OGH 7Ob157/03v

OGH7Ob157/03v5.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T*****-Versicherungsanstalt V.a.G., ***** vertreten durch Dr. Heinz Bauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Gottfried W*****, vertreten durch Dr. Gerhard Thaler und Mag. Josef Kunzenmann, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen EUR 11.924,59 samt Anhang, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 31. März 2003, GZ 4 R 44/03g-43, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 29. November 2002, GZ 13 Cg 103/00k-35, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 749,70 (darin enthalten EUR 124,95 an Ust) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der beklagte Versicherungsnehmer begehrte vom klagenden Versicherer nach einem Einbruchsdiebstahl in sein Brillengeschäft, bei dem das Portal beschädigt und aus dem Lager Brillen, ein Scheitelbrechwertmesser und Bargeld gestohlen wurde (nach seiner Schadensmeldung ein Schaden von ca S 250.000,-- [./K]), die Bezahlung einer Abschlagszahlung unter Anschluss einer Aufstellung über die gestohlenen Waren und die Beschädigungen. Die Klägerin zahlte eine Abschlagszahlung im Sinne des § 11 Abs 2 VersVG von S 100.000 unter dem Hinweis: "Akontozahlung ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage". Die Klägerin gab daraufhin entsprechend einer bei ihr üblichen Vorgangsweise ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der Schadenshöhe in Auftrag. Der Versicherungsnehmer hat darauf keinen Einfluss. Ein Kostenersatz dafür wurde nicht vereinbart. Im Zuge der Erhebungen des Sachverständigen stellte sich heraus, dass der Beklagte keine Inventur erstellt hatte und auch keine Buchhaltung nach ordnungsgemäßen Grundsätzen führte. Da keine geeigneten Unterlagen zur Ermittlung der Schadenshöhe vorlagen, gestaltete sich die Befundaufnahme aufwändig und führte letztendlich zu keinem Ergebnis. Die Klägerin bezahlte für das Gutachten S 73.975. Stückzahl und Wert der gestohlenen Brillen konnte nicht festgestellt werden. Die Gendarmerie ordnet den Einbruchsdiebstahl dem organisierten Verbrechen zu.

Die Klägerin begehrt nun die Rückzahlung des geleisteten Betrages, da der Beklagte die Höhe des Schadens nicht habe nachweisen können.

Der Beklagte beantragt die Klagsabweisung, da die gestohlenen Waren jedenfalls einen Wert der Zahlung entsprechend gehabt hätten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsansicht, dass die Klägerin eine Zahlung nach § 11 Abs 2 VersVG nicht zurückverlangen könne.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und kam zu dem Ergebnis, dass grundsätzlich eine Rückforderung des nach § 11 Abs 2 VersVG geleisteten Betrages unter den gesetzlichen Voraussetzungen des § 1431 ABGB zulässig sei, die Klägerin aber die Beweislast dafür treffe, dass dem Beklagten durch den Einbruchsdiebstahl nicht ein Schaden von zumindest S 100.000 entstanden sei, da ja feststehe, dass aus dem Lager Brillen, ein Scheitelbrechwertmesser und Bargeld gestohlen seien und das Portal beschädigt worden sei. Mangels vertraglicher Vereinbarung sei der Beklagte zur Bezahlung der Kosten des Sachverständigengutachtens insbesondere auch unter Berücksichtigung der Kostenersatzpflicht des Versicherers nach §§ 66 , 185 VersVG nicht verpflichtet.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, da zu dem Fall, dass zwar der Eintritt des Versicherungsfalls unstrittig, die Höhe des Schadens aber nicht nachweisbar sei, oberstgerichtliche Judikatur fehle.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Gemäß § 11 Abs 2 VersVG kann der Versicherungsnehmer in Anrechnung auf die Gesamtforderung Abschlagszahlungen in der Höhe des Betrages verlangen, den der Versicherer nach Lage der Sache mindestens zu zahlen hat, wenn die Erhebungen bis zum Ablauf eines Monates seit Anzeige des Versicherungsfalles nicht beendet sind. § 11 Abs 2 VersVG steht einer Rückforderung der Zahlung durch den Versicherer bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen des § 1431 ABGB grundsätzlich nicht entgegen (7 Ob 18/95). Im vorliegenden Fall leistete die Klägerin auch mit ausreichendem Vorbehalt, sodass hier kein schlüssiges, konstitutives Anerkenntnis vorliegen kann, weil die Worte "ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage" für jedermann erkennen lassen, dass sich der Versicherer eine Rückforderung unter Umständen vorbehält (vgl Rummel in Rummel ABGB3 § 863 Rz 8 mwN sowie Apathy in Schwimann ABGB2 § 863 Rz 1). Dies bedeutet, dass die klagende Versicherung die Abschlagszahlung dann aus dem Titel der Bereicherung nach § 1431 ABGB vom Beklagten zurückfordern kann, wenn sie - abgesehen von der unstrittigen Erbringung der Leistung - beweisen kann, dass a) die Leistung zum Zweck der Erfüllung einer Schuld erfolgte, die in Wirklichkeit nicht bestand, und b) dass sie sich bei der Leistung in einem Irrtum befand (7 Ob 18/95, 7 Ob 134/01h, RIS-Justiz RS0033566). Nach Rechtsprechung und Lehre hat daher der klagende Versicherer bei einem auf irrtümliche Zahlung gegründeten Rückforderungsanspruch (im Gegensatz zur Klage des Versicherungsnehmers auf Erbringung der Versicherungsleistung) den Nachweis zu erbringen, dass das Schadensereignis nicht von der primären Risikoabgrenzung umfasst ist und daher kein Versicherungsschutz bestand, dass die Voraussetzungen für eine Entschädigungsleistung also nicht gegeben waren (VersR 1656 = VR 1996/412, 7 Ob 134/01h, Prölss/Martin VVG26, § 55, Rn 72 f), der Versicherer aber irrig davon ausgegangen war.

Der klagende Versicherer muss daher bei Rückforderung eines nach § 11 Abs 2 VersVG geleisteten Betrages nachweisen, dass der dem Versicherungsnehmner entstandene Schaden geringer als die geleistete Zahlung ist. Es steht fest, dass dem Beklagten sehr wohl Brillen, Bargeld und ein Scheitelbrechwertmesser gestohlen wurden und das Portal beschädigt wurde, der Versicherungsfall also eingetreten und jedenfalls ein Schaden entstanden ist. Dass die entstandenen Schäden S 100.000 nicht erreichten, konnte die Klägerin nicht beweisen, weshalb ihr Rückforderungsanspruch nicht zu Recht besteht. Die Klägerin war nach § 11 Abs 2 VersVG nur gehalten, jenen Betrag als Abschlagszahlung zu leisten, der mindestens nach den ihr vorliegenden Unterlagen zu zahlen gewesen wäre (vgl 7 Ob 24/94). Die Klägerin hat daher den Betrag selbst festgelegt. Leistete sie - ex post gesehen ihrer Meinung nach - zu viel, so muss sie dies beweisen.

Der Versicherer hat die Kosten, welche durch die Ermittlung und Feststellung des ihm zur Last fallenden Schadens entstehen, dem Versicherungsnehmer insoweit zu ersetzen, als ihre Aufwendung den Umständen nach geboten war (§ 66 VersVG). Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass eine Kostenersatzpflicht des Versicherungsnehmers für Gutachtenskosten als vertragliche Nebenpflicht nicht besteht, entspricht der offenkundigen gesetzlichen Intention. Die hohen Gutachtenskosten sind auch nur mit der Abklärung des vermeintlichen Rückforderungsanspruches der Klägerin zu erklären, da ja sonst grundsätzlich der Versicherungsnehmer seinen Anspruch auf eine Versicherungsleistung nachweisen muss (RIS-Justiz RS0080003). Führt er keine ordentliche Buchhaltung, führt dies grundsätzlich nur dazu, dass der beweisbelastete Versicherungsnehmer seinen Anspruch nicht beweisen kann.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 52 , 41 ZPO. Es steht nur ein Einheitssatz von 50 % zu.

Stichworte