OGH 2Ob136/03v

OGH2Ob136/03v26.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Franz G*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Franz T***** GmbH (S 605/95 des Landesgerichtes Wels), wider die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian, Partnerschaft in Wien, wegen EUR 39.035,44 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 13. März 2003, GZ 4 R 235/02k-50, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 18. September 2002, GZ 34 Cg 364/96d-45, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 875,34 (darin enthalten USt von EUR 145,89, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof bei der Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Der Kläger begehrt die Zahlung von EUR 39.035,44 als restlichen Werklohn für die von der Gemeinschuldnerin bei den Bauvorhaben Pöchlarn und Rudolfstraße erbrachten Dachdecker-, Isolierungs- und Spenglerarbeiten.

Die beklagte Partei wendete ein, die Gemeinschuldnerin habe die Werkleistungen nicht, nicht vollständig und mangelhaft erbracht. Weiters verfüge sie über eine Gegenforderung in einer den Klagsbetrag übersteigenden Höhe, weshalb sie auch die Einrede der Aufrechnung erhebe. Wegen Nichteinhaltung der vereinbarten Termine machte die beklagte Partei als Gegenforderung eine Vertragsstrafe von EUR 8.680,46 geltend.

Der Kläger bestritt die eingewendeten Gegenforderungen und führte aus, sie seien verjährt und verfristet, die Aufrechnung sei wegen der Konkurseröffnung nicht zulässig.

Das Erstgericht sprach aus, die Klagsforderung bestehe mit EUR 14.097,22 zu Recht und mit EUR 24.938,22 nicht zu Recht; die von der beklagten Partei "eingewendeten Gegenforderungen von EUR 8.680,46 bestehen nicht zu Recht." Es verurteilte die beklagte Partei daher zur Zahlung von EUR 14.097,22 und wies das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer EUR 24.938,22 jeweils sA ab.

Das Erstgericht vertrat die Ansicht, dass den mit Abschluss der Werkverträge am 19. 11. 1994 und 28. 3. 1995 entstandenen Werklohnforderungen der Gemeinschuldnerin aus den Bauvorhaben Pöchlarn und Rudolfstraße die eingewendeten Gegenforderungen der beklagten Partei bei Konkurseröffnung aufrechenbar gegenübergestanden seien. Am 19. 11. 1994 und 28. 3. 1995 sei auch die Gegenforderung der beklagten Partei aus dem Bauvorhaben Traunpromenade in Ebelsberg nicht verjährt gewesen, weil die Gemeinschuldnerin bis zur Konkurseröffnung laufend Verbesserungsversuche durchgeführt und dadurch ihre Gewährleistungspflicht anerkannt habe. Aus dem Bauvorhaben Pöchlarn habe die beklagte Partei eine Gegenforderung von S 9.600,-- weil die Gemeinschuldnerin zwei Elektromotore nicht geliefert habe. Die Gegenforderung aus der Pönalevereinbarung bestehe aber wegen Verjährung nicht zu Recht.

Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge, nicht hingegen der Berufung der beklagten Partei.

Es änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass es aussprach, die eingeklagte Forderung bestehe mit EUR 33.098,98 zu Recht und mit EUR 5.936,46 nicht zu Recht. Die von der beklagten Partei eingewendeten Gegenforderungen bestünden mit EUR 15.834,80 zu Recht und mit EUR 8.680,46 nicht zu Recht.

Das Berufungsgericht verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von EUR 17.264,18 sA und wies das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer EUR 21.771,26 sA ab. Es sprach aus, die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO sei zulässig.

Das Berufungsgericht führte aus, die beklagte Partei habe im Verfahren erster Instanz eine außergerichtliche Aufrechnung nicht behauptet. Mangels eines Schuldtilgungseinwandes der beklagten Partei erhöhe sich die berechtigte Forderung der klagenden Partei auf S 455.451,92.

Entgegen der Ansicht der klagenden Partei liege aber eine prozessuale Aufrechnungserklärung der beklagten Partei vor. Diese habe bereits in der Klagebeantwortung vorgebracht, über eine nicht verrechnete Gegenforderung in einer den Klagsbetrag überschreitenden Höhe zu verfügen, sie mache die Einrede der Aufrechnung geltend. In der Folge habe sie verdeutlicht, dass sie die in bestimmten von ihr vorgelegten Rechnungen ausgewiesenen Rechnungsbeträge aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung eingewendet habe. Im Umfang von S 261.469,95 sei die Gegenforderung zum Gegenstand von Feststellungen gemacht worden und sei in diesem Umfang auf die prozessuale Aufrechnungseinrede Bedacht zu nehmen, auch wenn die beklagte Partei in ihrer Berufung nicht verlangt habe, dass diese Gegenforderung als zu Recht bestehend festgestellt werden sollten. Dazu habe die beklagte Partei keinen Grund gehabt, weil das Erstgericht die Klagsforderungen im Umfang der Gegenforderung infolge Schuldtilgung für unberechtigt erachtet habe.

Die Aufrechnung mit Forderungen aus den Bauvorhaben Dinghoferstraße und Traunpromenade sei auch nach § 20 KO nicht ausgeschlossen. Die Aufrechnung setze lediglich voraus, dass die Forderungen einander bei Konkurseröffnung aufrechenbar gegenübergestanden seien. Dass die Werklohnforderungen der Gemeinschuldnerin gegen die beklagte Partei vor Konkurseröffnung entstanden seien, habe das Erstgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung angenommen. Auch die Gegenforderungen der beklagten Partei aus den Bauvorhaben Dinghoferstraße und Traunpromenade seien aber bereits vor Konkurseröffnung entstanden. Der auf Ersatz des Verbesserungsaufwandes gerichtete Schadenersatzanspruch des durch Verletzung einer Vertragspflicht Geschädigten entstehe, sobald der betreffende Schaden eingetreten sei. Dies sei vor Konkurseröffnung der Fall gewesen, weil schon im Zeitpunkt der Übernahme der Werke der Schaden im Vermögen der beklagten Partei eingetreten sei.

Die Ansprüche der beklagten Partei aus dem Bauvorhaben Traunpromenade seien auch nicht verjährt. Das Erstgericht habe nämlich im Rahmen der rechtlichen Beurteilung die bereits in der Beweiswürdigung begründete Feststellung nachgetragen, dass die Gemeinschuldnerin bei diesem Bauvorhaben bis zur Konkurseröffnung am 19. 7. 1995 immer wieder Mängelbehebungsversuche durchgeführt habe.

Die Gegenforderungen der beklagten Partei seien allerdings um den auf die Umsatzsteuer entfallenden Betrag von S 43.578,32 auf S 217.891,63 (= EUR 15.834,80) zu reduzieren.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil die Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung mit Gegenforderungen aus Bauvorhaben im Zusammenhang mit Konkursverfahren angesichts der Insolvenzen in der Bauwirtschaft von allgemeiner Bedeutung sei. Da, soweit überschaubar, ein gleichartiger Sachverhalt bisher nicht Gegenstand einer höchstgerichtlichen Entscheidung gewesen sei, seien die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO gegeben.

Die klagende Partei bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes insoweit, als die von der beklagten Partei eingewendete Gegenforderung mit EUR 15.834,80 als zu Recht bestehend festgestellt und insoweit das Klagebegehren abgewiesen wurde; als Revisionsgründe werden unrichtige rechtliche Beurteilung, Mangelhaftigkeit, Nichtigkeit und Aktenwidrigkeit geltend gemacht.

Die beklagte Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der klagenden Partei zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Die Revision ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - nicht zulässig.

Das Berufungsgericht hat in seiner Begründung des Ausspruches über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung aufgezeigt. Selbstverständlich ist die Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung mit Gegenforderungen aus Bauvorhaben von allgemeiner Bedeutung, doch führt der Umstand, dass ein gleichartiger Sachverhalt bisher nicht Gegenstand einer höchstgerichtlichen Rechtsentscheidung war, noch nicht zum Vorliegen einer Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, sofern das Berufungsgericht - wie hier - anstehende Rechtsfragen anhand bestehender Rechtsprechung beantworten konnte.

Aber auch in der Revision der klagenden Partei werden keine erheblichen Rechtsfragen dargetan.

Diese vertritt die Ansicht, es sei durch die beklagte Partei keine wirksame Prozessaufrechnungserklärung erfolgt, weil die Gegenforderungen nicht ausreichend substantiiert behauptet worden seien. Aber selbst wenn man von einer wirksamen prozessualen Aufrechnungserklärung ausgehen sollte, hindere der mangels Bekämpfung durch die beklagte Partei in Rechtskraft erwachsene Ausspruch des Erstgerichtes, wonach die von der beklagten Partei eingewendeten Gegenforderungen nicht zu Recht bestünden, einen diesbezüglichen Zuspruch zu Gunsten der beklagten Partei.

Es seien auch die Voraussetzungen einer Aufrechnung nicht gegeben, weil der der beklagten Partei gegebenenfalls entstandene Aufwand für Fehlersuche und Schadensbehebung jedenfalls erst nach der Konkurseröffnung entstanden sei. Dass die Mängelbehebungsversuche zu einem späteren Zeitpunkt als Anfang August vorgenommen worden seien, habe das Erstgericht nicht festgestellt. Entsprechende Argumente in der rechtlichen Beurteilung könnten nicht als nachträgliche Feststellungen qualifiziert werden.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalles, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042828). Dies gilt auch für die Frage, ob hinreichend substantiiertes Vorbringen für eine prozessuale Gegenforderung erstattet wurde.

Was die Frage der Entscheidung des Erstgerichtes über die Gegenforderungen betrifft, übersieht die klagende Partei in ihrem Rechtsmittel, dass dieses lediglich ausgesprochen hat, dass die Gegenforderung von EUR 8.680,46 nicht zu Recht bestehe, das ist die Gegenforderung, aus der Pönalevereinbarung (s S 26 f der Ausfertigungen des Ersturteiles). Dass diese Gegenforderung nicht zu Recht bestehe, hat auch das Berufungsgericht ausgesprochen. Auch insoweit liegt daher keine erhebliche Rechtsfrage vor.

Hinsichtlich der Aufrechnung mit Gegenforderungen entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass der an der nicht fachgerechten Herstellung eines Bauwerkes durch einen Werkunternehmer behauptete Schaden schon im Zeitpunkt der Übernahme des Werkes eintritt (ecolex 1999, 257; RdW 2001, 145). In der schon vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung ecolex 1994, 677 wurde dargelegt, dass der Werkbesteller gegen die vor Konkurseröffnung begründete Werklohnforderung des Gemeinschuldners mit Ersatzforderungen aus Schäden aufrechnen kann, die ihm wegen mangelhafter Erfüllung vor Konkurseröffnung entstanden sind, wobei es auf die Fälligkeit der Forderungen in beiden Richtungen nicht ankommt. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes entspricht insoweit der Rechtsprechung, weshalb die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind.

Ob in der rechtlichen Beurteilung des Ersturteils bestimmte Feststellungen enthalten sind, ist wiederum eine Frage des Einzelfalles, die die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht erfüllt.

Das Rechtsmittel der klagenden Partei war deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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