OGH 11Os86/03

OGH11Os86/035.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. August 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Weber als Schriftführer, in der Strafsache gegen Anton S***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 11. März 2003, GZ 38 Hv 13/03v-70, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, es werden der Wahrspruch der Geschworenen und das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Geschworenengericht beim Landesgericht Salzburg verwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Anton S***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 11. November 2002 Marianne M***** durch Versetzen mehrerer wuchtiger Schläge mit einem Hammer auf den Kopf sowie durch heftiges Strangulieren des Halses mit einer Strumpfhose, wodurch es zu Durchtrennungen der Kopfschwarte, zum Abbruch beider Kehlkopfhörner und infolge einer zentralen Lähmung zum Erstickungstod kam, vorsätzlich getötet.

Die Geschworenen hatten die an sie allein wegen des Verbrechens des Mordes gestellte Hauptfrage bejaht.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, welcher Berechtigung zukommt.

Eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung erblickt der Beschwerdeführer darin, dass der Schwurgerichtshof keine Eventualfragen "in Richtung Körperverletzung (§ 83 StGB) und fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§§ 80, 81 StGB), allenfalls eine solche in Richtung Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§ 86 StGB)" gestellt hat, obwohl solche nach der Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung indiziert gewesen wären.

Voraussetzung für die Stellung einer Eventualfrage ist das Vorbringen von Tatsachen in der Hauptverhandlung, die einen gegenüber der Anklage geänderten Sachverhalt und im Falle ihrer Bejahung die Basis für einen Schuldspruch wegen einer - anklagedifformen - gerichtlich strafbaren Handlung in den näheren Bereich der Möglichkeit rücken (Schindler, WK-StPO § 314 Rz 1).

Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung im Wesentlichen dahin verantwortet, dass er seiner ehemaligen Lebensgefährtin Marianne M***** im Verlaufe eines Streites mehrmals mit dem Hammer auf den Hinterkopf geschlagen habe. Umbringen habe er sie dadurch nicht wollen (S 437 f II). Als diese daraufhin regungslos am Boden gelegen sei, habe er einen Sexualmord vortäuschen wollen, habe der Frau den Unterkörper entblößt, sie im Genitalbereich mit einem Finger verletzt und dann eine Strumpfhose um ihren Hals gelegt. Ob er diese auch zugezogen habe, könne er nicht sagen. Er habe während dieser Handlungen keine Lebenszeichen bei der Frau bemerkt und sei davon ausgegangen, dass sie bereits tot war (S 440 ff II). Der gerichtsmedizinische Sachverständige Dr. Harald M***** kam in seinem Gutachten zum Ergebnis, dass durch die Hammerschläge auf den Kopf lediglich Rissquetschwunden, aber keine Frakturen am Schädel entstanden. Ursache für den Tod der Frau war das Drosseln mit der Strumpfhose (S 475 ff II).

Dass durch die Hammerschläge Bewusstlosigkeit eingetreten sei, hielt er für sehr unwahrscheinlich, konnte dies aber nicht mit Sicherheit ausschließen. Als weit näher liegendere Variante sah der Experte an, dass Marianne M***** zum Zeitpunkt des Versetzens von Hammerschlägen (allenfalls am Boden) fixiert war (S 488 II). Dass sie durch die Hammerschläge nicht bewusstlos war, konnte er mit letzter Sicherheit nicht ausschließen, wenn eine Bewusstlosigkeit vorgelegen hat, dauerte diese nach seiner Meinung mit Sicherheit kürzer als fünf Minuten (S 493 II).

Ist ein vom Angeklagten in der Hauptverhandlung erstattetes, für die Beurteilung der angeklagten Tat rechtlich erhebliches Tatsachenvorbringen nicht bloß abstrakt denkbar, dann ist eine entsprechende Fragestellung an die Geschworenen ohne Rücksicht auf die Glaubwürdigkeit der betreffenden Darstellung nach der Prozessordung unabdingbar (Mayerhofer StPO4 § 314 E 19 f), und zwar auch dann, wenn das Vorbringen durch ein vorliegendes Sachverständigengutachten widerlegt erscheint; hängt doch auch dessen Beweiskraft ausschließlich von seiner pflichtgemäßen Würdigung durch das jeweils zur Entscheidung über die Tatfrage berufene Organ ab (Schindler, WK-StPO § 314 Rz 14).

Da die zitierte Verantwortung des Angeklagten Umstände behauptet, die, träfen sie zu, die Unterstellung der dem Angeklagten angelasteten Tat unter ein Strafgesetz nahelegen könnten, welches nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte, wären jedenfalls Eventualfragen in Richtung Körperverletzung mit Todesfolge (§§ 83, Abs 1, 84 Abs 2 Z 1, 86 bzw § 87 Abs 1 u 2 zweiter Fall StGB) zu stellen gewesen.

Die Fragestellung durch den Schwurgerichtshof ist demnach in nichtigkeitsbegründender Weise unvollständig geblieben. Der Wahrspruch der Geschworenen und das darauf beruhende Urteil waren somit in nichtöffentlicher Sitzung sofort aufzuheben. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Im zweiten Rechtsgang wird der Schwurgerichtshof ausgehend von den dann in der erneuten Hauptverhandlung vorgebrachten Tatsachen das Frageschema im aufgezeigten Sinn zu ergänzen und die Laienrichter werdendie Tat sodann neuerlich zu beurteilen haben.

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