Spruch:
Der Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 6. Dezember 2002, GZ 17 Hv 9/02s-32, verletzt § 41 Abs 3 und § 42 Abs 1 StPO.
Text
Gründe:
Im Verfahren AZ 21 Hv 9/02s (vormals 21 Hv 1022/01i) des Landesgerichtes Feldkirch gegen Muharrem C***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB war dem Angeklagten mit Beschluss dieses Gerichtes vom 25. Oktober 2001 von Amts wegen für die Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht ein Verfahrenshilfeverteidiger gemäß § 41 Abs 1 Z 1, Abs 2 und Abs 4 StPO beigegeben worden (S 445/1). Als solcher wurde mit Bescheid der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 29. Oktober 2001 Rechtsanwalt Dr. Alfons S***** bestellt (S 447/I).
Da der Angeklagte in der Hauptverhandlung vom 25. November 2002 angab, monatlich 1.000 EUR netto zu verdienen (S 7/II), beantragte der Verfahrenshilfeverteidiger sodann (nach Urteilsfällung und Anmeldung einer Nichtigkeitsbeschwerde) die Aufhebung der Verfahrenshilfe (ON 31).
Mit - in Rechtskraft erwachsenem - Beschluss vom 6. Dezember 2002 (ON 32) gab das Landesgericht Feldkirch diesem Antrag folge, hob die bewilligte Verfahrenshilfe auf und bestellte den bisherigen Verfahrenshilfeverteidiger Dr. S***** (ohne dessen Zustimmung) mit sofortiger Wirkung gemäß § 41 Abs 3 StPO zum Amtsverteidiger des Angeklagten, "nachdem noch eine Rechtsmittelfrist im Laufen" sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 6. Dezember 2002 steht - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Gemäß § 41 Abs 1 StPO bedarf der Angeklagte ua in der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht sowie zur Ausführung einer Nichtigkeitsbeschwerde und für den Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über eine solche eines Verteidigers.
Der unvertretene Angeklagte ist diesfalls gemäß Abs 3 leg cit (unter Setzung einer Frist; Danek, WK-StPO § 220 Rz 11) aufzufordern, einen Verteidiger zu wählen oder die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers (Abs 2) zu beantragen. Wählt er keinen Verteidiger, so ist ihm von Amts wegen ein Verteidiger beizugeben, dessen Kosten er zu tragen hat (Amtsverteidiger). Ohne ordnungsgemäß erfolgte Aufforderung ist die Bestellung eines Verteidigers nach § 41 Abs 3 zweiter Satz StPO nicht zulässig (OLG Wien 19 Bs 520/96; Danek aaO).
Hat das Gericht die Beigebung eines Verteidigers beschlossen, so hat es den Ausschuss der nach dem Sitz des Gerichtes zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Verteidiger bestelle, wobei der Ausschuss Wünschen des Angeklagten zur Auswahl der Person dieses Verteidigers im Einvernehmen mit einem allenfalls namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen hat (§ 42 Abs 1 StPO).
Wie sich aus dem Akt ergibt, hat das Landesgericht Feldkirch vor der Bestellung eines Amtsverteidigers den Angeklagten nicht (unter Fristsetzung) aufgefordert, einen Wahlverteidiger namhaft zu machen, sondern die Beigebung eines Verteidigers, dessen Kosten der Angeklagte zu tragen hat, sofort verfügt. Damit hat es der Vorsitzende des Schöffengerichts auch nicht der zuständigen Rechtsanwaltskammer überlassen, eine bestimmte Person als (neuen) Verteidiger zu nominieren, sondern letztere Aufgabe in Überschreitung seiner Kompetenz selbst wahrgenommen. Dadurch wurde das Gesetz in den Bestimmungen des § 41 Abs 3 und des § 42 Abs 1 StPO verletzt. Da sich die Gesetzesverletzungen nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben, hat es mit deren Feststellung das Bewenden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)