OGH 4Ob136/03h

OGH4Ob136/03h24.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Heinz Knoflach MAS und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch Giger, Ruggenthaler & Simon, Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 70.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 1. April 2003, GZ 4 R 50/03g-9, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass die angefochtene Entscheidung der (älteren) Rechtsprechung widerspreche. Danach komme es für das Vorliegen eines Scheinentgelts allein darauf an, ob der Anbieter das Entgelt für die Nebenware ordnungsgemäß kalkuliert habe. Die jüngere Rechtsprechung stelle hingegen auf den Eindruck des Verkehrs ab.

Die Klägerin verweist auf zahlreiche Entscheidungen, in denen der Oberste Gerichtshof ausgesprochen hat, dass die reale Kalkulation des Anbieters und nicht der Eindruck des Verkehrs entscheidet, ob ein - einen Zugabenverstoß begründendes - Scheinentgelt vorliegt. Dieser Rechtssatz findet sich jedoch immer im Zusammenhang mit dem Hinweis darauf, dass ein "echter" Preis nicht schon dann ausgeschlossen ist, wenn das "Entgelt im Einzelfall unter dem üblichen Endverbraucherpreis liegt, ja vielleicht sogar nicht einmal die Anschaffungskosten deckt"; "erst ein krasses Missverhältnis zwischen dem objektiven Wert der Nebenware (Nebenleistung) und dem für sie geforderten 'Entgelt' begründet in der Regel die (widerlegbare) Vermutung einer nicht ernst gemeinten, nur zur Verschleierung der Unentgeltlichkeit geforderten 'Scheinvergütung'" (4 Ob 317/84 = ÖBl 1984, 68 - Club X-Zeitung-Sonderangebot; 4 Ob 314/87 = ÖBl 1987, 132 - Maria-Theresien-Luster; 4 Ob 334/97i = wbl 1998/143 - Jahresabonnement-Kombiangebot; ähnlich auch 4 Ob 74/01p = ÖBl 2002/35 - Autobahnvignetten II).

Mit dem Hinweis auf die Kalkulation des Werbenden wird demnach klargestellt, dass ein Scheinpreis nicht schon dann vorliegt, wenn der Preis der Nebenware unter dem Normalpreis oder sogar unter dem Einstandspreis liegt. Voraussetzung ist immer, dass das Entgelt entweder absolut geringfügig ist oder dass ein krasses Missverhältnis zum objektiven Wert der Nebenware besteht (4 Ob 58/02m = ÖBl 2002/36 [Reitböck] - Autobahnvignetten III; 4 Ob 94/03g).

In diesem Sinn wertet die Entscheidung 4 Ob 95/02b (= MR 2002, 242 - Autobahnvignetten IV) den in einem Kombinationsangebot auf die Autobahnvignette entfallenden Preis von 12 S (= 0,87 EUR) als Scheinpreis. Ob für die Vignette ein Entgelt von 12 S zu entrichten ist, bestimmt sich naturgemäß nach dem Gesamteindruck, den das Kombinationsangebot erweckt. Wenn die Entscheidung 4 Ob 95/02b daher auf den Eindruck des Verkehrs abstellt, liegt darin kein Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung, wonach (letztlich) die Kalkulation des Werbenden darüber entscheidet, ob ein Scheinentgelt vorliegt, weil selbst ein objektiv niedriger Preis der Nebenware ordnungsgemäß kalkuliert sein kann.

Stichworte