OGH 4Ob91/03s

OGH4Ob91/03s20.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** Ges.m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Harald Hohenberg, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei T*****GmbH, *****, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Unterlassung und Widerruf (Streitwert im Sicherungsverfahren 50.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 5. März 2003, GZ 6 R 32/03b-9, womit der Beschluss des Landesgerichtes Leoben vom 10. Jänner 2003, GZ 7 Cg 232/02z-3, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.285,48 EUR (darin 547,58 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin erzeugt (Bio-)Futtermittel ua für Legehennen. Die Beklagte kauft (Bio-)Eier von Bauern und verkauft sie an Einzelhandelsketten, darunter auch an die "*****“ ***** Gesellschaft m.b.H. (in der Folge: Abnehmerin), ein Unternehmen des B*****-Konzerns, weiter.

Bei einer im Auftrag der Beklagten durch ein akkreditiertes Labor durchgeführten Untersuchung wurden in einem Legehennenfutter der Klägerin Rückstände des Pestizides Hexachlorzyclohexan (HCH) mit einem Wert von 0,01 mg festgestellt; dieser Wert ist zugleich der nach dem österreichischen Lebensmittelkodex zulässige Grenzwert dieses Schädlingsbekämpfungsmittels bei Getreide mit dem Bezeichnungselement "biologisch" und daraus hergestellten Folgeprodukten.

Die Beklagte nahm dieses Untersuchungsergebnis zum Anlass eines Schreibens vom 9. 12. 2002 an ihre Abnehmerin mit auszugsweise folgendem Inhalt: „ (...) Bei einer von uns durchgeführten Routineuntersuchung des Legehennenfutters haben wir Rückstände eines Insektizid (HCH zwischen 0,007 mg und 0,01 mg) gefunden. (...) Als Lösung dieses Problemes haben wir folgende Maßnahmen getroffen: Liefersperre des Futtermittelwerkes V***** für unsere Produzenten (in diesem Futtermittelwerk wurde im Legehennenfutter das Insektizid gefunden). Alle unsere Bio-Freilandeierproduzenten werden ab sofort nur mehr freigegebenes Futtermittel verwenden. (...) Es ist unsere Aufgabe, Bio-Freilandeier mit der besten Qualität an unsere Konsumenten zu liefern. Mit den laufenden Untersuchungen und den oben genannten Maßnahmen haben wir gezeigt, dass unsere Firma Kompetenz in der Produktion von Bio-Freilandeiern hat. (...)."

Am selben Tag richtete die Beklagte ein Schreiben an die ihr vertraglich verbundenen Freilandeier-Produzenten, das auszugsweise folgenden Inhalt hat: „Sehr geehrter Bio-Freilandeier-Produzent! Im vergangenen Sommer gab es in Deutschland Probleme mit Pestiziden bei der Bio-Legehennenfütterung (Nitrofen). Als Vorbeugungsmaßnahme untersuchen wir laufend unsere Bio-Futtermittel. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen haben gezeigt, dass bei einigen unserer Lieferanten Pestizide (Spritzmittelrückstände) im Legehennenfutter festgestellt worden sind. Die gesetzlichen Grenzwerte wurden nicht überschritten. Da Bio-Legehennenfutter keinesfalls mit Pestiziden belastet sein darf, reagieren wir mit einer sofortigen Sperre des Futtermittelherstellers V*****. Bis auf weiteres darf kein Bio-Legehennenfutter von der Firma (...) V***** bestellt werden. Dies gilt so lange, bis wir diese Firmen wieder freigeben und dies Ihnen mitteilen. (...)"

Gestützt auf §§ 1, 7 UWG und § 1330 ABGB begehrt die Klägerin, der Beklagten aufzutragen,

a) Mitteilungen an die Abnehmerin sowie an Bauern, die Legehennen zur Erzeugung von Bio-Eiern halten, zu unterlassen mit dem Inhalt, nur Futtermittel der Klägerin enthalten HCH, weshalb Futtermittel dieser Firma gesperrt werden als Lieferanten für Futtermittel an Biobauern;

b) Mitteilungen an Bauern, die Legehennen zur Erzeugung von Bio-Eiern halten, des Inhalts zu unterlassen, dass Futtermittel der Klägerin als Futtermittel dieser Bauern gesperrt werden. Sie stellt weiters ein Begehren auf Widerruf und Veröffentlichung des Widerrufs. Zur Sicherung ihrer Ansprüche begehrt die Klägerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wonach der Beklagten bis zur Rechtskraft des Urteils in diesem Vefahren aufgetragen werde, Mitteilungen an die Abnehmerin und die Bauern, welche Legehennen zur Erzeugung von Bio-Eiern halten, mit dem Inhalt, dass Futtermittel der Klägerin als Futtermittel dieser Bauern gesperrt sind, zu unterlassen. Die Beklagte versuche, den Ruf der Klägerin zu schädigen und jenen ihrer Mitbewerber zu verbessern. Die Beklagte stelle die unwahre Behauptung auf, Futtermittel der Klägerin enthielten HCH, jene anderer Erzeuger nicht. Die Beklagte gebe zu, dass es sich bei der ausgesprochenen Liefersperre um eine wettbewerbsbehindernde Maßnahme handle.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Sie wolle mit den beanstandeten Maßnahmen sicherstellen, dass ihre Lieferanten in Zukunft nur völlig unbelastete Futtermittel verwendeten. Es bestehe keine Wiederholungsgefahr. Ein drohender unwiederbringlicher Schaden der Klägerin sei nicht bescheinigt.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Streitteile seien keine Wettbewerber. Auch sei eine nochmalige Versendung der beanstandeten Schreiben nicht zu erwarten, weshalb keine Wiederholungsgefahr bestehe. Die Klägerin habe die ihr drohende Gefährdung nicht bescheinigt.

Das Rekursgericht gab dem Sicherungsantrag statt. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei. Klagelegitimiert im Wettbewerbsprozess sei jeder in seinem wirtschaftlichen Ruf verletzte Unternehmer. Ein Wettbewerbsverhältniss liege schon dann vor, wenn der Beklagte den Wettbewerb Dritter fördern wolle. Die von der Beklagten ausgesprochene Liefersperre des Futtermittelwerks der Klägerin bewirke gegenüber der Abnehmerin und den Eier-Produzenten eine generelle Herabsetzung der Waren der Klägerin sowie gegenüber den Bauern den Eindruck, dass überhaupt Waren der Klägerin in Hinkunft nicht mehr bezogen werden könnten oder sollten. Es liege ein Verstoß gegen § 7 UWG vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die Verbotswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten unrichtig beurteilt hat; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

§ 7 UWG schützt Mitbewerber (nur) vor unrichtigen Verlautbarungen über ihr Unternehmen. Sein Normzweck besteht darin, das Interesse des angeschwärzten Unternehmens daran zu schützen, dass es Dritten gegenüber nicht in unzutreffender Weise "schlecht gemacht" wird (Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht³ § 26 Rz 3).

Auch ein auf § 1330 Abs 2 ABGB gestützter Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass der in Anspruch Genommene unwahre Tatsachen verbreitet hat. Unwahr ist eine Äußerung dann, wenn ihr sachlicher Kern im Zeitpunkt der Äußerung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt (Harrer in Schwimann, ABGB² Rz 26 zu § 1330 mwN).

Zutreffend weist die Beklagte in ihrem Rechtsmittel darauf hin, gegenüber den Adressaten der von ihr verfassten Schreiben keinen falschen Eindruck erweckt zu haben. Der Inhalt der von der Klägerin beanstandeten Schreiben beschränkt sich nämlich auf die Wiedergabe der (als wahr erwiesenen) Tatsachen, wonach Untersuchungen ergeben haben, dass in Futtermitteln der Klägerin Pestizidrückstände enthalten waren. Wenn die Beklagte auf Grund dieser Umstände ihre Produzenten auffordert, die benötigten Futtermittel bis auf weiteres nicht bei der Klägerin zu kaufen, und ihrer Abnehmerin diese Maßnahme mitteilt, handelt es sich dabei um eine Maßnahme ihrer Geschäftspolitik, nur vollkommen rückstandsfreies Futtermittel bei der Produktion der von ihr abzukaufenden Eier zuzulassen und entsprechend auf ihre Produzenten einzuwirken. Die Festsetzung einer solchen Qualitätsschwelle gegenüber ihren Vertragspartnern steht der Beklagten frei und kann ihr nicht unter Hinweis auf § 7 UWG untersagt werden.

In diesem Zusammenhang spielt es auch keine Rolle, ob die Beklagte auf die Grenzwerte nach dem österreichischen Lebensmittelkodex hingewiesen hat oder nicht, darf doch ein Unternehmen ungeachtet dieser Grenzwerte mit seinen Lieferanten vereinbaren, nur solche Produkte abnehmen zu müssen, die völlig rückstandsfrei sind. Dass kein auf dem Markt erhältliches Futtermittel vollkommen rückstandsfrei sein könne, wie die Klägerin behauptet, steht nicht fest (und widerspricht auch der - unbestrittenen - Behauptung in Beil./T, dass - nur - bei "einigen" Futtermittel-Lieferanten Pestizide im Legehennenfutter festgestellt worden seien); selbst wenn man dies aber unterstellen wollte, änderte dies noch nichts an der Beurteilung, dass die von der Beklagten verbreiteten Tatsachen wahr sind.

Es können aber auch wahre Behauptungen geschäftsschädigender Art wettbewerbswidrig sein und gegen § 1 UWG verstoßen. Solches setzt voraus, dass kein hinreichender Anlass besteht, das eigene Erfolgsstreben mit der Herabsetzung des Mitbewerbers zu verbinden, und dass sich die Kritik nicht nach Art und Maß im Rahmen des Erforderlichen hält (MR 1997, 170 = ÖBl 1998, 14 - Schwarzhörer willkommen mwN; ÖBl 2000, 219 - Konsumenten-Information).

Einen derartigen Vorwurf kann man der Beklagten nicht machen. Einerseits hatte sie nämlich mit dem Ergebnis der von ihr in Auftrag gegebenen Futtermittel-Untersuchung einen hinreichenden Grund für die beanstandeten Mitteilungen; andererseits ist die darin enthaltene Kritik an der Klägerin nicht überschießend, sondern beschränkt sich darauf, die Tatsachen offenzulegen. Das Erstgericht hat deshalb den Sicherungsantrag im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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