OGH 11Os46/03

OGH11Os46/0313.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Mai 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Mayer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Thomas H***** wegen der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über dessen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 15. November 2002, GZ 10 Hv 87/02t-33, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Thomas H***** der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den bereits rechtskräftig verurteilten Wolfgang P***** und Christopher K***** mit Gewalt gegen Personen oder [zu ergänzen: durch Drohung - vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 622 ff] mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Nachgenannten fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegnahm oder abnötigte, und zwar

1. am 26. August 2001 Michael P***** ein Mobiltelephon der Marke Nokia 3310 im Wert von 218,- EUR,

2. am 26. August 2001 Kazimir P***** ein Mobiltelephon der Marke Nokia 6210 im Wert von 218,- EUR,

3. im Zeitraum zwischen Ende August und Anfang September 2001 einem unbekannten Jugendlichen im Bereich des Verteilerkreises [in Wien 10] ein Mobiltelephon der Marke Nokia 6150.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus Z 4, 5, und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Die Verfahrensrüge (Z 4) greift vorerst die Abweisung von die Berufsrichter des erkennenden Schöffensenates betreffenden Ablehnungsanträgen an, lässt dabei jedoch in mehrfacher Hinsicht eine Ausrichtung am Gesetz vermissen:

Die auf § 74 Abs 1 StPO gestützte Entscheidung des Präsidenten des Jugendgerichtshofes Wien vom 13. November 2002 (ON 31), mit der die (inhaltlich dessen namentlich genannten Berufsrichter betreffende) "Ablehnung des Senates 10" (ON 30, eingebracht am 12. November 2002) abgewiesen wurde, ist gemäß § 74 Abs 3 Satz 1 StPO inappellabel und kann auch nicht aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO bekämpft werden. Soweit das Rechtsmittel Befangenheit des zweiten Berufsrichters des Schöffensenates geltend macht, entfernt es sich vom in der Hauptverhandlung vom 18. September 2002 gestellten Antrag, der allein die Vorsitzende des erkennenden Gerichtes betraf (ON 26, S 277/I) und bedarf daher wegen des Neuerungsverbotes im Nichtigkeitsverfahren keiner Erwiderung (Ratz aaO Rz 325).

Gegründet wurde die Ablehnung der Vorsitzenden auf "Befangenheit durch den Teilfreispruch des Wolfgang P***** in der Hauptverhandlung vom 8. Mai 2002" (der durch einen Schöffensenat unter Leitung dieser Berufsrichterin gefällt wurde).

Dieser prozessuale Schritt hätte nicht - wie das Erstgericht fälschlich argumentierte - spätestens 24 Stunden vor Beginn der Hauptverhandlung gesetzt werden müssen, da zu diesem Zeitpunkt der geltend gemachte Umstand dem Ablehnungswerber infolge Abwesenheit sogar dessen Rechtsvertreters bei der Urteilsverkündung am 8. Mai 2002 (vgl ON 22, S 165/II gegen ON 23) nicht bekannt war (Mayerhofer StPO4 § 73 E 4, 5).

Ausgehend allerdings vom Grundsatz, dass selbst ein Richter, der bereits einen Mittäter verurteilte, von der Verhandlung gegen weitere mutmaßliche Tatbeteiligte nicht ausgeschlossen ist (Mayerhofer aaO § 68 E 21), genügt die zitierte bloße Behauptung nicht den inhaltlichen Erfordernissen für eine Überprüfung des Ablehnungsantrages im Nichtigkeitsverfahren, weil sie nicht dartut, warum der ins Treffen geführte Umstand per se geeignet sein soll, fallbezogen die volle Unbefangenheit der abgelehnten Richterin in Zweifel zu setzen (§ 72 Abs 2 StPO).

Der Beschwerdeführer lehnte am Beginn der Hauptverhandlung überdies die Schöffin Karin J***** ab, "weil sie den Zeugen Wolfgang P***** kennt" (S 277, 361/II). Der dazu abweisliche Beschluss der Vorsitzenden (S 279/II) verletzt den Verteidigerausführungen zuwider weder die Grundsätze eines fairen Verfahrens im Sinne des Art 6 EMRK noch irgendwelche Verteidungsrechte. Die bloße (in der Berufsausübung gelegene) Bekanntschaft der gemäß § 28 Abs 1 JGG qualifizierten Laienrichterin mit einem wegen der Mitwirkung an den dem Rechtsmittelwerber zur Last gelegten Straftaten bereits rechtskräftig Abgeurteilten vermag bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler ohne eigene Interessen nicht einmal den Anschein erwecken, diese Schöffin würde an die ihr zukommende Entscheidungstätigkeit nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit, somit ohne Hemmung durch sachfremde psychologische Motive vor streng aequidistanter Bewertung herantreten; die bloß subjektive Besorgnis der Befangenheit kann Ablehnung erfolgreich nicht begründen (E. Steininger aaO Rz 47, 48; Foregger/Fabrizy aaO § 72 Rz 2; Mayerhofer aaO § 72 E 7).

Ebenso wenig im Recht ist die Rüge der Abweisung des Beweisantrages auf "Einholung eines psychiatrischen Gutachtens betreffend Thomas H***** zum Beweis dafür, dass er aufgrund seiner psychischen Verfassung zu den Tatzeitpunkten nicht in der Lage war anderes zu handeln, als dem psychischen Druck, der durch Wolfgang P***** gegen ihn ausgeübt wurde, nachzugeben und sich dadurch an den Raubtaten zu beteiligen, ... weil ihm aufgrund seiner psychischen Verfassung nicht jener Handlungsspielraum zur Verfügung stand, der einem vernünftig denkenden und sonst in jeder Weise psychisch intakten Menschen als Quäntchen zur Verfügung gestanden wäre" (S 407, 409/II). Zutreffend verwehrte das Erstgericht diese im Ergebnis auf eine reine Erkundung hinauslaufende Beweiserhebung mangels zureichender Anhaltspunkte für das Vorliegen einer derartigen Ausnahmesituation im Lichte der im Antragzeitpunkt vorhandenen Beweisergebnisse: Hält man sich nämlich vor Augen, dass der Nichtigkeitswerber - der sich teilweise schuldig bekannte (S 279/II) - selbst einräumte, sich wegen eigener Geldnot und in Aussicht gestellter Beute an den von Wolfgang P***** (den er trotz oder wegen dessen furchteinflößenden Auftretens - [auch] ihm gegenüber - doch als "tollen Typ" empfand) initiierten Raubtaten beteiligte, obwohl er genauso hätte wegrennen können (S 287, 389, 303, 285/II), und vergleicht die Aussagen der Mutter des Angeklagten, dieser sei "unter Druck ganz starr, gleichsam paralysiert" (S 331, 401/II), mit denen - umfangreiche (nach § 142 Abs 1 StGB tatbestandsmäßige) Aktivitäten H***** deponierenden - der Opfer P***** und P***** (S 171, 307, 311/II "[H*****] wirkte wirklich nicht eingeschüchtert"; 173/II), war bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabes durch die begehrte Expertise eine erfolgversprechende Bereicherung der zur Wahrheitsfindung führenden Prämissen nicht zu erwarten (Ratz aaO Rz 341, 347). Die Ausführung der Mängelrüge (Z 5) erschöpft sich in dem Vorwurf mangelhafter, ja nicht hinreichender Begründung der Verurteilung zu Spruchpunkt 3 - abgesehen vom Übergehen der erstgerichtlichen Konstatierungen und beweiswürdigenden Überlegungen dazu US 6 bis 9 ist dies keine von § 285a Z 2 StPO verlangte deutliche und bestimmte Bezeichnung der angesprochenen Nichtigkeit (Mayerhofer StPO4 § 285a E 49).

Im Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5a) unternimmt der Beschwerdeführer mit einer Vielzahl von Zitaten aus den Akten den Versuch, seiner Verantwortung in erster Instanz, er habe nur aus Furcht vor Wolfgang P***** und eigenem Schaden an den Raubüberfällen mitgewirkt, zum Durchbruch zu verhelfen. Die Tatrichter haben sich indes gerade mit diesem Aspekt auf Basis der Verfahrensergebnisse ausführlich auseinandergesetzt (US 9 bis 12) und gelingt es dem Angeklagten nicht, erhebliche aus den Akten sich ergebende Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruches über entscheidende Tatsachen zu erwecken. Die im Ergebnis angestrebte ihm günstigere Schlussfolgerung aus den vorliegenden Beweisinhalten stellt den behaupteten Nichtigkeitsgrund nicht her (Mayerhofer aaO § 281 Z 5a E 17). Die teils nicht prozessordnungsgemäß ausgeführte, teils offenbar unbegründete (§§ 285d Abs 1 Z 1, Z 2, 285a Z 2 StPO) Nichtigkeitsbeschwerde war bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen, woraus die Kompetenz des Gerichtshofes II. Instanz zur Entscheidung über die unter einem erhobene Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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