OGH 15Os145/02

OGH15Os145/0212.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Juni 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Burtscher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Raymond B***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Volker Sch***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6. Juni 2002, GZ 7a Vr 5618/00-207, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil das auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Angeklagten Raymond B***** enthält wurde Volker Sch***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in der Zeit von 15. Jänner 1996 bis 18. August 1997 in Wien und anderen Orten im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Raymond B***** und mehreren anderen Mittätern elf verschiedene im Ersturteil genannte Personen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung solcher Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, durch Vortäuschung, im Rahmen der Gesellschaft European Enterprises Consultants C.V. würden hoch verzinste und sichere Veranlagungen durch den Erwerb von stimmberechtigten Aktien der European Enterprises Holding Corporation angeboten, zu Zahlung von insgesamt 10.618.024 S (entsprechend 771.641,90 Euro) verleitet, wodurch diese oder Dritte in einem insgesamt 40.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurden.

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 9 lit a und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sch*****; sie schlägt fehl.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge nach Z 3 behauptet einen nichtigkeitsbegründenden Verstoß gegen § 240 a StPO, weil die Schöffen in der im Jahr 2002 gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung nicht beeidigt worden seien. Wie sich aus der vom Obersten Gerichtshof dazu beim Erstgericht eingeholten Aufklärung (ON 227) ergibt, wurde die Schöffin Z***** ordnungsgemäß, nämlich am 21. Februar 2002 im Verfahren 051 Hv 20008/01x des Landesgerichts für Strafsachen Wien beeidigt, der Schöffe W***** hingegen (nur) in der Hauptverhandlung vom 27. August 2001 im gegenständlichen Verfahren. Wenngleich in einer in einem anderen Kalenderjahr gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten Verhandlung auch die Beeidigung zu wiederholen ist, somit die Unterlassung der neuerlichen Beeidigung des Schöffen W***** im Jahr 2002 gegen § 240 a StPO verstößt, ist in Hinblick auf die Neudurchführung nur knapp sechs Monate nach der Beeidigung unzweifelhaft erkennbar, dass die Formverletzung keinen auf den Angeklagten nachteiligen Einfluss iSd § 281 Abs 3 StPO üben konnte, sodass der behauptete Nichtigkeitsgrund nicht erfolgreich geltend gemacht werden kann (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 257).

Die Verfahrensrüge nach Z 4 bemängelt zunächst die Abweisung des Antrags auf Vernehmung der Zeugen El Van G*****, Erik W***** und Dr.A.W.J.A***** (ersichtlich gemeint: Louis van G*****, Eric W***** und Dr. A.W.J. A*****). Diese Zeugen wurden zum Beweis dafür beantragt, 1) dass es sich nicht um Scheinfirmen gehandelt habe, sondern tatsächlich gewirtschaftet worden sei und Aufbauarbeiten für einen europa-amerikanischen Lottobetrieb geleistet worden seien; 2) dass die vorliegenden Testate den holländischen steuerrechtlichen Normen und Bilanzierungsvorschriften entsprechen und tatsächlich Vorabeiten für einen Börsengang geleistet worden seien; 3) dass es sich bei der Saldenliste, ausgedruckt 1999, um einen Vorentwurf der Saldenliste 1996 gehandelt habe; schließlich, 4) dass das vorliegende Sachverständigengutachten auf unvollständigen, im Zeitpunkt der Bilanzerstellung vollständig vorhanden gewesenen Belegen beruhte und daher die gezogenen Schlussfolgerungen, wenn alle Unterlagen berücksichtigt würden, jene seien, die im Schreiben der Firma O***** dargestellt sind.

Der Beschwerde zuwider durfte das Schöffengericht diesen Antrag ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten abweisen.

Zu 1) wäre in Hinblick auf die durch Unterlagen belegten Ausführungen des Sachverständigen Dr. K*****, denen zufolge die begehrten Zeugen keine inhaltliche Prüfung vorgenommen haben (S 275, 277, 279, 283, 285, 313, 315/je V iVm Beilagen 28 und 59 jeweils im Gutachten ON 192) schon bei Antragstellung darzutun gewesen, warum die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete (gegenteilige) Ergebnis erwarten lasse. Der in dieser Hinsicht substratlose Antrag zielte soweit auf einen bloßen Erkundungsbeweis ab (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330; Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 19 ff, insb 19cc). Zu 2) und 3) ist dem Antrag nicht zu entnehmen, inwieweit das behauptete (keinesfalls augenfällig erhebliche) Beweisergebnis für die Schuld- oder Subsumtionsfrage von Bedeutung sei (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 332). Zu 4) stehen die im angeführten Schreiben gezogenen Schlussfolgerungen der Wirtschaftsprüfer (s insb S 335 erster Abs/V) jenen des Sachverständigengutachtens nicht entgegen, zumal darin wiederum weder eine inhaltliche Prüfung behauptet wird, noch Anhaltspunkte für Aktivitäten in den USA geboten werden. Welche eine Besserstellung des Angeklagten bewirkende Relevanz den begehrten Schlussfolgerungen der "Firma O*****" daher zukommen könnte, ist weder dem Beweisantrag noch der Beschwerde zu entnehmen.

Der Rüge zuwider hat das Schöffengericht auch die Anträge des Verteidigers auf Vernehmung der Staatsanwältin B***** der Staatsanwaltschaft Berlin und auf Beischaffung (ersichtlich gemeint: und Verlesung) des Aktes 22 Js 475034/98 jener Behörde, beides zum Beweis dafür, dass über die idente Tat, die auch Gegenstand dieses Strafverfahrens sei, ein über vier Jahre dauerndes Ermittlungsverfahren in Deutschland durchgeführt worden sei, das mit einer rechtskräftigen Einstellungsentscheidung geendet habe, im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Denn angesichts des in der Hauptverhandlung verlesenen Aktenvermerks ON 185, demzufolge das Berliner Verfahren bereits am 7. Dezember 1995 vorläufig und Anfang 1999 nach einer Wiederaufnahme ohne weitere Ermittlungen endgültig eingestellt worden ist, und des Umstands, dass die hier gegenständlichen Taten zwischen 15. Jänner 1996 und 18. August 1997 datieren (vgl dazu auch ON 97 im verlesenen Beiakt 1 c Vr 3117/98 des Landesgerichts für Strafsachen Wien), wäre der Antragsteller auch hier verpflichtet gewesen, darzutun, warum die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis (identer Taten) erwarten lasse. Der in dieser Hinsicht substratlose Antrag zielte somit erneut auf einen bloßen Erkundungsbeweis ab (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

Schließlich kommt der Verfahrensrüge auch hinsichtlich der Abweisung des Antrags auf Vernehmung der Zeugin Joylyn H***** keine Berechtigung zu. Die Zeugin wurde unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 30. April 1999 (S 129/V) zum Beweis dafür beantragt, dass die Firma EEH in den Jahren 1996 und 1997 in Reno/Nevada eine Geschäftstätigkeit entfaltet und einen Lotteriebetrieb aufgebaut habe und es zur Beendigung dieser Arbeiten nur deshalb nicht gekommen sei, weil in der Folge eine Gesetzesänderung die Umsetzung des Vorhabens nicht zugelassen habe. Dem zuwider ist im angeführten Schreiben der Zeugin von einer bereits 1991 (also lange vor den gegenständlichen Taten) erfolgten Gesetzesänderung die Rede (s auch S 131/V) und es liegen Verfahrensergebnisse einschließlich der Verantwortung des Angeklagten dafür vor, dass die Durchführung des Lotteriebetriebs bereits aus verschiedenen anderen Gründen scheiterte (s US 13 f). Bei dieser Sachlage hätte der Antrag wiederum darlegen müsse, warum ungeachtet dessen das angestrebte Beweisergebnis zu erwarten sei (erneut Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

Soweit die Beschwerde von den Beweisanträgen abweichendes und diese ergänzendes Vorbringen erstattet, argumentiert sie nicht prozessordnungsgemäß (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

Insofern im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite behauptet werden, wird auf die Erledigung zur Rechtsrüge nach Z 9 lit a verwiesen. Ob der Beschwerdeführer über jede einzelne Täuschungshandlung seiner Mitarbeiter ihm Rahmen des von ihm geleiteten (US 8) Projekts mit insgesamt betrügerischer Zielsetzung (US 15) konkret Bescheid wusste, betrifft in Hinblick auf § 12 StGB keine für die Schuldfrage oder den anzuwendenden Strafsatz entscheidende Tatsache (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399).

Der Mängelrüge zuwider bedurften die "zu Gunsten des Angeklagten" getroffenen beweiswürdigenden Schlussfolgerungen des Landesgerichts Berlin zur subjektiven Tatseite keiner Erörterung. Denn über Berichte sinnlich Wahrgenommenens hinausgehende bloße Wertungen sind aus Sicht der Z 5 nur dann beachtlich, wenn sie von einem durch das Gericht mit einer Gutachtenserstattung betrauten Sachverständigen stammen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 435).

Einer Erörterung des Schreibens der amerikanischen Rechtsanwältin Joylyn Harmer bedurfte es schon deshalb nicht, weil das Schöffengericht mit denkmöglich auf die finanzielle Gebarung gestützter (US 13) zulässiger Begründung davon ausgegangen ist, dass eine Veranlagung der lukrierten Gelder der Anleger in ein allfälliges Lottoprojekt in den USA vom Angeklagten nicht beabsichtigt war (US 15). Demgemäß kommt der Frage, ob das Zustandekommen desselben ernsthaft betrieben wurde oder ob allfällige weitere Gründe für dessen Scheitern vorliegen, keine Bedeutung zu.

Keinen entscheidenden Umstand betrifft auch die Frage, ob der Angeklagte bei der Neugründung der EEH in Nevada formell aufschien oder nicht; wobei das Erstgericht im Übrigen dazu mit der Formulierung "ließ neu eintragen" (US 9) eben gerade nicht konstatierte, dass er selbst als Gründer aufgetreten sei, somit keine den Verfahrensergebnissen zuwiderlaufende (s dazu vor allem die Verantwortung des Angeklagten S 97/V: "Wir haben gegründet ...") Feststellung traf. Keiner besonderen Begründung bedurfte die nicht einmal vom Angeklagten selbst in Abrede gestellte (s S 97/V), somit unstrittige Urheberschaft am Emissionsprospekt. Ob es sich dabei um einen "Hochglanzemissionprospekt" (US 10) oder zwei Prospekte, von denen der erste auf den zweiten verwies (ON 193 Beilagen 94 ff und 203 ff), gehandelt hat, ist in diesem Zusammenhang ersichtlich bedeutungslos.

Mit der Behauptung, aus den Prospekten ergebe sich keine Vortäuschung "hochverzinster und sicherer Anlagen", bekämpft die Mängelrüge in unzulässiger Weise die aufgrund des Textes der Prospekte (s vor allem S 237/V) ohne Verstoß gegen die Grundsätze der Logik und empirische Erkenntnisse getroffene tatrichterliche Beweiswürdigung, der zufolge die Risikobelehrung lediglich zum Schein (ersichtlich gemeint: zur Vortäuschung besonderer Seriosität des Projekts) vorgenommen worden ist (US 10).

Wie bereits oben ausgeführt, bedurfte die bloße Wertung der Staatsanwaltschaft Berlin, der zufolge dem Angeklagten kein Betrugsvorsatz nachweisbar sei, keiner beweiswürdigenden Erörterung. Die Nichterörterung der Rechtsfrage des Art 54 SDÜ wiederum stellt keine Nichtigkeit nach Z 5 dar (vgl Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 129 ff).

Dem pauschalen Vorbringen, das Erstgericht habe sich mit einer schriftlichen zusammenhängenden Darstellung des Angeklagten nicht auseinandergesetzt, fehlt es mangels konkreter inhaltlicher Bezeichnung angeblich exkulpierender Aussageteile an einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.

Dass in der Bilanz der EEH ein Darlehen des Beschwerdeführers als Fremdkapital ausgewiesen ist, bedurfte keiner Erörterung, weil diesem Umstand aus Sicht der Gesamtheit der vorliegenden Beweisergebnisse keine Eignung zukam, die Einschätzung der Tatrichter zur subjektiven Tatseite entscheidend zu verändern (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 409).

Mit der Behauptung, dem Ersturteil mangle es an Feststellungen über Täuschungshandlungen des Beschwerdeführers gegenüber den konkret Geschädigten, vernachlässigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) die Konstatierungen über das (bereits vor den gegenständlichen Taten und sodann unverändert weiter) von Volker Sch***** initiierte und geleitete (US 8, 9) arbeitsteilige Zusammenwirken (US 3) desselben mit dem Angeklagten Raymond B***** und weiteren Mittätern, im Rahmen dessen den Opfern in Kenntnis des auch zukünftigen Scheiterns des Projekts (US 9) durch im Urteil näher beschriebene falsche Versprechungen und nicht eingehaltene Zusagen vorgetäuscht wurde, Aktien einer seriösen Gesellschaft zu kaufen, deren Ziel der Betrieb eines Lottospiels sei, während es den Angeklagten tatsächlich aber darauf ankam, das so erbeutete Kapital zu ihrer luxuriösen Lebensführung zu verwenden (US 15). Weshalb zur Verwirklichung des Betruges zusätzlich persönliche Täuschungshandlungen des Angeklagten gegenüber den im Schuldspruch angeführten Geschädigten erforderlich sein sollten, vermag die § 12 StGB außer Acht lassende Beschwerde nicht darzutun, sodass sie den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht deutlich und bestimmt bezeichnet.

Die Rechtsrüge nach Z 9 lit b ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie mit der Behauptung, die Einstellung des Verfahrens in Deutschland hätte eine "idente Tat zum Gegenstand" gehabt wie der nunmehrige Schuldspruch, die gegenteiligen Urteilsfeststellungen vernachlässigt, denen zufolge die vom Schuldspruch umfassten Taten zwischen 15. Jänner 1996 und 18. August 1997 begangen wurden, das deutsche Verfahren jedoch bereits am 7. Dezember 1995 vorläufig und dann Anfang 1999 ohne zwischenzeitige weitere Ermittlungen endgültig eingestellt worden ist (US 16), sodass schon aus zeitlichen Gründen eine Identität der Taten denkunmöglich ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt.

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