OGH 15Os89/03

OGH15Os89/0321.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Dachsberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Anthony P***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG, teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB, und anderer strafbarer Handlungen, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. Dezember 2002, GZ 043 Hv 45/02d-156, weiters die Beschwerde des Angeklagten gegen den unter einem gefassten Widerrufsbeschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu B) sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft werden mit ihren Berufungen sowie der Angeklagte auch mit seiner Beschwerde auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten die durch den erfolglos gebliebenen Teil seines Rechtsmittels verursachten Kosten zur Last.

Text

Gründe:

Anthony P***** wurde (A 1-3) des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 28 Abs 2, (zweiter, dritter und vierter Fall), Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB, teils als Mittäter nach § 12 erster Fall StGB, und (B) "des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG" schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

A)

1) den bestehenden Vorschriften zuwider in der Zeit von August bis November 2001 einen anderen zur Aus- und Einfuhr von Suchtgiften bestimmt, "indem er bei einem gewissen Frank insgesamt rund ca. 9,6 kg Heroin und ca. 19,40 kg Kokain, sohin Heroin und Kokain in einer übergroßen Menge, zur Lieferung aus den Niederlanden nach Österreich bestellte, das ihm in der Zeit von 25. August bis 29. November 2001 in Wien von der abgesondert verfolgten Sandra S***** zugestellt wurde und er es abwechselnd mit einem nicht mehr ausforschbaren Mittäter von S***** übernahm," wobei er die Taten mit Beziehung auf ein Suchtgift begangen hat, dessen Menge zumindest das 25-fache der in § 28 Abs 2 SMG angeführten Menge ausmachte;

2) am 29. November 2001 von der unter 1/ angeführten Menge Suchtgift rund 2.400 g Kokain und 1.240 g Heroin sowie bis zum 29. November ca. 200 g Kokain und 450 g Heroin zum Zwecke des unmittelbar bevorstehenden Weiterverkaufes bereit gehalten;

3) in der Zeit von ca. März 2000 bis 28. November 2001 in Wien eine nicht mehr feststellbare, aber zumindest große Menge Heroin und Kokain zahlreichen unbekannt gebliebenen Abnehmern sowie den abgesondert verfolgten Pascal N*****, Dwine M*****, Andreas W***** und Martin Z***** verkauft;

B)

in der Zeit von 2000 bis 29. November 2001 den bestehenden Vorschriften zuwider Heroin und Kokain wiederholt erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich teilweise - betreffend das Faktum B - als berechtigt.

Zutreffend legt die Beschwerde in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) dar, dass, soweit im Spruch vom vorschriftswidrig wiederholten Erwerb und Besitz von Heroin und Kokain in der Zeit von 2000 bis 29. November 2001 ausgegangen wurde, die im Urteil lediglich mit "Die Feststellung über den Eigenkonsum gründen sich auf die Angaben des Angeklagten" begründet wird (US 13). Es mangelt somit zur Gänze an Feststellungen zur objektiven wie auch subjektiven Tatseite des zu Punkt B angenommenen Vergehens nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 555). Damit war das angefochtene Urteil in diesem Umfang im Schuldspruch sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Ein Eingehen auf die unter der Z 11 erhobenen Einwände betreffend einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot erübrigt sich somit. Als nicht zielführend erweist sich jedoch die zum Schuldspruch zu Faktum A des Urteils erhobene Mängelrüge (Z 5).

Soweit unter diesem Aspekt Urteilsunvollständigkeit betreffend die Aussagen der Zeugin S***** moniert wird, gesteht die Beschwerde zum einen selbst deren Erörterung im Urteil zu und wirft zum anderen den Tatrichtern mit dem nach Art einer Schuldberufung erstatteten Vorbringen der Sache nach lediglich verfehlte Bewertung des vom Erstgericht herangezogenen Beweismittels vor (Ratz aaO RZ 421). Mit der Behauptung des Vorliegens unzureichender Begründung bzw einer Scheinbegründung betreffend die vom Erkenntnisgericht als unglaubwürdig erachteten Angaben des Angeklagten bekämpft die Beschwerde unter Hervorheben selektiver Aussagenteile und spekulativen eigenen Beweiswerterwägungen die mit den Grundsätzen der Logik in Einklang stehende Beweiswürdigung der Tatrichter unzulässig nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Diese haben - dem Gebot der gedrängten Darstellung der Urteilsgründe gemäß § 270 Abs 2 Z 5 Rechnung tragend - folgerichtig begründet dargelegt, warum sie - entgegen der leugnenden Verantwortung des Angeklagten - in Übereinstimmung mit der Aussage der Zeugin S*****, auf deren Widersprüchlichkeiten sie ebenfalls eingegangen sind, und im Einklang mit den sonstigen Ergebnissen des Beweisverfahrens von der Täterschaft des Angeklagten ausgegangen sind (US 10 ff).

Dabei waren sie nicht gehalten, jeden Teil der Aussage einer Erörterung zu unterziehen und sich mit jeder denkbaren Schlussfolgerung auseinderzusetzen (Ratz aaO Rz 428). Die Behauptung eines Begründungsmangels zum Verkauf einer nicht mehr feststellbaren, aber zumindest großen Menge Heroin und Kokain (auch) an zahlreiche unbekannte Abnehmer zu Punkt A/3 des Schuldspruches betrifft im Hinblick auf die vielfache Überschreitung der nach § 28 Abs 4 Z 3 SMG normierten Menge von Suchtmitteln laut Punkt 2 des Spruches keine entscheidende Tatsache (vgl Ratz aaO Rz 399, 13 Os 156/02).

Soweit die Schlussfolgerungen des Erstgerichtes zum Reinheitsgrad der inkriminierten Suchtgiftmengen bekämpft werden, wendet sich die Beschwerde - wie sich bereits sinnfällig aus der Formulierung, das Recht der freien Beweiswürdigung dürfe "nicht soweit" gehen, "dass das Gericht ungeklärte Umstände zum Nachteil des Angeklagten ergänzen" dürfe, ergibt - ebenfalls unter Hinweis auf die Unvereinbarkeit mit der allgemeinen Lebenserfahrung und neuerlichem Anstellen eigener Beweiswerterwägungen gegen die diesbezügliche mängelfreie Beweiswürdigung der Tatrichter (US 9 und 11). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher im aufgezeigten Umfang gemäß § 285d Abs 1 StPO - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung des Verteidigers - bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Mit seiner Berufung und Beschwerde war der Angeklagte ebenso wie die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Stichworte