OGH 1Ob40/03v

OGH1Ob40/03v27.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1., Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Dr. Christian Preschitz und Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwälte in Wien, wegen 1,453.456,68 EUR sA infolge ordentlicher Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse 181.682,09 EUR sA) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse 1,271.774,60 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Oktober 2002, GZ 11 R 106/02t-42, womit infolge Berufung beider Streitteile das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 18. März 2002, GZ 23 Cg 205/99g-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

A. Der Revision der klagenden Partei wird nicht, jener der beklagten Partei teilweise nicht Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden im Ausspruch über die Abweisung eines Teils des Klagebegehrens von 181.682,09 EUR sA und im Zuspruch eines Teils des Klagebegehrens von 72.672,83 EUR samt 4 % Zinsen seit 21. Jänner 1999 als Teilurteil bestätigt.

B. Im Übrigen wird der Revision der beklagten Partei Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden - mit Ausnahme der unter A. bestätigten Aussprüche - samt den Kostenentscheidungen aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist Vertragsstaat des - in Österreich am 20. 3. 1978 in Kraft getretenen - Zollabkommens über den internationalen Warentransport mit Carnets TIR vom 14. 11. 1975 (BGBl 1978/112 idgF - im Folgenden TIR). Die beklagte Partei war aufgrund des Bürgschaftsvertrags der Streitteile vom 3. 4. 1978 von 1978 bis 1999 bürgender Verband nach § 6 Abs 1 TIR. Dieser Vertrag hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"§ 1

Der unterfertigte ... (Verband - die beklagte Partei) ... übernimmt als Bürge und Zahler gemäß § 1357 ABGB auf unbestimmte Zeit die Haftung für alle Forderungen der Republik Österreich, die zu ihren Gunsten an Eingangsabgaben, Ersatzforderungen für entgangene Eingangsabgaben, Gebühren, Zinsen und Säumniszuschlägen gegen Beförderungsunternehmen als Carnet-TIR-Inhaber und gegen die an der Durchführung des TIR-Transports beteiligten Personen entstehen.

Für den Beginn, den Umfang und die Beendigung der Haftung gelten die Bestimmungen der eingangs genannten Zollabkommen (Anm: TIR-Abkommen). Soweit in diesen Zollabkommen nichts anderes bestimmt ist, finden die diesbezüglichen österreichischen Rechtsvorschriften Anwendung.

§ 2

Die Haftung erstreckt sich auf die im § 1 genannten Abgaben, welche auf Waren lasten, die unter Verwendung eines ... (von der beklagten Partei) ... oder von einem mit ... (ihr) ... einer internationalen Organisation angehörenden ausländischen Verband ausgegebenen Carnet-TIR in das österreichische Zollgebiet eingeführt, aus diesem ausgeführt oder durch dieses durchgeführt werden.

§ 3

Die Haftung erstreckt sich auf jedes Carnet-TIR bis zu einem Betrag von 500.000 S ( ... in Worten ...).

§ 5

Der Bürge verpflichtet sich, die vorgeschriebenen Haftungsbeträge binnen drei Monaten nach dem Tage der Zahlungsaufforderung durch ein Zollamt oder Finanzamt zu entrichten. ...".

Beim Carnet TIR-Verfahren stellt ein nationaler bürgender Verband dem Transportunternehmen das Carnet TIR aus. Im Rahmen des TIR-Verfahrens wird das Frachtgut beim Abgangszollamt kontrolliert und das Transportmittel verplombt. Dieses Zollamt nimmt das Carnet TIR durch die Anbringung eines Stempels an. Damit wird die Übereinstimmung der im Carnet TIR angeführten Waren mit den geladenen bestätigt. Bei jedem Durchgangszollamt, bei dem der TIR-Transport danach aus- und einreist, verbleibt ein Abschnitt des Carnet TIR. Damit wird die augenscheinliche Wahrnehmung von Zollbeamten dokumentiert, dass der verplombte TIR-Transport ein Staatsgebiet verließ und in ein anderes Staatsgebiet einreiste. Ein Doppel dieses Abschnitts wird an das mit dem TIR-Transport zuvor befasste Zollamt zum Nachweis des Weitertransports geschickt. Der TIR-Transport endet beim Bestimmungszollamt. Nach Öffnung der Plombe kontrollieren Zollbeamte, ob die geladenen Waren mit den im Carnet TIR ausgewiesenen übereinstimmen. Je nach dem Ergebnis dieser Kontrolle wird das TIR-Verfahren vorbehaltlos oder unter Vorbehalt erledigt.

Zur Bekämpfung des internationalen Zigarettenschmuggels betreibt der Fahndungsdienst des Hauptzollamts Feldkirch Marktforschung und erstellt Marktforschungsanalysen über den gesamteuropäischen Zigarettenmarkt auch im Auftrag des europäischen Amts für Betrugsbekämpfung bei der Europäischen Kommission (OLAF). Diese Analysen ließen Anfang 1997 den Verdacht aufkeimen, dass aus Rumänien im großen Stil Zigaretten in das Zollgebiet der Europäischen Union (EU) geschmuggelt werden. Deshalb wurden mittels Stichproben die bei den Zollämtern Nickelsdorf und Schachendorf befindlichen Allongen von Carnets TIR geprüft. Dabei fiel eine rumänische Spedition besonders auf. Im Rahmen der Nachforschungen des OLAF wurde sodann in Zusammenarbeit mit den rumänischen Behörden ermittelt, dass einige der Carnets TIR, zu denen die bei den Zollämtern Nickelsdorf und Schachendorf aufliegenden Allongen gehörten, dem rumänischen Abgangszollamt niemals vorgelegt worden waren. Aufgrund der Fahrzeugkennzeichen war nachvollziehbar, dass die LKW in Rumänien unter Aufsicht der rumänischen Zollbehörde legal mit Zigaretten beladen und von Zollbeamten bis zur Staatsgrenze eskortiert worden waren. Damit sollte sichergestellt werden, dass das Frachtgut Rumänien verließ und nicht auf dem rumänischen Schwarzmarkt landete. Den LKW-Lenkern waren jedoch zuvor Carnets TIR "mit gefälschten bzw nicht amtskonform angebrachten Annahme- und Ausgangsstempeln des rumänischen Zolls übergeben" worden. Sie waren angewiesen, diese Carnets TIR bei der Einreise nach Ungarn erstmals der ungarischen Zollbehörde vorzulegen. Dieser Sachverhalt bezog sich auf insgesamt 35 Fakten. Dabei handelte es sich um Transporte aus Rumänien über Ungarn und Österreich nach Italien, Spanien oder in die Schweiz. Involviert waren das rumänische Speditions- sowie ein liechtensteinisches und ein deutsches Transportunternehmen.

Mit Schreiben vom 25. 3. 1997 und 1. 9. 1997 informierte das Hauptzollamt Feldkirch die beklagte Partei wie folgt:

Schreiben vom 25. 3. 1997 (das deutsche Transportunternehmen betreffend):

"Betreff: Mitteilung über die betrügerische Erwirkung von Erledigungsbescheinigungen im Carnet-TIR-Verfahren.

...

Das gefertigte Zollamt teilt Ihnen als zuständigem bürgenden Verband im Sinne des Art 11 Abs 1 des TIR-Übereinkommens innerhalb der offenen 2-jährigen Frist mit, dass die Erledigungsbescheinigungen nachstehender Carnets TIR nachweislich durch gefälschte Zollstempel des Zollamtes Milano/Italien betrügerisch erwirkt worden sind:

15739169,

15739381.

Die Aufforderung zur Entrichtung der im Artikel 8 Abs 1 und 2 genannten Beträge wird innerhalb der im Artikel 11 Abs 2 des zitierten Übereinkommens angeführten Fristen seinerzeit an Sie gerichtet werden.

Da für das weitere Verfahren das Vorliegen der Originalhefte der obgenannten Carnet TIR erforderlich ist, werden Sie ersucht, diese der gefertigten Behörde ehestens zu übermitteln. Der guten Ordnung halber wird für den Eingang der betreffenden Original-Carnet-TIR hier der 15. April 1997 vorgemerkt."

Schreiben vom 1. 9. 1997 (das rumänische und das liechtensteinische Transportunternehmen betreffend):

"Betreff: Mitteilung über die betrügerische Erwirkung von Erledigungsbescheinigungen im Carnet-TIR-Verfahren.

...

Das gefertigte Zollamt teilt Ihnen als zuständigem bürgenden Verband im Sinne des Art 11 Abs 1 des TIR-Übereinkommens innerhalb der offenen 2-jährigen Frist mit, dass die Erledigungsbescheinigungen nachstehender Carnets TIR nachweislich durch gefälschte Zollstempel der Zollämter Genf/Ch, Basel-Freilager/CH, Irun/E und Milano/I betrügerisch erwirkt worden sind:

... (Aufzählung von 33 Carnet TIR Nr.) ....

Sämtliche umseitigen 33 Carnets TIR wurden im Jahre 1996 von den österreichischen Zollbehörden angenommen.

Die Aufforderung zur Entrichtung der im Artikel 8 Abs 1 und 2 genannten Beträge wird innerhalb der im Artikel 11 Abs 2 des zitierten Übereinkommens angeführten Fristen seinerzeit an Sie gerichtet werden."

Auf das Schreiben vom 1. 9. 1997 reagierte die beklagte Partei am 8. 9. 1997 u. a. mit folgender Mitteilung:

"Unter der im Betreff genannten Zahl haben Sie uns eine Liste mit Nummern übermittelt. Sie behaupten, dass es sich um Nummern von Carnets TIR handelt, die im Jahr 1996 von der österreichischen Zollbehörde angenommen worden sind. Es fehlt dazu zu allen Details Ihrer Behauptung jeglicher Nachweis.

Im Betreff Ihres Schreibens führen Sie an, dass es sich um eine Mitteilung gemäß Art 11 Abs 1 des TIR-Übereinkommens handelt.

Bei allen Bemühungen um eine gute Zusammenarbeit mit der Zollbehörde, sind wir gezwungen, Ihnen mitzuteilen, dass wir Ihr Schreiben nicht als Mitteilung im Sinne des TIR Abkommens anerkennen können, da Ihr Schreiben nicht den Erfordernissen für eine Mitteilung gemäß Art 11 Abs 1 TIR Abkommen entspricht. Es fehlen sowohl Nachweise, dass überhaupt ein Versandverfahren unter der Garantie eines Carnets TIR von einer österreichischen Zollstelle angenommen worden ist, als auch Nachweise über das Datum der Annahme, auf das sich die Behauptung, dass die Mitteilung fristgerecht erfolgt ist, stützen müsste. Eine pauschale Angabe zu 33 in einer Liste angeführten Carnets TIR Nummern, dass diese 'im Jahre 1996 von den (?) österreichischen Zollbehörden', angenommen worden sind, ohne dass diesbezügliche Unterlagen für jedes Carnet TIR vorgelegt werden, ist mit Sicherheit unzureichend.

Darüber hinaus ist es notwendig, dass auch bezüglich der Behauptung, die Erledigungsbescheinigungen seien durch gefälschte Zollstempel erwirkt worden, Gründe angegeben werden, wie Sie zu dieser Behauptung kommen. Gleichzeitig ist es dann auch erforderlich, entsprechende Unterlagen, inklusive Expertisen über die Fälschungen vorzulegen.

... (Empfehlung) ...

... (Aufzählung der Angaben und Beilagen, die "für jedes Versandverfahren" nach Art 11 Abs 1 TIR-Abkommen "gesondert notwendig" sein sollen) ...

... (Erläuterungen) ... ."

Auch bei der Inanspruchnahme der Zweijahresfrist für eine Mitteilung über betrügerisch erwirkte Erledigungen muss der ... (bürgende Verband) ... daher die entsprechenden Angaben und Nachweise verlangen. Ob ein Frist von zwei Jahren für die Notifikation überhaupt geltend gemacht werden kann und daher auch Informationen und Nachweise bezüglich betrügerisch erwirkter Erledigung notwendig sind, können wir nicht beurteilen, weil uns nicht bekannt ist, wann jedes einzelne Carnet TIR von einer österreichischen Zollstelle angenommen worden ist.

... (Empfehlung) ... ."

Dazu nahm das Hauptzollamt Feldkirch am 12. 9. 1997 u. a. in nachstehender Weise Stellung:

Zu Ihrem obigen Antwortschreiben hält das gefertigte Zollamt zunächst ganz entschieden fest, dass es Ihnen nicht aus irgendeinem fadenscheinigen Grund, sondern wohlbegründet 33 Carnet TIR Nummern vorschriftsmäßig bekanntgegeben hat, hinsichtlich welcher Sendungen betrügerisch erwirkte Erledigungen nachweisbar vorliegen. ...

Das Zollamt wollte Ihnen vorab einmal den Umfang der nachweislich betrügerisch erwirkten Erledigungen von Carnets TIR in bester Absicht mitteilen, damit Sie einmal hievon Kenntnis erlangen und weiters sogleich entsprechende Veranlassungen im Innenverhältnis treffen können. Dass Ihnen noch die notwendigen Nachweise zu liefern sein werden, war dem Zollamt klar. ...

Das Zollamt lädt Sie dringend ein, eine x-beliebige Carnet-Nummer der von hier gemeldeten 33 Carnets TIR herauszunehmen und den Carnet-Inhaber aufzufordern, Ihnen hinsichtlich der mit diesem Carnet TIR beförderten Waren die Zollstelle und den Tag der dort erfolgten Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr nachzuweisen. ...

Hiezu wird Ihnen bekanntgegeben, dass hinsichtlich dieser 33 Carnet TIR-Beförderungen beim Landesgericht Eisenstadt Strafverfahren wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Schmuggels von Zigaretten seit Sommer 1997 anhängig sind. ...

... ."

Am 15. 10. 1998 richtete das Hauptzollamt Feldkirch Zahlungsaufforderungen nach Art 11 Abs 2 TIR an die beklagte Partei. Sie betrafen die auf das rumänische, das liechtensteinische und das deutsche Transportunternehmen bezogenen Faktenblöcke.

Bereits am 1. 10. 1997 war der Geschäftsführer und Verwaltungsrat des liechtensteinischen Transportunternehmens strafgerichtlich schuldig erkannt worden, bestimmten Kraftfahrern Fahraufträge erteilt und sie dazu bestimmt zu haben, unterschiedliche Mengen an Zigaretten verschiedener Marken vorschriftswidrig in das Zollgebiet Österreichs bzw das der EU einzuführen. Die betroffenen Kraftfahrer wurden strafgerichtlich gesondert verurteilt. Sie hatten von Februar bis April 1996 bei mehreren Fahrten mit mehreren LKW insgesamt 5701 Mastercases Zigaretten illegal in das österreichische Zollgebiet gebracht. Die Ware war in Bukarest geladen sowie über Ungarn und Österreich nach Italien gebracht worden. Die Fahrzeuge wurden auf Parkplätzen in der Nähe von Mailand samt dem Frachtgut Unbekannten übergeben. Die Transporte begleiteten Carnets TIR, in denen als Frachtgut nicht Zigaretten, sondern Salz- und Pfefferstreuer und Glaswaren ausgewiesen waren. Dem österreichischen Eingangszollamt Schachendorf wurde auf diese Weise das wahre Frachtgut verheimlicht. Die bei diesem Zollamt vorgelegten Carnets TIR hätten samt den beladenen LKW dem Zollamt Milano gestellt werden müssen. Das unterblieb. Anstelle dessen wurden die Zollpapiere mit einem "falschen" Stempel des italienischen Zollamts erledigt. Die auf den Carnets TIR "mit 21. 2. sowie mit 4. und 8. 3. 1996 datierten Enderledigungen des Zollamts in Mailand wurden missbräuchlich erwirkt". Kraft dieser fingierten Enderledigungen wurde das Frachtgut (Zigaretten) im Zollgebiet der EU illegal in den freien Verkehr gebracht. Gegen die strafgerichtlich verurteilten Personen ergingen Bescheide des Hauptzollamts Feldkirch über die "Zollschuld". Die "bescheidmäßig vorgeschriebenen Zollschulden blieben uneinbringlich"

Mit den LKW eines deutschen Transportunternehmers, der vom TIR-Verfahren ausgeschlossen war, aber die Carnets TIR eines anderen Unternehmens "quasi erschlichen hatte", wurden am 6. und 7. 5. 1996 insgesamt 1860 Mastercases Zigaretten vorschriftswidrig in das österreichische Zollgebiet eingeführt. Das Frachtgut war als "Keramikwaren bzw Salz- und Pfefferfässchen deklariert". Die auf diesen beiden Carnets TIR mit 7. und 8. 5. 1996 datierten "Enderledigungen des Zollamts Mailand" wurden missbräuchlich erwirkt. Diesen Sachverhalt, dessentwegen in der Bundesrepublik Deutschland gegen drei Personen gerichtliche Strafverfahren anhängig sind, betrifft das oben wiedergegebene Schreiben des Hauptzollamts Feldkirch vom 25. 3. 1997. Der deutsche Transportunternehmer "wurde mit Bescheid des Hauptzollamts Feldkirch vom 9. 6. 1997 ... als Zollschuldner abgabenrechtlich in Haftung genommen, dies jedoch ohne Erfolg".

Mit LKW des rumänischen Transportunternehmens wurden vom 18. 4. bis 8. 11. 1996 in 27 Fuhren insgesamt 27.133 Mastercases Zigaretten illegal in das österreichische Zollgebiet eingeführt. Auf den von den Kraftfahrern den österreichischen Zollbehörden vorgelegten Carnets TIR schienen Glas- und Keramikwaren sowie Gipsdekorationen als Frachtgut auf. Die Carnets TIR wurden - zur Vortäuschung einer "ordnungsgemäßen Erledigung" - mit gefälschten Erledigungsvermerken des Zollamts Mailand, der spanischen Zollstelle Aduanas Espana Irún-Zaisa und den schweizerischen Zollstellen Basel Freilager und Geneve Port France versehen. Diese Fakten bilden den Gegenstand eines beim Landesgericht Eisenstadt gegen drei Personen anhängigen Strafverfahrens. Mit Bescheid des Hauptzollamts Feldkirch vom 15. 5. 1998 wurde eine dieser Personen, der Generaldirektor eines Unternehmens in Delaware USA, mit "einem Gesamtbetrag von 508,767.891 S abgabenrechtlich in die Haftung als Zollschuldner genommen". Die bescheidmäßig vorgeschriebene Zollschuld blieb uneinbringlich. Sie gründet sich u. a. auch auf die missbräuchliche Verwendung von Carnets TIR im Rahmen der erwähnten 27 Fakten.

In vier - hier relevanten - Fällen waren Carnets TIR auf ein tschechisches Transportunternehmen ausgestellt worden. Dieses hatte sie an eine Person weitergegeben, die mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 23. 7. 1998 schuldig gesprochen wurde, tschechische Kraftfahrer "zu mehreren Schmuggelfahrten" mit Carnets TIR am 5. , 14. und 18. 8. 1997 sowie am 1. 9. 1997 bestimmt zu haben. Als Frachtgut waren Tapeten deklariert. Es wurden jedoch insgesamt 4097 Mastercases Zigaretten von Bulgarien über Ungarn und Österreich illegal in Portugal eingeführt. Einer der Kraftfahrer wurde vom Landesgericht Wels mit Urteil vom 10. 9. 1998 wegen der Fahrt vom 5. 8. 1997 mit 52.500 Stangen Zigaretten verurteilt. Das betroffene Fahrzeug war in der "früheren jugoslawischen Republik Mazedonien" zu einem Drittel mit Tapeten und zu zwei Dritteln mit Zigaretten beladen worden. Mit diesem Frachtgut fuhr der Kraftfahrer zunächst nach Bulgarien, wo er das Carnet TIR erhielt. Von dort fuhr er über Rumänien nach Ungarn. Von Sopron nach Wels benützte er die "rollende Landstraße". Ab Wels fuhr er über Deutschland und Frankreich nach Spanien. Die Schmuggelfahrten mit den auf das tschechische Transportunternehmen ausgestellten Carnets TIR wurden aufgedeckt, weil Beamte des Zollamts Wels und des Hauptzollamts Linz bei einer Stichprobe am 7. 9. 1997 feststellt hatten, dass die geladenen Waren mit den im Carnet TIR ausgewiesenen nicht übereinstimmten. Daraufhin wurden alle auf das tschechische Transportunternehmen von dem für die tschechische Republik bürgenden Verband ausgestellten Carnets TIR überprüft. Das TIR-Verfahren war jeweils "vom bulgarischen Zoll eröffnet" worden. Zollämter in Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Österreich fungierten nach den Bestätigungen als Durchgangszollämter. Die Erledigungsbestätigung mit Stampiglie erteilte das Zollamt Porto als Bestimmungszollamt. Die Stampiglienabdrucke des bulgarischen Zollamts sind echt. Sie wurden jedoch nicht "amtskonform" angebracht. Die Stempelvorgänge scheinen in den Büchern dieses Zollamts nicht auf. Nicht feststellbar ist, ob ein gestohlener Stempel verwendet oder Beamte bestochen worden waren. Die portugiesischen Zollstempel als Enderledigungen sind gefälscht. Sie datieren vom 11., 20. und 22. 8. sowie vom 5. 9. 1997.

Mit Schreiben vom 5. 5. 1998 teilte das Hauptzollamt Linz der beklagten Partei Folgendes mit:

"Betreff: Carnet-Tir-Heft 20053315, 20053133, 20053311 und 20053310.

Beilagen: 4 Kopien von obangeführten C-TIR-Abschnitten.

Das Hauptzollamt Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz teilt Ihnen im Sinne des Kapitels II, Artikel 11 Abs 1 des TIR-Abkommens mit, dass Unregelmäßigkeiten hinsichtlich der erklärten Ladung laut obangeführter CARNET TIR, nämlich Tapeten, Filterzigaretten der Marke 'Winston', festgestellt worden sind.

Die Aufforderung zur Entrichtung der im Artikel 8 Abs 1 und 2 genannten Beträge wird innerhalb der im Artikel 11 Abs 2 des zitierten Übereinkommens angeführten Fristen nach Abschluss des Gerichtsverfahrens beim Landesgericht Wels und des Abgabenverfahrens mit allen Tatbeteiligten im Wege des Hauptzollamtes Wien an Sie gerichtet werden."

Darauf antwortete die beklagte Partei mit dem Schreiben vom 20. 5. 1998 folgenden Inhalts:

"Wir haben Ihr Schreiben vom 5. 5. 98 erhalten. Darin teilen Sie uns als Finanzstrafbehörde erster Instanz Unregelmäßigkeiten hinsichtlich der im Betreff genannten Carnet TIR mit. Wir nehmen dies zur Kenntnis, sind aber mangels näherer Information (Kopie des Warenmanifestes, auf dem die Annahme der Carnet TIR durch die österreichische Zollbehörde bestätigt wird, sowie die Kopie der Sachverhaltsdarstellung) nicht in der Lage, weitere Schritte gegen jene Person oder Firma zu unternehmen, die für die Entrichtung von Einfuhrzöllen und Steuern verantwortlich ist. Wir können daher Ihr Schreiben nicht als Notifikation im Sinne des Kapitels II, Artikel 11 Abs 1 des TIR-Abkommens anerkennen.

Als ordnungsgemäße Notifikation ist zu jedem einzelnen Carnet TIR ein gesondertes Schreiben samt den erforderlichen Beilagen notwendig. Gegebenenfalls an ... (die beklagte Partei) ... als Bürgen herangetragene Zollforderungen können nicht pauschal für mehrere Carnet TIR Hefte erfolgen, sondern jeweils zu jedem einzelnen Versandverfahren. Aus diesem Grund ist auch eine Notifikation zu jedem einzelnen Carnet TIR notwendig."

Das BMF übermittelte der beklagten Partei schließlich unter Bezugnahme auf deren Schreiben vom 20. 5. 1998 am 27. 7. 1998 einen Bericht der FLD für Oberösterreich vom 9. 7. 1998 an das BMF. Dieser Bericht lautete:

"Auftragsgemäß wird zu obigem Erlass in der Anlage der Bericht des Hauptzollamtes Linz vom 23. Juni 1998, Zl. 500/14800/98, vorgelegt.

Ergänzend dazu wird mitgeteilt, dass nach telefonischer Auskunft des Hauptzollamtes Linz bisher noch keine Notifikation erfolgt und das Schreiben vom 5. Mai 1998 ... lediglich als Vorausinformation zu werten ist."

Am 16. 3. 1999 wurden der beklagten Partei die Zahlungsaufforderungen des Hauptzollamts Linz vom 4. 3. 1999 zugestellt. Sie betrafen auch die vier Carnets TIR, bei denen das TIR-Verfahren von der bulgarischen Zollbehörde eröffnet worden war.

Das Carnet TIR Nr 122272962 wurde auf einen deutschen Transportunternehmer ausgestellt und am 3. 5. 1996 dem Hauptzollamt Linz als Abgangszollamt vorgelegt. Danach bestand das Frachtgut aus 1253 Kartons T-Shirts. Dieses Carnet TIR wurde nie wieder vorgelegt, sodass das Verfahren unerledigt blieb. Das Zollamt Wien schrieb der beklagten Partei am 27. 3. 1997 Folgendes:

"Betreff: Nachfrage betreffend Carnet-TIR-Heft Nr. 12272962.

Beilage: 1 Kopie

Das Zollamt Linz hat am 3. 5. 96 das Carnet-TIR-Heft Nr. 12272962 für den Beförderungsunternehmer ... eröffnet und die Warenladung bestehend aus ... an das Zollamt ... angewiesen.

Da die Stellung dieser Carnet-TIR-Sendung bisher nicht nachgewiesen werden konnte, wird um Übersendung des Carnet-TIR-Heftes und um eine zweckdienliche Mitteilung über den Verbleib der Sendung binnen 3 Monaten ersucht. Dieses Schreiben gilt gleichzeitig als Mitteilung im Sinne des Kapitel II Artikel 11 Abs 1 des TIR-Abkommens."

Mit Schreiben des Hauptzollamts Wien vom 11. 5. 1998 wurde die beklagte Partei betreffend das Carnet-TIR-Heft Nr. 12272962 gemäß Art 11 Abs 2 TIR aufgefordert, an Einfuhrzollschuld 500.000 S innerhalb von drei Monaten zu entrichten. Am 13. 3. 1998 erließ das Hauptzollamt Wien einen Bescheid gegen den deutschen Unternehmer über dessen binnen zehn Tagen zahlbare Einfuhrzollschuld für den Transport mit dem Carnet TIR Nr. 12272962. Das Hauptzollamt Wien ermittelte schließlich, dass das betroffene Transportunternehmen im deutschen Gewerberegister schon 1995 gelöscht worden war und damals auch Carnets TIR gefehlt hatten. Die rechtskräftig festgestellte Abgabenschuld blieb uneinbringlich.

Die bürgenden Verbände der Vertragsstaaten des TIR sind in der International Road Transport Union (IRU) - einem nicht auf Gewinn gerichteten schweizerischen Verein - zusammengeschlossen. Diese Nichtregierungsorganisation "verwaltet und repräsentiert" das TIR im Auftrag der UNO. Die Arbeitsgruppe 30 dieses Vereins besteht aus Vertretern der Mitgliedstaaten des TIR und Vertretern der bürgenden Verbände. Die klagende Partei repräsentiert ein Beamter des BMF. Mit Schreiben vom 19. 6. 1995 verständigte der Leiter der TIR-Abteilung der IRU u. a. auch jenen Ministerialbeamten, der die Republik Österreich damals in der IRU vertrat, über nachstehenden Sachverhalt:

"Wie Sie wissen, war die IRU infolge zahlreicher Debatten im Rahmen des WP 30 und der TIR-Kontaktgruppe gezwungen, den Versicherungspool zu wechseln.

Folglich informieren wir Sie darüber, dass die im Rahmen der Deckung des alten Pools ausgestellten Carnets ihre Gültigkeit unter den in den internationalen Abkommen vorgesehenen Bedingungen behalten, welche zur Anwendung kommen, sofern die Carnets zu Beginn des TIR-Geschäfts BIS ZUM 22. JUNI 1995/24.00 Uhr MEZ übernommen worden sind.

...

Wir bitten Sie vorab zur Kenntnis zu nehmen, dass alle TIR-Carnets nach diesem Datum keine Gültigkeit mehr haben werden; ...

Sollte ein TIR-Carnet, das nicht unter die Deckung fällt und somit nicht gültig ist, aus dem einen oder anderen Grunde für die Übernahme vorgelegt worden sein, so ersuchen wir Sie, Ihre Beamten zu instruieren, ein solches Carnet nicht zu übernehmen."

Dieses Schreiben betraf alle Carnets TIR bis zur Nr. 13457500.

Die klagende Partei begehrte zuletzt den Zuspruch von 1,453.456,68 EUR sA und brachte vor, österreichische Zollämter hätten einen Zigarettenschmuggel großen Stils mittels TIR-Transporten aufgedeckt. Abgaben seien hinterzogen worden. Mit rechtskräftigen Bescheiden seien den unmittelbaren Schuldnern die fälligen Abgabenbeträge vorgeschrieben worden. Deren Hereinbringung sei jedoch nicht möglich. Die beklagte Partei sei als bürgender Verband über die betrügerischen Vorgänge informiert und fristgerecht zur Zahlung aufgefordert worden. Das TIR-Verfahren aufgrund des auf einen deutschen Transportunternehmer ausgestellten und vom Hauptzollamt Linz angenommenen Carnet TIR sei nie beendet worden. Auch dafür hafte die beklagte Partei.

Die beklagte Partei wendete ein, bei den Faktenblöcken, die sich auf den behaupteten Zigarettenschmuggel bezögen, seien die Carnets TIR von keiner Abgangszollstelle angenommen worden. Diese fielen daher gar nicht unter die Anwendbarkeit des TIR. Bei einzelnen Faktenblöcken sei der Nachweis eines Zigarettenschmuggels nie erbracht worden. Bei bestimmten Transporten seien die österreichischen Zollbehörden zur Einhebung von Eingangsabgaben nicht zuständig gewesen. Teilweise seien die nach Art 11 Abs 1 und 2 TIR für die Notifikation und die Zahlungsaufforderung vorgesehenen Fristen nicht eingehalten worden. Überdies seien die primären Zollschuldner nicht zur Zahlung aufgefordert worden. Eine solche Aufforderung sei jedoch die Voraussetzung der Haftung eines bürgenden Verbands. Das Carnet TIR Nr 12272962 sei im Zeitpunkt seiner Annahme nicht mehr gültig gewesen. Das Hauptzollamt Linz hätte es daher nach Art 9 TIR nicht annehmen dürfen.

Das Erstgericht sprach der klagenden Partei 1,271.774,60 EUR sA zu und wies das Klagemehrbegehren von 181.682,09 EUR sA ab. Nach dessen Ansicht beginnt die Haftung des für fällige Abgaben bürgenden Verbands im TIR-Verfahren mit der Annahme des Carnet TIR durch ein Zollamt. Beim Transit durch weitere Vertragsstaaten beginne die Haftung des (jeweiligen) bürgenden Verbands mit der Wareneinfuhr. Dessen Haftung erstrecke sich auch auf Waren, die zwar im Carnet TIR nicht angeführt seien, sich jedoch unter Zollverschluss in einem Fahrzeugteil oder Behälter befänden. Die Angaben im Carnet TIR über das Frachtgut gälten bis zum Beweis des Gegenteils als richtig. Nach Möglichkeit hätten die zuständigen Behörden die Entrichtung der durch die Feststellung von Zuwiderhandlungen gegen das TIR-Abkommen fälligen Abgabenschulden zunächst vom unmittelbaren Schuldner zu verlangen. Der bürgende Verband setze die Gültigkeitsdauer des Carnet TIR fest. Sei das TIR-Verfahren nicht erledigt worden, so habe der bürgende Verband für einen fälligen Abgabenbetrag nur dann einzustehen, wenn ihm die Behörde die Tatsache der Nichterledigung binnen einem Jahr nach Annahme des Carnet TIR schriftlich angezeigt habe. Bei einer missbräuchlich oder betrügerisch erwirkten Erledigungsbescheinigung betrage die Frist zwei Jahre. Der bürgende Verband sei zur Entrichtung der durch die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen das TIR-Abkommen fällig gewordenen Abgabenbeträge spätestens zwei Jahre nach dem Tag aufzufordern, an dem ihm die Nichterledigung des Carnet TIR oder die betrügerische oder sonst missbräuchliche Erwirkung einer Erledigungsbescheinigung mitgeteilt worden sei. Sei die Sache innerhalb dieser Frist zum Gegenstand eines Gerichtsverfahrens gemacht worden, so müsse die Zahlungsaufforderung binnen einem Jahr nach dem Tag ergehen, an dem die Entscheidung rechtskräftig geworden sei. Nach dem Zollkodex der Gemeinschaften entstehe die Zollschuld an dem Ort, an dem der Tatbestand, der die Zollschuld habe entstehen lassen, eingetreten sei. Sei das Zollverfahren für eine Ware nicht erledigt worden, so gelte die Zollschuld als an dem Ort entstanden, an dem die Ware in das TIR-Verfahren überführt oder an dem die Ware in die EU eingeführt worden sei. Die Zollschuld entstehe also grundsätzlich dort, wo der Tatbestand, der die Schuld begründe, verwirklicht worden sei. Nach der Zollkodex-Durchführungsverordnung der Kommission erhebe bei einem Transport mit Carnet TIR jener Mitgliedstaat die Zölle, der eine Zuwiderhandlung gegen die für dieses Verfahren maßgebenden Bestimmungen festgestellt habe. Die Vortäuschung der Eröffnung des TIR-Verfahrens durch die Fälschung von Annahmestempeln entlaste den bürgenden Verband nicht. Dessen Haftung solle bei jeder missbräuchlichen Verwendung eines Carnet TIR eingreifen. Die nach Art 11 Abs 1 TIR erforderliche Notifikation des bürgenden Verbands sei bei den meisten relevanten Fakten fristgerecht erfolgt. Gleiches gelte für die gemäß Art 11 Abs 2 TIR notwendigen Zahlungsaufforderungen. Zur Notifikation durch das Hauptzollamt Linz vom 8. 5. 1998 habe aber die klagende Partei nach einem Schriftverkehr mit der beklagten Partei selbst erklärt, dieses Schreiben sei nicht als Notifikation aufzufassen. Demnach mangle es insofern nach wie vor an einer Notifikation des bürgenden Verbands. Eine solche sei jedoch Voraussetzung für die Inanspruchnahme dessen Haftung.

Das Carnet TIR Nr 12272962 hätte am 3. 5. 1996 nicht mehr angenommen werden dürfen, weil es nach dem Schreiben der IRU vom 19. 6. 1995 längst nicht mehr gültig gewesen sei, hätten doch alle Carnets TIR bis zur Nr. 13457500 mit Ablauf des 22. 6. 1995 ihre Gültigkeit verloren. Auch insofern sei die Inanspruchnahme der beklagten Partei als bürgender Verband nicht gerechtfertigt. Insgesamt ergebe sich daher eine Haftung der beklagten Partei für Abgaben in Höhe von 1,271.774,60 EUR.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, dass Notifikationen nach Art 11 Abs 1 TIR Wissenserklärungen seien, die auf dem Boden der Vertrauenstheorie auszulegen seien. Das objektive Verständnis der Erklärung sei indes dann belanglos, wenn sie der Adressat nicht so, sondern in dem vom Erklärenden gewollten Sinn verstanden habe. Die beklagte Partei habe das Schreiben des Hauptzollamts Linz vom 5. 5. 1998 nicht als Notifikation nach Art 11 Abs 1 TIR akzeptiert. Schließlich habe das Hauptzollamt Linz selbst erklärt, das erwähnte Schreiben sei nicht als Notifikation, sondern nur als Vorausinformation aufzufassen. Allfällige Missverständnisse innerhalb der Organisation der Finanzbehörde seien für die beklagte Partei nicht erkennbar und daher unbeachtlich gewesen. Die klagende Partei müsse daher die letztere Erklärung nach ihrem unmissverständlichen Inhalt gegen sich gelten lassen. Ein Auslegungsproblem werde insofern nicht aufgeworfen, entspreche es doch dem Willen beider Streitteile, das Schreiben des Hauptzollamts Linz vom 5. 5. 1998 eben nicht als Notifikation nach Art 11 Abs 1 TIR zu werten. Wäre die Meinung des Hauptzollamts Linz unrichtig wiedergegeben worden, so stütze den Prozessstandpunkt der beklagten Partei die Vertrauenstheorie. Ein Wiedergabefehler wäre wie der Fehler eines Boten bei der Übermittlung einer Erklärung belanglos. Der Erklärende müsse die Erklärung daher so gegen sich gelten lassen, wie sie dem Empfänger zugekommen sei.

Bei Beurteilung des wegen des Carnet TIR Nr 12272962 erhobenen Anspruchs sei es von Bedeutung, dass Art 8 Abs 4 TIR iVm Art 9 TIR, nach welcher Bestimmung die bürgenden Verbände die Gültigkeitsdauer von Carnets TIR begrenzen könnten, nur den Sinn haben könne, die Haftung des bürgenden Verbands lediglich an die Annahme eines gültigen Carnet TIR anzuknüpfen. Ein wesentliches Anliegen des Garantiesystems des TIR-Verfahrens sei, dass die bürgenden Verbände Carnets TIR nur an Transportunternehmen, die bestimmte Kriterien erfüllten, ausgäben. Da die Haftung eines bürgenden Verbands nicht von Kontrollen durch die Zollbehörden abhänge, müsse ihm die Überwachung der Einhaltung der Ausgabevoraussetzungen durch die Unternehmen und die Begrenzung der Gültigkeit der Carnets TIR möglich sein. Eine solche Begrenzung sei nur dann sinnvoll, wenn der Ablauf der Gültigkeit mit dem Ende der Haftung des bürgenden Verbands einhergehe. Ein Zweck des Kommunikationssystems der IRU sei, die Behörden vom Ablauf der Gültigkeit bestimmter Carnets TIR zu informieren. Das BMF habe von der Ungültigkeit des Carnet TIR Nr 12272962 mehr als zehn Monate vor dessen Vorlage Kenntnis erlangt. Diese Information sei offenkundig nicht an die nachgeordneten Dienststellen weitergeleitet worden. Ein Organisationsverschulden innerhalb der österreichischen Zollbehörde sei nicht der beklagten Partei zuzurechnen. Bereits ein Erlass des BMF bei Einführung des TIR-Verfahrens habe das Abgangszollamt zur Überprüfung der Gültigkeit des Carnet TIR verpflichtet. Eine Verletzung dieser Pflicht könne eine Haftung der beklagten Partei nicht begründen.

Die Ansicht der beklagten Partei, die klagende Partei habe die einjährige Notifikationsfrist nach Art 11 Abs 1 TIR versäumt, sei unzutreffend, seien doch die Erledigungen der Carnets TIR bei allen von diesem Einwand betroffenen Fakten missbräuchlich oder betrügerisch erwirkt worden. In solchen Fällen betrage die Notifikationsfrist zwei Jahre. Diese Frist habe die klagende Partei eingehalten.

Mit dem Argument, der klagenden Partei sei bei einzelnen Faktenblöcken der Beweis des Vorliegens eines Zigarettenschmuggels misslungen, übergehe die beklagte Partei, dass Art 8 Abs 6 TIR zwar den Beweis verlange, dass das wahre Frachtgut mit den im Carnet TIR ausgewiesenen Waren nicht übereingestimmt habe, dass es jedoch an Regelungen über die Beweismittel und das Beweismaß fehle. Der EuGH habe "in etwas anderem Zusammenhang" bei der Auslegung des Art 454 Abs 3 ZK-DVO (Verordnung Nr 2454/93 ) ausgesprochen, für den Nachweis des Orts einer Zuwiderhandlung seien mangels gemeinschaftsrechtlicher Regelung alle Beweismittel zulässig, die nach den Verfahrensordnungen der Mitgliedstaaten in vergleichbaren Fällen in Betracht kämen (C-310/98 - Leszek Labis und C-406/98 - Sagpol SC Transport Miedzynarodowy). Das sei auch für die Auslegung des Art 8 Abs 6 TIR beachtlich. Der Erstrichter habe die maßgebenden Feststellungen nach freier Überzeugung unter Berücksichtigung aller Verfahrensergebnisse getroffen. Soweit er die Aussage eines Zeugen für überzeugend gehalten und darauf iVm anderen Ergebnissen des Beweisverfahrens Feststellungen über einen Zigarettenschmuggel gestützt habe, sei das nicht zu beanstanden.

Ein völkerrechtlicher Vertrag wie das TIR-Abkommen sei nach Art 31 Abs 1 WVK nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Licht seines Ziels und Zwecks auszulegen. In diesen Zusammenhang seien der gesamte Wortlaut des Abkommens samt dessen Präambel, sonstige Übereinkommen bei Vertragsabschluss und einseitige Erklärungen einer Vertragspartei einzubeziehen. Nach Art 31 Abs 3 WVK seien auch spätere Übereinkünfte und Übungen bei der Vertragsanwendung zu beachten. Verblieben dennoch Unklarheiten, so seien nach Art 32 WVK zuletzt auch noch die für den Vertragsabschluss bedeutsamen vorbereitenden Arbeiten und Umstände als Auslegungshilfe heranzuziehen.

Die von der beklagten Partei für ihren Standpunkt, die Haftung eines bürgenden Verbands könne erst dann eintreten, wenn ein Carnet TIR von einem Abgangszollamt angenommen worden sei, ins Treffen geführten Bestimmungen seien im Zusammenhang mit Art 8 Abs 4 zweiter Satz und Art 3 TIR sowie unter Berücksichtigung des Ziels und des Zwecks des gesamten Abkommens auszulegen. Erstere Bestimmung knüpfe die Haftung des bürgenden Verbands an die Einfuhr von Waren oder an die Annahme des Carnet TIR durch jene Zollstelle, bei der der TIR-Transport nach einer Aussetzung gemäß Art 26 Abs 1 und 2 TIR wieder aufgenommen werde. Letztere Bestimmung bestimme als Voraussetzung für die Anwendung des Abkommens nur einen Warentransport unter Verwendung eines Carnet TIR mit Fahrzeugen, die den Bedingungen des Übereinkommens entsprächen, und die Bürgschaft eines nach Art 6 TIR zugelassenen Verbands. Daher sei die Annahme eines Carnet TIR durch ein Abgangszollamt keine Voraussetzung für die Anwendung des Abkommens. Ein Wesenskern des TIR-Verfahrens sei das Bürgschaftssystem, das bereits "mit der Ausgabe" des Carnet TIR "seinen Anfang" nehme. Deshalb müsse ein Transportunternehmen bestimmte Voraussetzung für die Inanspruchnahme des TIR-Verfahrens - "wie eine Verpflichtungserklärung, eine Bankhaftung etc" - erfüllen. Erst nach der Zulassung, vor der die Angaben des Zulassungswerbers überprüft worden seien, dürfe das Transportunternehmen Carnets TIR von nationalen Verbänden gegen Entgelt beziehen. Die nationalen Verbände seien verpflichtet, Carnets TIR anderer Verbände zu akzeptieren und hafteten nach den Bestimmungen des Abkommens für Abgaben und Zölle, die ihr Staat - meist infolge von Unregelmäßigkeiten bei der Abwicklung von TIR-Transporten - einhebe. Die IRU als Zusammenschluss der nationalen Verbände überwache die Ausgabe der Carnets TIR und schließe Rückversicherungen für die Haftung ihrer Mitgliedsverbände über einen zentralen Versicherungspool ab. Weil die Haftung des bürgenden Verbands bereits mit der Ausgabe des Carnet TIR einsetze und dieses "selbst als Sicherheit" gelte, seien Kontrollmaßnahmen von Zollämtern für ein funktionierendes TIR-Verfahren zwar notwendig, aber eben nicht Haftungsvoraussetzung. Der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung 3 Ob 585/83 die Voraussetzungen der Anwendung des TIR-Verfahrens "am Rande" behandelt und habe sich dort ebenso auf Art 3 TIR bezogen. Diese Rechtslage decke sich mit § 2 des Bürgschaftsvertrags der Streitteile. Auch dort sei die Annahme des Carnet TIR durch eine Abgangszollstelle nicht als Haftungsvoraussetzung genannt. Art 51 TIR erkläre die Anlagen ausdrücklich zu Bestandteilen des Abkommens. Relevant seien daher auch die Erläuterungen in der Anlage 6 zu Art 10 TIR. Diese seien nach Art 43 TIR authentische Interpretationen des Vertragswortlauts. Gerade der "letzte Auffangtatbestand" nach Punkt 0.10 der Erläuterungen betreffe die bestimmte Faktenblöcke charakterisierenden Tatsachen. Entgegen der Ansicht der beklagten Partei hätten diese Transporte auch nicht ohne jede Mitwirkung eines Abgangszollamts in Rumänien stattgefunden. Nach den Feststellungen des Erstgerichts habe "vielmehr nach der Kontrolle der Ladung und der Ladepapiere, offenbar auch der Carnets TIR, weil es ansonsten gar nicht zu einer Verplombung des LKWs gekommen wäre", ein "Austausch der Carnets gegen bereits mit gefälschten oder nicht amtskonform angebrachten Stempeln versehene Carnets, in denen andere, nicht hochsteuerbare Waren angeführt" gewesen seien, stattgefunden. Das rumänische Abgangszollamt habe daher "sehr wohl" Carnets TIR angenommen. Deren Austausch rechtfertige kein anderes Ergebnis als dann, wenn die in den zitierten Erläuterungen angeführten Betrugshandlungen durch die Verwendung falscher oder unzutreffender Dokumente oder den Austausch von Waren begangen worden seien. Der Entscheidung 3 Ob 585/83 liege ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde, hätten sich doch dort LKW-Lenker der Einreisekontrolle in der Türkei mit gefälschten Carnets gestellt und behauptet, die originalen Carnets TIR verloren zu haben. Dennoch sei die Anwendbarkeit des TIR-Verfahrens bejaht worden.

Nach der Präambel sei Zweck des TIR-Abkommens die Erleichterung internationaler Warentransporte durch die Vereinfachung und Harmonisierung der Verwaltungsförmlichkeiten an den Grenzen. Die Zollbehörden von Durchgangs- oder Bestimmungsländern müssten sich auf die Richtigkeit der dokumentierten Kontrollen durch andere Zollbehörden verlassen können, auch wenn das Verfahren mit Ladepapieren und leicht zu fälschenden Stempeln abgewickelt werde. Andernfalls würden Kontrollen bei Durchgangszollämtern trotz der Verplombung der Transportfahrzeuge wieder zur Regel. Damit ginge der beabsichtigte Beschleunigungseffekt des TIR-Verfahrens gänzlich verloren. Probleme mit Betrugshandlungen und Fälschungen könnten, obgleich in Mitgliedstaaten mit EU-Außengrenzen zwangsläufig öfter Zölle und Eingangsabgaben wegen entdeckter Unregelmäßigkeiten anfielen, nicht zu einer Verneinung der Haftung bürgender Verbände führen. Die Ingangsetzung des Garantiesystems des TIR-Verfahrens bereits mit der Ausgabe der Carnets TIR - also ohne die nachfolgende Mitwirkung eines Abgangszollamts - belege auch der blühende Schwarzhandel mit gefälschten Carnets TIR. Dessen Sinn wäre sonst nicht erklärbar.

Der von der beklagten Partei geforderte Inhalt von Notifikationen - Mitteilung der Einzelheiten der Betrugshandlungen, so auch der Erkennungsmerkmale gefälschter Stempel, und der eingeleiteten Untersuchungsmaßnahmen - sei nach dem Wortlaut des TIR-Abkommens, den Erläuterungen seines Anhangs 6, den Kommentaren des Verwaltungsausschusses für das Abkommen und der UN/ECE Arbeitsgruppe 30 für Zollfragen nicht geboten. Nach Art 11 Abs 1 TIR hätten die Zollbehörden dem bürgenden Verband bloß die Nichterledigung des Verfahrens oder dessen Erledigung unter Vorbehalt mitzuteilen. Aus Art 11 Abs 1 zweiter Satz TIR sei ableitbar, dass auch der Umstand einer missbräuchlich oder betrügerisch erwirkten Enderledigung mitzuteilen sei, weil der bürgende Verband nur dann die Anwendbarkeit der zweijährigen Notifikationsfrist erkennen könne. Weder aus dem Wortlaut des TIR-Abkommens noch den Erläuterungen des Anhangs 6 oder den Kommentaren des Verwaltungsausschusses für das TIR-Abkommen und der UN/ECE Arbeitsgruppe 30 für Zollfragen ergebe sich der von der beklagten Partei für erforderlich gehaltene Inhalt einer Notifikation. Punkt 1 des Kommentars zu Art 10 TIR laute:

"In Fällen, in denen Carnets TIR ohne Vorbehalt erledigt worden sind, sollte die Zollbehörde, welche die Erledigung für unvorschriftsmäßig und auf betrügerische Weise herbeigeführt erklärt, in ihrer Zahlungsaufforderung die Gründe für eine derartige Erklärung spezifizieren."

Die Erläuterungen zu Art 8 Abs 5 TIR führten aus:

"Wird die Bürgschaft für Waren in Anspruch genommen, die im Carnet TIR nicht angeführt sind, sollte die betroffene Verwaltung angeben, auf Grund welcher Fakten sie der Auffassung ist, dass die Waren sich unter Zollverschluss in einem Teil des Fahrzeugs oder einem Behälter befanden."

Bei den Faktenblöcken, die durch Betrugshandlungen gekennzeichnet seien, hätten die Notifikationen durch das Hauptzollamt Feldkirch die Nummern der Carnets TIR und den Hinweis enthalten, dass die Erledigungen betrügerisch durch die Fälschung von Zollstempeln namentlich genannter Zollämter erwirkt worden seien. Damit seien die Anforderungen, denen Notifikationen entsprechen müssten, erfüllt worden. Der im Kommentar zu Art 10 TIR enthaltenen Empfehlung zur Gestaltung von Zahlungsaufforderungen gemäß Art 11 Abs 2 TIR habe das Hauptzollamt Feldkirch in seinen Zahlungsaufforderungen gleichfalls entsprochen. Dort werde ausdrücklich auf die Abgabenbescheide an die Zollschuldner Bezug genommen. Diese Bescheide seien ausführlich begründet. Sie enthielten auch die Beschreibung der Betrugshandlungen. Daher sei die Meinung der beklagten Partei unzutreffend, der Beweis der Verwendung gefälschter Stempel sei erstmals im Gerichtsverfahren erster Instanz erbracht worden.

Soweit sich die beklagte Partei zur Stützung ihres Rechtsstandpunkts auf ein Privatgutachten des Vorsitzenden der Arbeitsgruppe, die das Abkommen hervorgebracht habe, berufe, enthalte es in den maßgebenden Fragen nur Empfehlungen und Hinweise, wie die Zusammenarbeit der Zollbehörden und der bürgenden Verbände im Rahmen des Garantiesystems des Abkommens verbessert werden könnte. Der Gutachter räume ein, dass die Informationspflicht durch die amtliche Schweigepflicht und die Notwendigkeit des Schutzes anhängiger Verfahren begrenzt sei. Diesem Umstand hätten die Zollbehörden angesichts der im Zeitpunkt der Notifikationen und der Zahlungsaufforderungen großteils noch anhängigen Strafverfahren Rechnung tragen müssen. Die einschneidende Rechtsfolge eines Anspruchsverlusts im Fall der Nichteinhaltung der erörterten Empfehlungen habe auch dieser Gutachter nicht vertreten. Abgesehen davon hätten die erörterten Notifikationen und Zahlungsaufforderungen inhaltlich ohnehin den Empfehlungen des Gutachters entsprochen.

Die Haftung der beklagten Partei beruhe nicht unmittelbar auf dem TIR-Abkommen, sondern auf dem Bürgschaftsvertrag der Streitteile. Danach habe die beklagte Partei die Haftung als Bürge und Zahler gemäß § 1357 ABGB für alle Forderungen des Bundes an Eingangsabgaben etc gegen Beförderungsunternehmen als Inhaber von Carnets TIR und die an TIR-Transporten beteiligten Personen übernommen. Für den Beginn, den Umfang und das Ende der Haftung verweise der Vertrag auf das TIR-Abkommen. Mangels Sonderbestimmungen im Abkommen seien die österreichischen Rechtsvorschriften anzuwenden. Art 8 Abs 1 TIR ordne nur die gesamtschuldnerische Haftung des bürgenden Verbands an. Abgesehen von den Fristen nach Art 11 TIR enthalte das Abkommen keine Regelungen über die Art und den Beginn der Haftung. Auch durch die Erläuterungen in der Anlage 6 zu Art 11 Abs 2 TIR sei die Anwendbarkeit der Bestimmungen des ABGB - insbesondere des § 1357 - klargestellt. Die beklagte Partei hafte "nicht als Nachschuldner, sondern als ungeteilter Mitschuldner". Sie sei nicht bloß Ausfallsbürge. Der Gläubiger könne nach seinem Belieben zuerst auf den Hauptschulder oder auf den Bürgen greifen. Für eine Rechtsstellung als Ausfallsbürge finde sich auch im TIR-Abkommen kein Anhaltspunkt. Dessen Art 8 Abs 7 regle nur eine Obliegenheit, deren Verletzung nicht zum Anspruchsverlust gegen den bürgenden Verband führe. Der deutsche BFH habe in ähnlichem Zusammenhang nach Rechtsvorschriften, die mit den österreichischen weitgehend übereinstimmten, ausgesprochen, die Haftung eines bürgenden Verbands für Eingangsabgaben beruhe ausschließlich auf nationalem bürgerlichen Recht. Dem Verband sei daher die Einrede der Vorausklage gegen den Hauptschuldner verwehrt (Beschluss vom 31. 3. 2000 VII B 17/00). Die klagende Partei habe die Zollschuldner bei bestimmten Faktenblöcken überdies ohnehin mittels Abgabenbescheiden in Anspruch genommen. Die Abgaben seien jedoch uneinbringlich gewesen. Die beklagte Partei habe ihre Ansicht, nach Art 8 Abs 7 TIR seien Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen die unmittelbaren Abgabenschuldner erforderlich, in keiner Weise untermauert. Gegen die Zollschuldner, die sich "durchwegs im Ausland" befänden, hätte die klagende Partei selbst im Fall einer bloßen Ausfallsbürgschaft der beklagten Partei von vornherein als aussichtslos anzusehende Exekutionsschritte nicht einleiten müssen. Träfe die Ansicht der beklagten Partei zu, so wäre das Garantiesystem des TIR-Abkommens völlig entwertet, sei doch die Haftung bürgender Verbände für die von anderen Verbänden ausgestellten Carnets TIR ein zentrales Element dieses Systems. Nur dadurch sei sichergestellt, dass die Zollbehörden wegen der durch die reduzierten Kontrollmaßnahmen vermehrt auftretenden Betrugsfälle wenigstens einen Teil der hinterzogenen Abgaben einheben könnten. Gerade weil die Zollschuldner für die Behörden eines Durchgangsstaats oft nicht greifbar seien, treffe den nationalen Verband dieses Landes die Haftung ab dem Zeitpunkt der Wareneinfuhr. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit Fragen der Haftung bürgender Verbände nach dem TIR-Übereinkommen bislang noch nicht befasst habe.

Beide Revisionen sind zulässig; nur die Revision der beklagten Partei ist aber teilweise auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Revision der klagenden Partei

1. Notifikation - Wissenserklärung

1. 1. Nach Ansicht der klagenden Partei ist die Notifikation gemäß Art 11 Abs 1 TIR eine die Rechtslage gestaltende Willenserklärung "mit Bindungswirkung". Sei im Schreiben des Hauptzollamts Linz vom 5. 5. 1998 eine rechtsgestaltende Willenserklärung zu erblicken, so könne die mit einer solchen Erklärung eingetretene Rechtswirkung "durch eine nachträgliche bloße Wissenserklärung nicht abgeändert oder aufgehoben werden". Der der beklagten Partei übermittelte Bericht der FLD für Oberösterreich vom 9. 7. 1998 an das BMF sei eine Wissenserklärung.

1. 2. Nach Art 11 Abs 1 TIR setzt die Inanspruchnahme der Haftung der beklagten Partei aufgrund deren Bürgschaft eine schriftliche Mitteilung der Zollbehörden an den bürgenden Verband über die Nichterledigung des Carnet TIR oder dessen Erledigung unter Vorbehalt innerhalb bestimmter Fristen voraus. Der Mitteilungspflicht, deren Erfüllung die Haftung eines bürgenden Verbands für fällige Eingangs- oder Ausgangsabgaben zur Folge haben kann, unterliegen daher bestimmte Tatsachen. Diese Notifikation ist nicht Willens-, sondern Wissenserklärung. Sie ist rechtserheblich, weil die Inanspruchnahme der Haftung des bürgenden Verbands deren Vornahme voraussetzt. Eine Wissenserklärung verwandelt sich somit - entgegen der Ansicht der beklagten Partei - nicht etwa deshalb in eine Willenserklärung, weil deren Abgabe Rechtsfolgen nach sich zieht. So zeitigt etwa auch die Verständigung des Schuldners von der Abtretung der Forderung gegen ihn (1 Ob 172/98w = SZ 71/140) oder das deklarative Anerkenntnis (4 Ob 6/02i; 8 Ob 216/02a) als Wissenserklärung Rechtsfolgen, ohne sich dadurch in Willenserklärungen zu verwandeln. Eine Wissenserklärung ist stets nur dann rechtlich bedeutsam, wenn die Rechtsordnung an sie bestimmte Rechtsfolgen knüpft. Schlösse man sich dagegen der Auffassung der klagenden Partei an, so käme der Unterscheidung zwischen rechtserheblichen Willenserklärungen und solchen Wissenserklärungen keinerlei rechtliche Relevanz zu. Entgegen dieser Ansicht ist dem Schreiben des Hauptzollamts Linz vom 5. 5. 1998 keineswegs die Rechtsnatur einer rechtsgestaltenden Willenserklärung beizumessen, auf deren Wirksamkeit eine spätere Wissenserklärung keinen Einfluss mehr nehmen könnte.

Für das von der klagenden Partei angestrebte Ergebnis wäre allerdings auch dann nichts gewonnen, träfe deren Auffassung über die Rechtsnatur des Schreibens vom 5. 5. 1998 zu. Dann wäre nämlich die Übermittlung des Berichts der FLD für Oberösterreich vom 9. 7. 1998 durch das BMF an die beklagte Partei als Information über eine Wissenserklärung des - nach Ansicht der klagenden Partei - für die Notifikation "einzig und allein" zuständigen Hauptzollamts Linz dahin aufzufassen, dass mit dem Schreiben vom 5. 5. 1998 keine Notifikation als "rechtsgestaltende Willenserklärung" bewirkt, sondern lediglich eine (unverbindliche) "Vorausinformation" erteilt werden sollte. Auf die Richtigkeit einer solchen Wissenserklärung über den mangelnden Willen zur Notifikation hätte die beklagte Partei als Erklärungsempfängerin, die zuvor gerade die Eigenschaft des Schreibens vom 5. 5. 1998 als Notifikation in Abrede gestellt hatte, gewiss vertrauen dürfen. Der klagenden Partei wäre es - auch so gesehen - verwehrt, eine vom Erklärungsempfänger als Wissenserklärung verstandene und vom Erklärenden ausdrücklich als solche bestätigte "Vorausinformation" nachträglich in eine rechtsgestaltende Willenserklärung umzudeuten.

Soweit die beklagte Partei meint, eine Mitteilung des für die Notifikation nach § 11 Abs 1 TIR "einzig und allein" zuständigen Hauptzollamts Linz über dessen dem Schreiben vom 5. 5. 1998 zugrunde liegenden Willen liege gar nicht vor, wird der schon vom Berufungsgericht verdeutlichte Gesichtspunkt übergangen, dass weder das BMF noch die FLD für Oberösterreich die Rechtsnatur des Schreibens vom 5. 5. 1998 wertete. Der beklagten Partei wurde vielmehr nur die Absicht des Hauptzollamts Linz mitgeteilt. Weshalb das BMF bei Übermittlung des Berichts der FLD für Oberösterreich über die Absicht des Hauptzollamts Linz nicht als Erklärungsbote fungiert haben sollte, vermag die klagende Partei nicht stichhältig zu begründen. Sie widerspricht insofern den zutreffenden Erwägungen des Berufungsgerichts nur mit der unsubstantiierten Behauptung, es bestehe "kein rechtlicher Grund, die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich als 'Erklärungsboten' des Hauptzollamtes Linz zu sehen". Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich die Bestätigung der Abweisung eines Teils des Klagebegehrens mangels Notifikation gemäß § 11 Abs 1 TIR als zutreffend, ist doch im Schreiben des Hauptzollamts Linz vom 5. 5. 1998 eine solche Erklärung in der Tat nicht zu erblicken.

2. Annahme eines ungültigen Carnet TIR

Schon das Berufungsgericht hat zutreffend begründet, weshalb die Annahme eines ungültigen Carnet TIR keine taugliche Grundlage der Haftung eines bürgenden Verbands sein könne, wenn die oberste Zollbehörde über dessen Ungültigkeit Bescheid gewusst, jedoch die nachgeordneten Dienststellen hierüber nicht informiert habe. Den Erwägungen des Berufungsgerichts tritt die klagende Partei nur mit dem Argument entgegen, es sei "mit Ziel und Zweck des TIR-Übereinkommens in Einklang zu bringen, die Haftung des bürgenden Verbands in Entsprechung der Bestimmung des Art 8 Abs 4 leg cit in allen Fällen eintreten zu lassen, in denen das Carnet TIR von dem Zollamt angenommen" worden sei, "sohin auch dann, wenn das Carnet TIR seine Gültigkeit bereits verloren" habe, gleichviel ob die Zollbehörde dessen Ungültigkeit gekannt oder nicht gekannt habe. Die klagende Partei verschweigt indes, welches Ziel und welcher Zweck des TIR-Abkommens ihr als Rechtfertigung für die Inanspruchnahme der Haftung des bürgenden Verbands auch nach Annahme eines nach dem Kenntnisstand der Zollbehörde ungültigen Carnet TIR dienen könnte. Insofern genügt es daher gemäß § 510 Abs 3 ZPO, auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichts zu verweisen. Es wurde daher auch die Abweisung jenes Teils des Klagebegehrens, der sich auf die Annahme des Carnet TIR Nr. 12272962 durch das Zollamt Linz bezieht, ohne Rechtsirrtum bestätigt.

II. Zur Revision der beklagten Partei

1. Inanspruchnahme des bürgenden Verbands

1. 1. Die beklagte Partei versucht zu begründen, dass ein bürgender Verband erst dann in Anspruch genommen werden könne, wenn sich die Abgabenschuld beim unmittelbaren Zollschuldner als uneinbringlich erwiesen habe. Es müsse daher "zumindest ein Eintreibungsversuch vorliegen ..., dessen Erfolglosigkeit die Aussichtslosigkeit der Betreibung der Forderung" dokumentiere. Das folge aus Art 8 Abs 7 TIR. Die Haftung des bürgenden Verbands sei daher keine "primäre ..., sondern eine sekundäre Haftung". Im Ergebnis zielen die Ausführungen der beklagten Partei auf eine bloße Ausfallsbürgschaft ab.

1. 2. Art 8 Abs 7 TIR hat folgenden Wortlaut:

"Die zuständigen Behörden haben soweit möglich bei Fälligkeit der in den Absätzen 1 und 2 genannten Beträge deren Entrichtung zunächst von der Person oder den Personen zu verlangen, die sie unmittelbar schulden, bevor der bürgende Verband zur Entrichtung dieser Beträge aufgefordert wird."

Punkt 0.11-2 der Erläuterungen zu Art 11 Abs 2 TIR in der Anlage 6 lautet:

"Wird der bürgende Verband gemäß Artikel 11 aufgefordert, die in Artikel 8 Absätze 1 und 2 genannten Beträge zu entrichten, und kommt er innerhalb der im Übereinkommen festgelegten Frist von drei Monaten dieser Aufforderung nicht nach, so können die zuständigen Behörden auf Grund ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Entrichtung dieser Beträge verlangen, da es sich in einem solchen Fall um die Nichterfüllung eines vom bürgenden Verband nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften abgeschlossenen Burgschaftsvertrages handelt."

Auch in Punkt 1.2.2 des TIR-Handbuchs, auf den sich die beklagte Partei beruft, ist nur die Rede davon, die Zollbehörden seien "gehalten, sofern dies möglich ist, Zahlung von der unmittelbar haftenden Person zu verlangen, bevor sie sich an den bürgenden Verband wenden". Gegenstand der Erörterungen ist also auch dort nur ein Zahlungsverlangen. Soweit sich die beklagte Partei zur Stützung ihres Rechtsstandpunkts auf das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 22. 4. 1996 (Geschäftsnummer: 31 C 176/96-29) beruft, übergeht sie, dass die Zollbehörde dort "den in der CSFR ansässigen Abgabenschuldner weder über die streitbefangenen Unregelmäßigkeiten informiert, noch ... die Abgabenschuld ihm gegenüber geltend gemacht" hatte.

Weder der Wortlaut der maßgeblichen Bestimmung (Art 8 Abs 7 TIR) noch die Erläuterungen im TIR-Handbuch lassen darauf schließen, dass die zuständigen Behörden weitere - erfolglose - Betreibungsschritte unternehmen müssten, ehe sie sich an den bürgenden Verband halten könnten. Die Wendung: "soweit möglich" ist demgemäß so zu verstehen, dass die Behörden lediglich dann vom "unmittelbar haftenden" Zollschuldner Zahlung verlangen müssen, bevor sie sich an den Verband wenden, wenn es ihnen möglich ist, die Person bzw deren Aufenthalt durch zumutbare Erhebungen zu ermitteln.

Wohl hat die beklagte Partei laut § 1 Abs 1 des Bürgschaftsvertrags die Haftung als Bürge und Zahler gemäß § 1357 ABGB übernommen, bei der der Hauptschuldner und der Bürge solidarisch haften, sodass der Gläubiger den Bürgen bei Fälligkeit der gesicherten Forderung sogleich auf Zahlung in Anspruch nehmen kann, doch ist im Abs 2 dieser Vertragsbestimmung festgelegt, dass für den Beginn, den Umfang und die Beendigung der Haftung das TIR - und somit auch dessen Art 8 Abs 7 - gilt. Wie den voranstehenden Erwägungen entnommen werden kann, entspricht die vom beklagten Verband übernommene Haftung insoweit nicht etwa einer solchen als Bürge und Zahler, sondern einer gemeinen Bürgschaft, bei der dem Bürgen lediglich die Einwendung der Vorausmahnung des Hauptschuldners zu Gebote steht (vgl dazu etwa SZ 63/177). Von einer Ausfallbürgschaft - auch in abgeschwächter Form - kann daher keine Rede sein.

Nur der Vollständigkeit halber sei der beklagten Partei noch entgegnet, dass das Erstgericht zu allen relevanten Fakten feststellte, die von der Zollbehörde bescheidmäßig vorgeschriebenen Zollschulden seien "uneinbringlich" geblieben. Angesichts dieser Tatsachen wäre es - selbst wenn sich der Argumentation der beklagten Partei anschlösse - Aufgabe der beklagten Partei gewesen, darzutun, auf welch einfache Weise es der klagenden Partei rasch möglich gewesen wäre, die bestehende Abgabenschuld durch Maßnahmen gegen die unmittelbaren Zollschuldner hereinzubringen:

Bei den Transporten durch das rumänische Unternehmen lautet die Vorschreibung der Abgabenschuld immerhin auf einen Betrag von 508,767.891 S. Überdies ist der Bescheidadressat Generaldirektor eines Unternehmens in Delaware USA. Bei den Transporten durch das liechtensteinische Unternehmen ergingen Abgabenbescheide an fünf physische Personen. Auch in diesen Fällen fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass die vorgeschriebene Abgabenschuld auf einfachem Weg hätte rasch hereingebracht werden können. Die beklagte Partei hat solche Tatsachen nicht einmal behauptet. Auch die Inanspruchnahme des unmittelbaren Zollschuldners der beiden Transporte durch das deutsche Unternehmen blieb "ohne Erfolg". Es mangelt auch insofern an Anhaltspunkten für einen einfachen und raschen Weg, die Abgabenschuld bei diesem hereinzubringen. Der rein abstrakt gehaltene Hinweis der beklagten Partei, es gebe Vollstreckungsübereinkommen zur Durchsetzung von Abgabenschulden im Ausland, genüge nicht. Es ist ferner unerfindlich, auf welche Weise die klagende Partei die unbekannten Empfänger der Schmuggelware hätte ausfindig machen können, wie das die beklagte Partei unterstellt. Im Übrigen hätte die beklagte Partei dann auch insoweit konkret behaupten und beweisen müssen, welche einfache Möglichkeit der klagenden Partei offen gestanden wäre, um die unbekannten Empfänger der Schmuggelware rasch auszuforschen. Sie hätte dann auch konkret vorbringen müssen, auf Grund welcher bestimmten Vollstreckungsübereinkommen Abgabenschulden gegen alle in den Anlassfällen maßgebenden Abgabenschuldner möglich gewesen wären. Soweit solche Abkommen existieren sollten, hätte die beklagte Partei dann zudem behaupten und beweisen müssen, dass Exekutionsmaßnahmen gegen die unmittelbaren Abgabenschuldner angesichts deren Einkommens- und Vermögenslage und der Vollstreckungspraxis im jeweils in Betracht kommenden Staat innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeitspanne mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich gewesen wären. Diese Erwägungen sind wie folgt zusammenzufassen:

2. Mangelnde Annahme des Carnet TIR durch ein Abgangszollamt

2. 1. Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts kam es "nach der Kontrolle der Ladung und der Ladepapiere, offenbar auch der Carnets TIR, weil es ansonsten gar nicht zu einer Verplombung des LKWs gekommen wäre", zu einem "Austausch der Carnets gegen bereits mit gefälschten oder nicht amtskonform angebrachten Stempeln versehene Carnets, in denen andere, nicht hochsteuerbare Waren angeführt" gewesen seien. Demnach habe das rumänische Abgangszollamt "sehr wohl" Carnets TIR angenommen.

Bei den soeben in Kursivschrift hervorgehobenen Passagen der berufungsgerichtlichen Entscheidungsgründe handelt es sich um Schlussfolgerungen in Tatfragen, die das zweitinstanzliche Gericht offenkundig auf Grund der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zog; letztere tragen einen solchen Schluss indes, wie in der Revision zutreffend gerügt wird, nicht. Das Erstgericht stellte fest, den LKW-Lenkern seien Carnets TIR "mit gefälschten bzw nicht amtskonform angebrachten Annahme- und Ausgangsstempeln des rumänischen Zolls übergeben" worden. Für sich betrachtet ist zunächst schon unklar, welchen näheren Vorgang ein "nicht amtskonform angebrachter Annahme- und Ausgangsstempel des rumänischen Zolls" indizieren soll. Die weiteren Feststellungen, die LKW-Lenker seien angewiesen worden, die Carnets TIR bei der Einreise nach Ungarn erstmals der ungarischen Zollbehörde vorzulegen, und die LKW seien in Rumänien unter Aufsicht der rumänischen Zollbehörde legal mit Zigaretten beladen und von Zollbeamten bis zur Staatsgrenze eskortiert worden, verdeutlichen jedoch, dass jedenfalls nicht rumänische Zollbeamte eine nach den Bestimmungen des TIR-Abkommens illegale Zollabfertigung unter Annahme von Carnets TIR durchführten. Aus welchen (sonstigen) Ergebnissen des Beweisverfahrens gerade solche Tatsachen zu erschließen wären, kann dem Urteil des Berufungsgerichts nicht entnommen werden. Der Oberste Gerichtshof unterstellt daher den folgenden Erörterungen nicht, das rumänische Abgangszollamt habe Carnets TIR angenommen und eine Verplombung der LKW deshalb vorgenommen.

2. 2. Die beklagte Partei wendet sich nicht gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts über die für die Auslegung völkerrechtlicher Verträge maßgebenden Grundsätze. Diese Ausführungen sind auch zutreffend. Das TIR-Abkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag. Seine Bestimmungen sind daher nach den bereits vom Berufungsgericht erläuterten Grundsätzen auszulegen.

2. 3. Die Präambel des TIR-Abkommens verdeutlicht dessen Zweck: Internationale Warentransporte mit Straßenfahrzeugen sollen erleichtert werden, weil die Verbesserung der Transportbedingungen einen wesentlichen Faktor für die Entwicklung der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bilde. Das erfordere - insbesondere an den Grenzen - die Vereinfachung und Harmonisierung der Verwaltungsförmlichkeiten im Transportwesen. Demzufolge muss bei der Auslegung der Bestimmungen des Abkommens jedes Ergebnis vermieden werden, das die Erreichung des in dessen Präambel erläuterten Zwecks erschwerte oder gar unmöglich machte.

2. 4. Die beklagte Partei verficht den Standpunkt, die "Kontrolle beim Abgangszollamt" sei ein wesentlicher Bestandteil des TIR-Verfahrens. Mangle es an einem Abgangszollamt, so könne "von einem TIR-Transport nicht mehr die Rede sein, weil ja die für das TIR-Verfahren unbedingt notwendigen Voraussetzungen, nämlich die strenge und umfassende Kontrolle bei der Abgangszollstelle, nicht erfüllt werden" könnten. Deshalb müsse ein Carnet TIR unbedingt von der Abgangszollstelle "eröffnet" worden sein. Nur so könne das TIR-Verfahren unter Effektuierung seines Bürgschaftssystems beginnen. Die Revisionswerberin ist darüber hinaus - wie den Gründen ihres Rechtsmittels in deren Zusammenhang unschwer zu entnehmen ist - offenkundig der Meinung, auch eine bei richtigem Verständnis der TIR-Bestimmungen rechtswidrige Zollabfertigung durch das Abgangszollamt rechtfertige die Inanspruchnahme des bürgenden Verbands nicht.

2. 5. Angesichts der unter 2. 1. wiedergegebenen maßgebenden Tatsachen ist hier nicht die Frage zu beurteilen, ob das TIR-Verfahren auch mittels illegaler Zollabfertigung durch das Abgangszollamt eingeleitet werden könne, zu klären ist vielmehr die Frage, ob die Regelungen des Abkommens auch dann anwendbar seien, wenn die Einbindung eines Abgangszollamts unterblieben ist, weil die Carnets TIR - ohne Mitwirkung von Zollbeamten - "mit gefälschten bzw nicht amtskonform angebrachten Annahme- und Ausgangsstempeln" versehen und so dem ersten Durchgangszollamt und weiteren Zollämtern präsentiert werden. Als Beleg für die Richtigkeit ihrer Ansicht führt die beklagte Partei die Bestimmungen der Art 1 lit f, 2, 3, 8 Abs 4 erster Satz, 9 Abs 1 und 19 TIR ins Treffen. Relevant ist dabei vor allem die Auslegung des Art 8 Abs 4 iVm Art 3 TIR.

Nach Art 3 TIR sind Voraussetzungen für die Anwendung des Abkommens die Durchführung des Warentransports mit bestimmten Straßenfahrzeugen, Lastzügen oder Behältern, die Übernahme einer Bürgschaft für den Warentransport durch nach Art 6 TIR zugelassene Verbände und die Durchführung des Transports unter Verwendung eines Carnet TIR. Art 8 Abs 4 TIR hat folgenden Wortlaut:

"Die Haftung des bürgenden Verbandes gegenüber den Behörden des Landes, in dem sich das Abgangszollamt befindet, beginnt, wenn das Carnet TIR von dem Zollamt angenommen worden ist. In den weiteren Ländern, durch die die Waren mit Carnets TIR noch befördert werden, beginnt die Haftung mit der Einfuhr der Waren oder mit der Annahme des Carnet TIR durch das Zollamt, bei dem der TIR-Transport wiederaufgenommen wird, wenn er gemäß Artikel 26 Absätze 1 und 2 ausgesetzt worden ist."

Den folgenden Erwägungen ist voranzustellen, dass sich die illegale Inanspruchnahme des TIR-Verfahrens durch Kriminelle nicht auf Einzelfälle beschränkt, sondern eine weitverbreitete Praxis ist, die nicht nur der Rechtsgutachter beschreibt, auf den sich die beklagte Partei beruft, sondern die sich auch aus dem Bericht des Untersuchungsausschusses des Europaparlaments für das Gemeinschaftliche Versandverfahren (A4-0053/97) und dem Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs 8/99 (ABl 2000/C 70/01) ergibt. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Zahl der von der IRU in den Jahren 1995 bis 2000 an die nationalen (bürgenden) Verbände ausgegebenen Carnets TIR zwischen 2,278.550 als Untergrenze und 2,789,650 als Obergrenze schwankte (TIR Handbuch 1.7). Hätte bei derart vielen Transporten mit Carnets TIR jedes Durchgangszollamt zu überprüfen, ob augenscheinliche Merkmale, die Abfertigungshandlungen des Abgangszollamts indizieren (Übereinstimmung der Waren laut Warenmanifest mit dem wirklichen Frachtgut, Vorhandensein der Plombe am Transportmittel und Stempelung des Carnet TIR), echt sind und ordnungsgemäß durchgeführte Kontrollen belegen, um so die Frage zu klären, ob die behauptete Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Bürgschaftssystems des TIR-Verfahrens erfüllt sei, so bliebe der in der Präambel verdeutlichte und unter 2. 3. wiedergegebene Zweck des TIR-Abkommens bald auf der Strecke. Der Transit vom Abgangszollamt bis zum Bestimmungszollamt wäre dann ganz gewiss nicht mehr rasch und unkompliziert zu bewerkstelligen, sondern die Verwaltungsförmlichkeiten im Transportwesen nähmen damit wieder ein Ausmaß an, das den angestrebten Zweck des TIR-Abkommens massiv gefährdete. Um ein solches Ergebnis zu vermeiden, ist Art 8 Abs 4 iVm Art 3 TIR so auszulegen, dass das TIR-Verfahren - sieht man einmal von der Frage nach dem eingesetzten Transportmittel ab - mit der Aufnahme des Transports unter Verwendung eines gültigen Carnet TIR eingeleitet wird; der Haftungstatbestand des Art 8 Abs 4 zweiter Satz TIR setzt somit nicht die (vorher erfolgte) Annahme des Carnet TIR durch ein Abgangszollamt und somit auch nicht voraus, dass deshalb die Haftung des bürgenden Verbands gemäß Art 8 Abs 4 erster Satz TIR auch gegenüber den Behörden des Landes, in dem sich dieses Zollamt befindet, "begann", stellt doch der zweite Satz dieser TIR-Bestimmung klar, dass die Haftung in den weiteren Ländern, durch die die Waren mit Carnets TIR noch befördert werden, mit der Einfuhr der Waren beginnt. Mittelbar wird diese Auslegung auch durch die Erläuterungen in der Anlage 6, Punkt 0.10 zu Artikel 10 TIR, gestützt. Sie lauten dort wie folgt:

"Die Erledigungsbescheinigung des Carnet TIR gilt als missbräuchlich oder betrügerisch erwirkt, wenn der TIR-Transport unter Verwendung von Laderäumen oder Behältern durchgeführt worden ist, die auf betrügerische Weise geändert worden sind, oder wenn widerrechtliche Handlungen wie etwa die Verwendung falscher oder unzutreffender Dokumente, die Vertauschung von Waren oder die Manipulation der Zollverschlüsse festgestellt worden sind, oder wenn sonstige illegale Mittel zur Erlangung der Erledigungsbescheinigung angewandt worden sind."

Es ist zwar, wie die beklagte Partei ausführt, richtig, dass diese Erläuterungen an sich nur die Erledigung des TIR-Transports zum Gegenstand haben, doch werden falsche oder unzutreffende Dokumente zur missbräuchlichen Erlangung einer Erledigungsbescheinigung etwa auch dann verwendet, wenn die Annahme des Carnet TIR mit einem auf bestimmte Waren lautenden Warenmanifest durch ein Abgangszollamt vorgetäuscht und solches Frachtgut erst durch Vertauschung der Waren unter Manipulation der Zollverschlüsse irgendwo auf der Strecke bis zum Bestimmungszollamt geladen wurde. Aus den zitierten Erläuterungen ist somit - entgegen der Ansicht der beklagten Partei - ableitbar, dass ein TIR-Transport auch bei der "Fiktion eines Abgangszollamts" vorliegen kann. In diesem Sinn ist auch Art 2 TIR zu verstehen, nach dem das Abkommen für Warentransporte gilt, bei denen die Waren ohne Umladung über eine oder mehrere Grenzen von einem Abgangszollamt einer Vertragspartei bis zu einem Bestimmungszollamt einer anderen oder derselben Vertragspartei ... befördert werden.

Die bisherigen Erwägungen sind somit in nachstehender Weise zusammenzufassen:

Die Haftung der bürgenden Verbände nach dem TIR-Verfahren gegenüber den Zollbehörden der Transitländer, durch die die Waren mit einem Carnet TIR befördert werden, beginnt mit der jeweiligen Einfuhr der Waren in diese Länder. Diese Haftung setzt die Annahme des Carnet TIR durch eine Abgangszollstelle nicht voraus.

Da dem Bürgschaftsvertrag der Streitteile diese Rechtslage nach dem TIR-Abkommen zugrunde liegt, kann die beklagte Partei die Klageabweisung nicht schon deshalb erreichen, weil die Carnets TIR bei bestimmten Faktenblöcken nicht von einem rumänischen Abgangszollamt angenommen wurden.

3. Notifikationsfristen

3. 1. Die beklagte Partei wendet sich gegen die Ansicht der Vorinstanzen, der klagenden Partei sei eine Notifikationsfrist von zwei Jahren zu Gebote gestanden. Die Anwendung dieser Frist erfordere, dass die Erledigungsbescheinigung missbräuchlich oder betrügerisch erwirkt worden sei. Das bedinge "ein aktives Tun der Behörde". Seien Erledigungsbescheinigungen durch "gefälschte Stempelaufdrucke" oder durch die Verwendung gestohlener Stempel fingiert worden, so mangle es an einem "offiziellen zollbehördlichen Akt". Dann betrage die Notifikationsfrist bloß ein Jahr. Das treffe auf zwölf der Carnets TIR, die auf das rumänische Transportunternehmen, und auf alle Carnets TIR, die auf das liechtensteinische Transportunternehmen ausgestellt worden seien, zu. In diesen Fällen seien die Carnets TIR vor dem 1. 9. 1996 angenommen worden. Die mit 1. 9. 1997 datierte Notifikation sei erst danach zugegangen.

3. 2. Der Wortlaut des für die Überprüfung der Ansicht der beklagten Partei maßgebenden § 11 Abs 1 TIR lautet wie folgt:

"Ist ein Carnet TIR nicht oder unter Vorbehalt erledigt worden, so können die zuständigen Behörden vom bürgenden Verband die Entrichtung der in Artikel 8 Abs 1 und 2 genannten Beträge nur verlangen, wenn sie dem bürgenden Verband innerhalb eines Jahres nach der Annahme des Carnet TIR durch die Zollbehörden die Nichterledigung oder die Erledigung unter Vorbehalt schriftlich mitgeteilt haben. Das Gleiche gilt, wenn die Erledigungsbescheinigung missbräuchlich oder betrügerisch erwirkt worden ist, jedoch beträgt in diesen Fällen die Frist zwei Jahre."

Der in Fragen der Auslegung der Bestimmungen des TIR-Abkommens kompetente Rechtsgutachter, auf den sich die beklagte Partei in anderem Zusammenhang beruft, gelangt unter Hinweis auf Art 10 TIR, der die Erledigung des Carnet TIR durch die Zollbehörden unter Vorbehalt oder ohne Vorbehalt näher regelt, aber auch auf Punkt 0.10 der Erläuterungen zu Artikel 10 TIR in der Anlage 6 (siehe 2. 5.) zum Ergebnis (Beilage 7 Punkt 3.4 und 4.1), dass die Fälle der Verwendung falscher - also nachgemachter - Stempel und/oder falscher Unterschriften von der betrügerischen Verwendung echter Stempel durch Zollbeamte oder deren Komplizen zur illegalen Erledigung eines Carnet TIR zu unterscheiden seien. Die rechtliche Konsequenz sei einfach. Bei Verwendung eines falschen Stempels sei die Erledigung des Carnet TIR gar nicht beantragt und die Erledigungsbedingung nicht erfüllt worden. Die Auswirkungen auf die Anspruchsfristen ergäben sich unmittelbar aus der Qualifikation der Erledigung. Diese Sicht der Rechtslage stützt auch der Bericht des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen vom 18. 7. 1997 (TRANS/WP .30/176). Dort wird auf die Ansicht der Russischen Föderation Bezug genommen, nach der auch die Anbringung eines falschen Stempels auf dem Carnet TIR "als eine in unzulässiger oder betrügerischer Weise erlangte Zollabfertigung" angesehen werden sollte (Punkt 33.). Diesem Standpunkt trat die Arbeitsgruppe unter Fortschreibung ihrer bisherigen Meinung entgegen. Danach könne der Abfertigungsnachweis nur durch eine Amtshandlung des Zollamts erbracht werden. "Falsche Stempel" dienten demnach nicht als Nachweis einer zollbehördlichen Amtshandlung (Punkt 34. und 35).

Der erkennende Senat tritt dieser Auslegung der Wendung: "missbräuchlich oder betrügerisch erwirkte Erledigungsbescheinigung" bei: Demnach kommt eine solche Erledigungsbescheinigung - wie zusammenfassend festzuhalten ist - lediglich dann in Betracht, wenn sie auf fehlerhafter Amtshandlung des Zollamts beruht.

Angesichts dieser Rechtslage hatte daher die klagende Partei die beklagte Partei als bürgenden Verband - entgegen der Ansicht der Vorinstanzen - in allen Fällen der durch Fälschungen fingierten Erledigungen nach Art 11 Abs 1 TIR innerhalb eines Jahres nach der Annahme der Carnets TIR durch die österreichischen Zollbehörden über deren Nichterledigung schriftlich zu benachtrichtigen. Der Vorwurf der klagenden Partei, die Revision der beklagten Partei sei insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt, als sie nicht von der durch die Vorinstanzen getroffenen Feststellung über eine missbräuchlich oder betrügerisch erwirkte Erledigungsbescheinigung ausgehe, ist unzutreffend: Die Wahl der Begriffe durch das Erstgericht bei diesen von ihm getroffenen und von der zweiten Instanz übernommenen "Feststellungen" belegt nämlich im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung, dass die dabei gebrauchte Wendung der "missbräuchlich oder betrügerisch erwirkten Erledigungsbescheinigung" ihrerseits wieder von rechtlicher Beurteilung getragen ist. So stellte das Erstgericht zu den Transporten durch das rumänische Unternehmen fest, dass ordnungsgemäße Erledigungen durch "gefälschte Erledigungsvermerke" von Zollämtern vorgetäuscht wurden. Dieser Sachverhalt wurde dennoch als missbräuchliche Erwirkung der Erledigung beurteilt. Gleiches trifft auf die Transporte durch das tschechische Unternehmen zu: Die "eine Enderledigung dieser Carnets TIR ausweisenden portugiesischen Zollstempel" seien "gefälscht" gewesen; auch dieser Vorgang wurde dessen ungeachtet als missbräuchlich erwirkte Erledigung verstanden. Wenngleich die Transporte durch dieses Unternehmen eine Haftung der beklagten Partei schon aus anderen Gründen (siehe I. 1.) nicht auslösen, können sie hier zur Deutung getroffener Feststellungen herangezogen werden.

Zu den Transporten durch das deutsche Unternehmen findet sich in den Feststellungen nur der Hinweis auf eine missbräuchlich erwirkte Erledigung "des Zollamts in Mailand". In diesen beiden Fällen wurde die beklagte Partei jedoch nach Art 11 Abs 1 TIR fristgerecht innerhalb eines Jahres benachrichtigt. Die Transporte erfolgten am 6. und 7. 5. 1996, weshalb die österreichischen Zollämter die Carnets TIR nicht vorher angenommen haben können. Die Notifikation wurde sodann bereits mit dem Schreiben des Hauptzollamts Feldkirch vom 25. 3. 1997 vollzogen.

Zu den Transporten durch das liechtensteinische Unternehmen (sechs Fälle) wurde "festgestellt", die Erledigung "des Zollamts in Mailand" sei missbräuchlich erwirkt worden. Weder die Erwägungen zur Beweiswürdigung noch die rechtliche Beurteilung lassen einen verlässlichen Schluss darauf zu, welcher Vorgang mit dieser Feststellung beschrieben werden sollte. Ob der Erstrichter unter missbräuchlicher Erledigung "des Zollamts in Mailand" - wie auch sonst - durch Fälschungen fingierte Erledigungen oder in der Tat missbräuchlich erwirkte Erledigungen durch oder unter Mitwirkung von Beamten des Zollamts in Mailand verstand, wird im fortgesetzten Verfahren durch ergänzende Feststellungen zu klären sein. Erst dann wird die Frage nach der Haftung der beklagten Partei insofern abschließend beurteilt werden können. Die betroffenen Transporte wurden im Zeitraum vom 19. 2. bis 19. 4. 1996 durchgeführt. Österreichische Zollämter können die Carnets TIR daher nur innerhalb dieses Zeitraums angenommen haben. Die Notifikation an die beklagte Partei erfolgte dagegen erst mit Schreiben des Hauptzollamts Feldkirch vom 1. 9. 1997. Da diese Benachrichtigung nicht innerhalb eines Jahres bewirkt wurde, könnte die Inanspruchnahme der beklagten Partei nur dann erfolgreich sein, wenn im fortgesetzten Verfahren ein Sachverhalt festgestellt werden sollte, bei dem es gemäß Art 11 Abs 1 zweiter Satz TIR genügte, die beklagte Partei innerhalb von zwei Jahren nach der Annahme zu benachrichtigen.

Der für die Transporte durch das rumänische Unternehmen maßgebende Sachverhalt trägt zwar den rechtlichen Schluss, dass der klagenden Partei in allen 27 Fällen nur die einjährige Notifikationsfrist zur Verfügung stand, doch ist es nach den getroffenen Feststellungen unklar, in welchen Fällen diese Frist eingehalten und in welchen sie versäumt wurde, stellte das Erstgericht doch lediglich fest, dass die Transporte im Zeitraum vom 18. 4. bis 8. 11. 1996 erfolgt seien. Die Notifikation wurde durch das Schreiben des Hauptzollamts Feldkirch vom 1. 9. 1997 vollzogen. Unklar ist ferner, wann die einzelnen Carnets TIR von österreichischen Zollämtern angenommen wurden. An Hand der bisher bekannten Tatsachen kann somit noch nicht beurteilt werden, in welchen Fällen die Notifikation rechtzeitig und in welchen sie verspätet war. Insofern rügt die beklagte Partei zutreffend Feststellungsmängel. Diese werden durch ergänzende Feststellungen im fortgesetzten Verfahren zu beheben sein.

4. Inhaltserfordernisse der Notifikation

4. 1. Die beklagte Partei meint, die rechtmäßige Notifikation nach Art 11 Abs 1 zweiter Satz TIR setze eine genaue Darlegung "konkreter Umstände" voraus, weshalb "eine Erledigung nicht oder nicht ordnungsgemäß" erfolgt sei.

4. 2. Der Oberste Gerichtshof hält die Revisionsausführungen der beklagten Partei insofern für nicht stichhältig. Richtig sind dagegen insoweit die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils. Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann der Oberste Gerichtshof seine Begründung auf diesen Hinweis beschränken. Maßgebend ist somit folgende Rechtslage:

Wurde die Bescheinigung über die Erledigung eines Carnet TIR missbräuchlich oder betrügerisch erwirkt, so genügt es, in der Notifikation gemäß § 11 Abs 1 zweiter Satz TIR auf diesen Umstand hinzuweisen. Die Anführung von Einzelheiten der missbräuchlichen oder betrügerischen Handlungen, die der Erledigung eines Carnet TIR durch das Bestimmungszollamt zugrunde lagen, ist zwar zweckmäßig, als Anspruchsvoraussetzung gegenüber dem bürgenden Verband jedoch nicht zwingend erforderlich.

5. Weitere Verpflichtungen der Zollbehörden

5. 1. Nach Meinung der beklagten Partei hätte das rumänische Transportunternehmen nach Art 38 TIR vom TIR-Verfahren ausgeschlossen werden müssen. Es sei "üblich, dass innerhalb von 14 Tagen nach Gestellung durch das Bestimmungszollamt die Erledigungsbestätigung an das Eingangszollamt (in den gegenständlichen Fällen Österreich) gesandt" werde. Bei Nichteinhaltung dieser Frist leite das Eingangszollamt ein internes Suchverfahren ein und ersuche das Bestimmungszollamt, "innerhalb von vier Wochen die Erledigungsbestätigung an das Eingangszollamt zu übermitteln". Werde auch diese Frist versäumt, wende sich "das Eingangszollamt an die vorgesetzte Zollstelle des Bestimmungszollamts, worauf eine weitere Frist von 14 Tagen für die Übermittlung der Erledigungsbestätigung vorgesehen" sei. Das rumänische Transportunternehmen hätte daher "spätestens zu dem Zeitpunkt, als klar" gewesen sei, dass "die Erledigungsbestätigung nicht innerhalb der Frist von 14 Tagen an das Eingangszollamt übermittelt" worden sei, vom TIR-Verfahren ausgeschlossen werden müssen.

5. 2. Die Argumentation der beklagten Partei beruht auf im Rechtsmittelverfahren unzulässigen Neuerungen. Es mangelt daher auch an der Feststellung von Tatsachen, die diese rechtlichen Schlussfolgerungen der beklagten Partei stützen könnten. Anzumerken ist ferner, dass für den Ausschluss einer Person vom TIR-Verfahren nach Art 38 Abs 1 TIR nicht schon der Verdacht "einer schweren Zuwiderhandlung gegen die für den internationalen Warentransport geltenden Zollgesetze oder sonstiger Zollvorschriften" genügt. Eine solche Person muss sich einer derartigen Zuwiderhandlung vielmehr "schuldig gemacht" haben. Hier muss nicht erörtert werden, ob der Ausschluss eine Verurteilung der betroffenen Person voraussetzt oder bereits eine als unwiderleglich erscheinende Faktenlage den Ausschluss rechtfertigen könnte.

6. Beweis des Gegenteils

Soweit die beklagte Partei den Standpunkt verficht, der klagenden Partei sei der nach Art 8 Abs 6 TIR erforderliche Beweis, dass die im Carnet TIR über die Waren enthaltenen Angaben unrichtig gewesen seien, nicht gelungen, führt sie eine in dritter Instanz unzulässige Beweisrüge aus. Deren Gründe bedürfen somit keiner Erörterung.

7. Zuständige Zollbehörde

Die beklagte Partei behauptet ferner, eine österreichische Zollbehörde sei zur Vorschreibung von Abgaben für die Schmuggelfahrten mit Fahrzeugen des rumänischen Transportunternehmens nicht zuständig gewesen. Sie bleibt für diese Behauptung indes jede Begründung schuldig. Auch dieses Thema bedarf daher keiner Erörterung.

8. Anregung eines Vorabentscheidungsersuchens

Die beklagte Partei meint, die Auslegung des TIR-Abkommens sei "wegen des Gemeinschaftscharakters aller Zollvorschriften ausschließlich nach gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen vorzunehmen".

Das TIR-Abkommen ist ein UN-Abkommen, zu dessen Auslegung der EuGH nicht berufen ist. Soweit sich gemeinschaftsrechtliche Zollvorschriften auf das TIR-Verfahren beziehen, geht es um zollrechtliche Folgen des Abkommens. Das Abkommen selbst ist jedoch nicht nach autonomem Gemeinschaftsrecht auszulegen. Im Übrigen verweist die beklagte Partei zutreffend auf 0.11-2 der Erläuterungen zu Art 11 Abs 2 TIR in der Anlage 6 (siehe 1. 2.), wonach der bürgende Verband nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften aufgrund des danach abgeschlossenen Bürgschaftsvertrags (siehe § 1 dieses Vertrags) in Anspruch genommen werden kann

9. Ergebnis

Spruchreif sind die beiden Fakten, die sich auf das deutsche Transportunternehmen (Kapital 72.672,83 EUR) beziehen, und die Bestätigung der Abweisung des schon vom Erstgericht erledigten Teils des Klagebegehrens. Insoweit sind die Urteile der Vorinstanzen als Teilurteil zu bestätigen. Im Übrigen ist die Aufhebung deren Urteile unvermeidlich. Insofern wird das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren die erörterten Feststellungen zu treffen haben, um eine abschließende rechtliche Beurteilung an Hand der Erwägungen dieser Entscheidung zu ermöglichen.

10. Kosten

Der Ausspruch über den Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 2 ZPO.

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