnet, nur ein kleiner Teil der "unmittelbar gehörten Zeugen" habe dies nicht bestätigt (US 14), nicht aktenwidrig. In den (allein relevanten, weil der Urteilsfällung als Einheit iSd § 276a StPO) vorangegangenen Hauptverhandlungen vom 19. Februar, 5. März und 13. März 2003 wurden insgesamt sieben Zeugen vernommen, von denen vier (W*****, P*****, Sch*****, G*****) Aussagen abgelegt haben, aus denen Schlüsse auf eine faktische Geschäftsführung des Angeklagten gezogen werden können, während drei (I*****, K*****, D*****) solches nicht bestätigen konnten. Damit ist aber die der Sache nach gegebene erstgerichtliche Darstellung, die Mehrzahl der in der Hauptverhandlung unmittelbar gehörten Zeugen habe den Angeklagten belastet, in ihrem wesentlichen Aussagekern nicht unrichtig. Die Darstellungen der von der Beschwerde reklamierten Zeugen Turan T*****, Erol T***** und Dr. Ta***** wurden bloß durch Verlesung des Hauptverhandlungsprotokolls vom 12. Juni 2002 in das Verfahren eingebracht, sodass diese aus Urteilssicht keine "in der Hauptverhandlung unmittelbar gehörten" Zeugen darstellten. Entgegen den weiteren Beschwerdeausführungen hat sich das Schöffengericht nicht damit begnügt, die belastenden Angaben als "glaubwürdig und lebensnah" und die entlastenden Depositionen als "unglaubwürdig und lebensfremd" zu bezeichnen, sondern - ohne Verstoß gegen die Grundsätze logischen Denkens und empirische Erkenntnisse und unter Beachtung des Gebots gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) noch hinreichend ausführlich - unter der Bezugnahme auf die sicherheitsbehördlichen Erhebungsergebnisse, das Sachverständigengutachten und die Verantwortung des Angeklagten - dargetan, warum es zu den getroffenen Feststellungen gelangt ist und die leugnende Verantwortung des Angeklagten sowie die für ihn sprechenden Zeugenaussagen als widerlegt angesehen hat. Eine offenbar unzureichende Begründung liegt daher nicht vor.

Schließlich haben die Tatrichter ihre Erörterungen über die von der E***** GesmbH inkassierten Gelder nicht zum Nachweis der faktischen Geschäftsführung des Angeklagten angestellt, sondern sich vielmehr ausschließlich damit auseinandersetzt, warum die Frage eines allfälligen persönlichen Inkassos für die Beurteilung der Tatbildmäßigkeit des Verhaltens ohne Bedeutung sei. Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag unter Wiederholung einzelner Argumente zur Mängelrüge sowie mit Behauptungen zur Qualität des Sachverständigengutachtens, zur Glaubwürdigkeit der vernommenen Zeugen und zur Absenz des Angeklagten im Zeitpunkt der Zahlungen der E***** keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der für den Ausspruch über die Schuld entscheidenden Tatsachen zu erzeugen, sondern erschöpft sich in einer Bekämpfung der Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der die Ausführungen der Nichtigkeitsbeschwerde bloß wiederholenden Stellungnahme gemäß § 35 Abs 2 StPO - als offenbar unbegründet bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

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