OGH 11Os66/03

OGH11Os66/0327.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Mai 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Mayer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Günter W***** wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB über den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 6. September 2002, GZ 22 Hv 64/02g-26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Dem Angeklagten Günter W***** wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Ablauf der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde bewilligt.

II. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

III. Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

IV. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Verfahrens über seine Nichtigkeitsbeschwerde zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Günter W***** des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 4. Mai 2002 in St. Johann in der Haide Nadine R***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes zu nötigen versucht hat, indem er sie gegen ihren Willen und trotz ihrer Gegenwehr in Anwendung seiner eigenen Körperkraft in den Wald zerrte, sie zu Boden stieß, sich auf sie setzte, zur Hintanhaltung von Gegenwehr ihre Hände über ihrem Kopf fixierte, ihr die Über- und die Unterhose vom Genitalbereich riss, sich selbst im Genitalbereich entkleidete, die Beine des Opfers auseinanderzwängte und sodann den Beischlaf durchzuführen versuchte, wobei es jedoch infolge der Gegenwehr des Opfers nicht zur Tatvollendung kam.

Gegen den Strafausspruch meldete der Staatsanwalt unmittelbar nach Verkündung des Urteils Berufung an. Der Angeklagte gab zunächst keine Erklärung ab, meldete jedoch am 9. September 2002 Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (ON 28).

Nach Zustellung einer Urteilsausfertigung an den Verteidiger führte dieser die Nichtigkeitsbeschwerde aus, übermittelte sie jedoch per Post an das Bezirksgericht für Strafsachen Graz, von wo sie an das zuständige Landesgericht für Strafsachen Graz weitergeleitet wurde, dort jedoch erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist einlangte. Die Nichtigkeitsbeschwerde wurde daher vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 18. März 2003, GZ 11 Os 24/03-6, der am 2. April 2003 an den Verteidiger abgefertigt wurde als verspätet zurückgewiesen. Der Angeklagte beantragt mit Schriftsatz vom 9. April 2003 (beim Erstgericht eingelangt am 11. April 2003 - ON 39) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde mit der Begründung, der langjährigen, bisher zuverlässig arbeitenden Kanzleiangestellten seines Verteidigers, Marietta K***** sei ein Versehen dahin unterlaufen, dass sie das Kuvert, mit dem die an das Landesgericht für Strafsachen Graz adressierte Nichtigkeitsbeschwerde an dieses Gericht übermittelt werden sollte, mit der Adresse des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz beschriftet habe. Dieser Fehler stelle einen unabwendbaren Grund dar, der es dem Verteidiger ohne sein Verschulden unmöglich gemacht habe, die Frist einzuhalten.

Rechtliche Beurteilung

Da kein Anlass besteht, an der Richtigkeit des Antragsvorbringens zu zweifeln, und ein einmaliges Versehen einer bisher zuverlässig arbeitenden Kanzleiangestellten einen unabwendbaren Grund darstellt, der dem Rechtsanwalt nicht als Verschulden angelastet werden kann, war die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, weil der Wiedereinsetzungsantrag fristgerecht gestellt wurde, er auf die bereits im Akt erliegende mit 12. Dezember 2002 datierte Nichtigkeitsbeschwerde verweist, womit auch der Vorschrift des § 364 Abs 1 Z 3 StPO entsprochen wurde.

Dieses auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Rechtsmittel ist jedoch nicht im Recht.

Die ersichtlich eine Unvollständigkeit durch Nichtbeachtung der Einlassung des Angeklagten, er habe nur gewollt, dass Nadine R***** seinen Penis streichle, behauptende Mängelrüge (Z 5) bezieht sich auf die Konstatierung, er habe beabsichtigt, mit R***** den Beischlaf durchzuführen. Sie beschränkt sich jedoch auf die Wiedergabe der Darstellung des Tatopfers zum objektiven Geschehen und der Verantwortung des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung. Die Tatrichter haben ihre Feststellungen aber nicht nur auf die Angaben der Zeugin R***** sondern insbesondere auf die (geständige) Verantwortung des Angeklagten vor den Sicherheitsbehörden (auch zur subjektiven Tatseite) gestützt, welche er vor dem Untersuchungsrichter als richtig zugestand. Mit der Tatsache, dass er in der Hauptverhandlung seinen Vorsatz auf Durchführung eines Geschlechtsverkehrs abschwächte, hat sich das Erstgericht ohnedies auseinandergesetzt (US 8). Die Argumentation entspricht den Grundsätzen logischen Denkens und den Erfahrungen des täglichen Lebens.

Der behauptete Begründungsmangel liegt daher nicht vor. Die Subsumtionsrüge, welche eine Unterstellung der Tat unter den Tatbestand des § 202 Abs 1 StGB anstrebt, ist nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Die prozessordnungsgemäße Darstellung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat ausgehend von allen tatsächlich getroffenen Urteilsfeststellungen einen Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz vorzunehmen und auf dieser Grundlage den Einwand zu entwickeln, dass dem Erstgericht bei der rechtlichen Beurteilung ein Irrtum unterlaufen ist (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 9a E 5). Der Beschwerdeführer verweist nur neuerlich auf seine Verantwortung in der Hauptverhandlung, womit er den deliktsspezifischen Vorsatz in Abrede stellt, übergeht damit aber die Konstatierungen, wonach er den Vorsatz hatte, trotz der massiven Gegenwehr der Zeugin R***** unter Anwendung von Gewalt an ihr den Geschlechtsverkehr zu vollziehen (US 6).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt in einer nichtöffentlichen Sitzung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285a Z 2 StPO).

Da die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom Obersten Gerichtshof antragsgemäß nur gegen den Ablauf der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde zu gewähren war, ist zur Entscheidung über die (angemeldete, jedoch nicht ausgeführte) Berufung des Angeklagten und jener der Staatsanwaltschaft der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a StPO.

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