OGH 1Ob148/03a

OGH1Ob148/03a1.7.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski und Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Brauneis, Klauser & Prändl Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei I***** Aktiengesellschaft, ***** (vormals E***** Aktiengesellschaft, *****), vertreten durch Dr. Michael Wukoschitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen 89.024,22 EUR sA infolge ordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. März 2003, GZ 4 R 284/02t-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 26. September 2002, GZ 12 Cg 245/01a-14, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.897,08 EUR (darin 316,18 EUR sA Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu zahlen.

Text

Begründung

Der klagende Verein begehrte als Zessionar - gestützt auf § 5j KSchG - den Zuspruch von 89.024,22 EUR sA und brachte im Wesentlichen vor, die beklagte Partei habe der Zedentin im August 2001 einen an diese adressierten Brief gesandt und damit den Eindruck erweckt, die Zedentin habe 1,225.000 S (= 89.024,22 EUR) gewonnen und müsse diesen Gewinn nur noch anfordern.

Die beklagte Partei wendete ein, sie habe nur den Anteil an einem Gesamtgewinn zugesagt. Auf Grund der Teilnahmebedingungen sei klar gewesen, dass nur Gewinnanteile von mehr als 40 S (= 2,91 EUR) gezahlt, geringere Gewinnanteile dagegen dem Gesamtgewinn anlässlich der nächsten Ziehung zugeführt würden. Der Gewinnanteil der Zedentin habe weniger als 40 S (= 2,91 EUR) betragen. Nach dem Inhalt und der Gestaltung der Zusendung habe bei der Zedentin der Eindruck eines Gewinnes von 1,225.000 S (= 89.024,22 EUR) nicht entstehen können. § 5j KSchG sei auch mangels eines Zusammenhangs des Gewinnspiels mit einer Warenbestellung oder einem gleichzeitig übermittelten Warenkatalog nicht anzuwenden. Zur Kontaktaufnahme mit der beklagten Partei sei nicht nur auf die Kosten eines Telefonanrufs, sondern auch auf die Möglichkeit der Absendung einer Postkarte hingewiesen worden. Die Zedentin habe ihre Gewinnanforderung offenkundig erst nach einer Aufklärung über den rechtlichen Hintergrund abgesandt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und erklärte die Revision für zulässig. Nach dessen Ansicht muss derjenige, der sich im geschäftlichen Wettbewerb mehrdeutiger Äußerungen bedient habe, immer die ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen. Nach § 5j KSchG sei der Gesamteindruck der Zusendung ausschlaggebend. Subtile grammatikalische Unterscheidungen seien nicht von Bedeutung. Die Zusendung der beklagten Partei habe nach ihrem Gesamteindruck bei der Zedentin die Überzeugung erwecken müssen, sie müsse einen bereits gewonnenen hohen Geldbetrag nur noch abrufen. An diesem Eindruck könnten auch "die davon abweichenden Teilnahmebedingungen" nichts ändern. Diese seien auf der Innenseite des Briemumschlags geradezu versteckt worden und "außerordentlich schwer lesbar". Ihr Text wirke bei flüchtiger Betrachtung "wie eine Musterung des Papiers". Der auf der gummierten Klappe des Briefumschlags neben dem Absender angebrachte Hinweis "Teilnahmebedingungen auf Kuvert-Innenseite" sei zwar dunkelgrau unterlegt, springe "deswegen aber um nichts mehr ins Auge". Der Hinweis befinde sich überdies an einer Stelle, die bei der Brieföffnung häufig zerrissen und deshalb unleserlich werde. Im Geschäftsleben erwarte niemand, das Wesentliche nicht den zugesandten Schreiben, sondern nur der Innenseite des Briefumschlags entnehmen zu können. Es sei kein Tatbestandsmerkmal des § 5j KSchG, "dass die Gewinnzusage den Verbraucher zum Abschluss eines Vertrages über die Lieferung beweglicher Sachen motivieren solle". Die Aufforderung "zu Werttelefonaten, die Zustimmung zur Werbung mit dem Namen und sonstigen Personalia der 'Gewinner'" könne zur verpönten Gewinnerzielung durch unlautere Gewinnzusagen im Sinne des § 5j KSchG führen. Deren Klagbarkeit sei daher "auch ohne anzubahnendes Geschäft zu bejahen". Belanglos sei, ob der "Mehrwert" an Telefongebühren der beklagten Partei zufließe. Unerheblich sei ferner, ob der Empfänger der Gewinnzusage tatsächlich getäuscht worden sei. Zweck des § 5j KSchG sei die Unterbindung "unlauterer Geschäftspraktiken". Die Revision sei zulässig, weil von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs noch nicht geklärt sei, ob eine Gewinnzusage auch dann unter § 5j KSchG falle, wenn mit ihr keine Aufforderung zur Warenbestellung verknüpft sei, und ob ein Verbraucher durch die Gewinnzusage als Voraussetzung eines Erfüllungsanspruchs tatsächlich getäuscht worden sein müsse.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

1. Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist jenem sehr ähnlich, der Gegenstand der Entscheidung 1 Ob 118/03i war. Dort war eine Gewinnzusage der beklagten Partei gleichfalls nicht mit einer Aufforderung zur Warenbestellung verknüpft. Der erkennende Senat gelangte zum Ergebnis, der Erfüllungsanspruch des Verbrauchers gemäß § 5j KSchG setze eine unmittelbar mit der Anbahnung des Kaufs von Waren verknüpfte Gewinnzusage des Unternehmers nicht voraus, es genüge vielmehr jede, auf einer erkennbaren Gewinnabsicht beruhende unseriöse Gewinnzusage, mit der der Unternehmer das Verhalten von Verbrauchern auf dem Markt unsachlich beeinflussen wolle. Die gegenteilige Ansicht der beklagten Partei ist daher bereits durch die Gründe der zitierten Vorentscheidung, an denen festzuhalten ist, widerlegt.

2. Die Meinung des Berufungsgerichts, die dem nunmehrigen Anlassfall zugrunde liegenden Mitteilungen der beklagten Partei hätten nach ihrem Gesamtzusammenhang objektiv den (falschen) Eindruck erweckt, der Adressat der Zusendung habe bereits einen hohen Geldbetrag gewonnen und müsse sich zur Gewinnauszahlung nur noch bis zu einem bestimmten Termin anmelden, ist vor dem Horizont eines verständigen Verbrauchers zumindest nicht als krasse Fehlbeurteilung zu werten. Insofern ist überdies festzuhalten, dass der Gesamtzusammenhang der Mitteilungen der beklagten Partei im Kern mit jenem übereinstimmt, der in der Entscheidung 1 Ob 118/03i beurteilt wurde und dort zur Bestätigung der Verurteilung der beklagten Partei führte.

3. Nach den Erwägungen in der Entscheidung 1 Ob 303/02w erfasst der § 5j KSchG die unsachliche Beeinflussung des Verhaltens von Verbrauchern durch die in "'Gewinnzusagen'" liegenden Werbemethoden, bei denen Verbraucher in persönlich an sie adressierten Zusendungen von angeblichen "'Gewinnen'" verständigt werden, sich jedoch später herausstellt (Anm: nunmehrige Hervorhebung), dass entweder lediglich die Teilnahme an einem Gewinnspiel ermöglicht oder ein geringwertiger bzw sogar völlig wertloser "'Gewinn'" geleistet werde. Wesentlich sei immer, dass der Unternehmer beim Verbraucher den Eindruck des Gewinns hervorgerufen habe (Anm: nunmehrige Hervorhebung). Bei dieser Beurteilung sei ein objektiver Maßstab, den die Maßfigur eines verständigen Verbrauchers determiniere, anzulegen. Nur Zusendungen, die schon von vornherein keine Zweifel offen ließen (Anm: nunmehrige Hervorhebung), dass der Gewinner eines Preisausschreibens erst in einer Ziehung oder auf andere Weise ermittelt werden müsse, fielen nicht unter § 5j KSchG. Klagbar seien dagegen Zusendungen, bei denen erst im "'Kleingedruckten'", an unauffälliger Stelle oder gar erst auf Nachfrage (Anm: nunmehrige Hervorhebung) die Dinge klargestellt würden und bei denen selbst Fachleute in die Irre geführt werden könnten. Diese Leitlinien wurden in der Entscheidung 1 Ob 118/03i fortgeschrieben. An ihnen ist weiterhin festzuhalten.

3. 1. Bereits aus den unter 3. ausgeführten Grundsätzen folgt, dass die nachträgliche Aufklärung des Verbrauchers durch fachkundige Dritte über den wahren Erklärungswert einer "Gewinnzusage", die hinter deren Verständnis vor dem Horizont der Maßfigur eines verständigen Verbrauchers zurückbleibt, einen nach § 5j KSchG schon entstandenen Erfüllungsanspruch nicht mehr beseitigen kann. Andernfalls könnte ein solcher Anspruch praktisch nie erfolgreich geltend gemacht werden, wird doch der Verbraucher spätestens im Zuge des Verfahrens nach Einbringung der Klage Kenntnis davon erlangen, dass der beklagte Unternehmer mit seiner Zusendung in Wahrheit nur den falschen Eindruck erwecken wollte, der Adressat habe bereits einen bestimmten (hohen) Preis gewonnen. Wegen der Irrelevanz einer nachträglichen Aufklärung über den objektiven Erklärungswert der Mitteilungen des Unternehmers, deren Inhalt dem vom Verbraucher nach den bereits erörterten objektiven Kriterien ursprünglich gewonnenen Eindruck widerspricht, ist es - entgegen der Ansicht der beklagten Partei - auch keine Anspruchsvoraussetzung, dass der Verbraucher die wahre Absicht des Unternehmers im Zeitpunkt "seiner auf Auszahlung des Gewinnes gerichteten Willenserklärung" noch immer nicht "durchschaut hat". Demzufolge kann ein Verein wie die klagende Partei den Verbraucher ohne weiteres darüber aufklären, der Unternehmer habe mit der "Gewinnzusage" in Wahrheit nur den falschen Eindruck eines dem Verbraucher bereits zugefallenen bestimmten Preises erwecken wollen, der "Preis" sei jedoch nach § 5j KSchG klagbar und solle zunächst schriftlich angefordert werden.

Dass die Zedentin den wahren Erklärungswert der Mitteilungen der beklagten Partei sogleich durchschaut habe und diese Mitteilungen daher bei ihr niemals den Eindruck eines hohen Geldgewinns hervorgerufen hätten, steht nicht fest. Derartiges wurde überdies nicht behauptet, brachte doch die beklagte Partei im Verfahren erster Instanz schließlich selbst ausdrücklich vor, sie teile die Ansicht des Gerichts, "dass die vorliegende Rechtsfrage ausschließlich nach objektiven Gesichtspunkten zu entscheiden sein" werde (ON 7). Die beklagte Partei verficht auch in der Revision nicht den Standpunkt, die Zedentin habe aus dem Gesamtzusammenhang der maßgebenden Mitteilungen konkret nie den unrichtigen Eindruck gewonnen, ihr sei ein hoher, nur noch anzufordernder Geldgewinn bereits zugefallen. Hier ist daher gar nicht die Frage zu lösen, ob der Erfüllungsanspruch nach § 5j KSchG auch ein Verbraucher haben kann, der den hinter dem Eindruck der Maßfigur eines verständigen Verbrauchers zurückbleibenden wahren Erklärungswert der Mitteilungen des Unternehmers sogleich erkannte. Es muss deshalb auch nicht erörtert werden, ob diese Frage schon in der Entscheidung 1 Ob 303/02w gelöst wurde.

4. Nach allen bisherigen Erwägungen hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO ab. Die Revision ist somit zurückzuweisen, wobei sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 510 Abs 3 ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken kann.

5. Die klagende Partei wies auf die Unzulässigkeit der Revision hin. Ihr sind daher die Kosten der Revisionsbeantwortung als solche einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gemäß § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO zuzuerkennen.

Stichworte