Spruch:
Der Revision der beklagten Parteien wird teilweise Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Ausspruch über das Feststellungsbegehren dahin abgeändert, dass sie wie folgt zu lauten haben:
"Es wird festgestellt, dass die beklagten Parteien der Klägerin zur ungeteilten Hand zur Hälfte für alle künftigen aus dem Verkehrsunfall vom 17. Juli 1999 entstehenden Schäden haften, wobei die Haftung der beklagten Parteien mit den zum Unfallszeitpunkt (17. Juli 1999) geltenden Haftungshöchstbeträgen nach den §§ 15 und 16 EKHG beschränkt ist.
Das Mehrbegehren, es werde festgestellt, die zweitbeklagte Partei hafte der Klägerin für Ansprüche aus dem Verkehrsunfall schlechthin, also auch für bereits fällige, sowie für zukünftige Schäden ohne die Beschränkung nach den Haftungshöchstbeträgen nach den §§ 15 und 16 EKHG bis zur Höhe der bestehenden Haftpflichtversicherungssumme mit der der auf das Kennzeichen ZH ***** zugelassene PKW haftpflichtversichert ist, wird abgewiesen."
Das Zwischenurteil des Berufungsgerichtes hingegen wird bestätigt, Punkt II.1. davon mit der Maßgabe, dass dieser wie folgt zu lauten hat:
"Die - unter Berücksichtigung eines 50%igen Mitverschuldens - geltend gemachte Forderung von EUR 8.183,18 sA besteht dem Grunde nach zu Recht."
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 17. 7. 1999 ereignete sich gegen 13 Uhr 45 im Ortsgebiet von Weißbriach auf einer Gemeindestraße knapp westlich der Schwarzenbachbrücke ein Verkehrsunfall, bei welchem die am 19. 8. 1987 geborene Klägerin als Lenkerin eines Fahrrades und der Erstbeklagte als Lenker und Halter seines bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKWs beteiligt waren und bei dem die Klägerin zu Sturz kam und verletzt wurde. Am Fahrzeug des Erstbeklagten entstand dabei ein Sachschaden in Höhe von EUR 1.449,38, darüberhinaus entstanden unfallsbedingte Mietwagen- und sonstige Unkosten.
Die Klägerin begehrt unter Einrechnung eines Eigenverschuldens von 50 % Zahlung von Schmerzengeld, Verunstaltungsentschädigung sowie den Ersatz von Sachschäden und Behandlungskosten und schließlich die Feststellung, dass ihr die beklagten Parteien zur Hälfte für sämtliche Folgen aus dem Verkehrsunfall, die zweitbeklagte Partei nur bis zur Höhe der bestehenden Haftpflichtversicherungssumme zu haften hätten. Der Erstbeklagte habe den Rechtsvorrang der Klägerin missachtet und für die gegebenen Sicht- und Straßenverhältnisse eine überhöhte Geschwindigkeit eingehalten sowie die Aufmerksamkeit im Straßenverkehr verletzt.
Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens; die Klägerin sei mit ihrem Fahrrad aus einem unbedeutenden und abschüssigen Weg kurvenschneidend auf den vorsichtig und langsam gelenkten PKW des Erstbeklagten zugefahren, der trotz sofortiger Bremsung eine Kollision nicht mehr habe verhindern können. Kompensando wurde der dem Erstbeklagten erwachsene Schaden gegen die Klageforderung eingewendet.
Das Erstgericht wies ohne Prüfung der Höhe der Ansprüche sowohl das Leistungsbegehren als auch das Feststellungsbegehren ab. Das Berufungsgericht sprach mit Teilurteil aus, dass das Feststellungsbegehren im Ausmaß von 50 % zu Recht bestehe, wobei die Haftung der zweitbeklagten Partei mit der Höhe der bestehenden Haftpflichtversicherungssumme des Versicherungsvertrages für den PKW des Erstbeklagten begrenzt sei; weiters erkannte es mit Zwischenurteil, dass die geltend gemachte Forderung von EUR 8.183,18 sA dem Grunde nach "auf der Basis einer 50%igen Haftung der Beklagten" zu Recht und die Gegenforderung von EUR 1.525,54 dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht bestünden. Im Übrigen hob es das Urteil hinsichtlich des Leistungsbegehrens zur Klärung der Höhe der Ansprüche und zur Endentscheidung durch das Erstgericht ohne Rechtskraftvorbehalt auf.
Die Vorinstanzen sind von nachstehenden zusammengefassten Feststellungen ausgegangen:
Die Unfallstelle befindet sich im Ortsgebiet von Weißbriach westlich der "Schwarzenbachbrücke"; die erlaubte Geschwindigkeit ist mit 50 km/h begrenzt.
Die vom Erstbeklagten befahrene Gemeindestraße verläuft in seiner Fahrtrichtung von Osten Richtung Westen und ist im Bereich einer angenommenen Bezugslinie (auf Höhe der Schwarzenbachbrücke) 4,30 m breit. Unmittelbar westlich dieser Bezugslinie mündet aus Nordosten eine Gemeindestraße in einem Einmündungswinkel von 40 Grad. Die nördliche Begrenzung dieser Gemeindestraße und die östliche Begrenzung einer weiteren in die vom Erstbeklagten befahrene Straße einmündenden und von der Klägerin benützten Gemeindestraße befindet sich 3,5 m westlich der Bezugslinie. Die Klägerin wollte mit ihrem Fahrrad mit einer Geschwindigkeit von 20 km/h von der zweiten zuvor genannten Gemeindestraße in die vom Erstbeklagten befahrene Gemeindestraße einbiegen und hielt dabei eine linke und extrem kurvenschneidende Fahrlinie ein. Der Erstbeklagte näherte sich mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h und reagierte prompt auf das Auftauchen der Klägerin mit einer Vollbremsung. Die Klägerin fuhr mit ihrem Fahrrad gegen den rechten vorderen Kotflügel des PKWs des Erstbeklagten. Die Kontaktstelle zwischen beiden Fahrzeugen befand sich 2,5 m westlich der Bezugslinie. Zum Kollisionszeitpunkt hatte der PKW des Erstbeklagten noch eine Geschwindigkeit von 17 km/h und bewegte sich anschließend noch 1,5m in die Endlage, in der die Vorderfront des Fahrzeuges 4,5m westlich der Bezugslinie entfernt war. Kurz vor der Kollision hat der Erstbeklagte sein Fahrzeug nach links gelenkt. Die Klägerin prallte mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe und erlitt (im Ersturteil näher festgestellte) Verletzungen. Dauerfolgen sind nicht auszuschließen. Rechtlich erörterte das Erstgericht, die Kollision habe sich noch außerhalb des Kreuzungsbereiches ereignet und sei auf das "einschneidende" Einfahren der Klägerin und auf die von ihr eingehaltene Geschwindigkeit zurückzuführen. Sie treffe daher das Alleinverschulden am Zustandekommen des Unfalls. Ein Mitverschulden des Erstbeklagten sei nicht feststellbar.
Das Berufungsgericht, das die Feststellungen des Erstgerichtes - klarstellend - übernahm, erachtete eine Haftungsteilung unter Berücksichtigung des Alters der Klägerin von 1 : 1 für angemessen. Den beklagten Parteien sei der Entlastungsbeweis im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG misslungen. Ein besonders sorgfältiger Kraftfahrer hätte angesichts der Unfallsörtlichkeit (Breite der Gemeindestraße 4,30 m, zwei hintereinander in Fahrtrichtung des Erstbeklagten gesehen jeweils von rechts ungeregelt einmündende Gemeindestraßen, ungünstige Sichtverhältnisse auf Grund von Sträuchern und Hecken) eine wesentlich geringere Annäherungsgeschwindigkeit gewählt oder sich in den Kreuzungsbereich vorgetastet. Die beklagten Parteien treffe jedenfalls die Gefährdungshaftung nach dem EKHG.
In der außerordentlichen Revision der beklagten Parteien wird geltend gemacht, das Berufungsgericht hätte bei Annahme einer bloßen Gefährdungshaftung das Feststellungsurteil mit den Haftungshöchstbeträgen nach dem EKHG begrenzen und seine Wirkung auf künftige Schäden beschränken müssen, aber auch, der Unfall sei für den Erstbeklagten ein unabwendbares Ereignis gewesen, ihn treffe keinerlei Verschulden.
Die Klägerin beantragt, in ihrer freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision der beklagten Parteien als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben. Der Erstbeklagte habe gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen und den (Rechts-)Vorrang der Klägerin verletzt, weshalb ihn auch eine Verschuldenshaftung treffe. Keinesfalls aber sei den beklagten Parteien der Entlastungsbeweis gelungen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht beachtet hat; sie ist auch teilweise berechtigt.
Nach der ständigen Rechtsprechung ist im Falle einer Haftung nach dem EKHG die Beschränkung dieser Haftung auf die Höchstbeträge des EKHG bei einem Feststellungsbegehren - als zur rechtlichen Beurteilung gehörend - von Amts wegen zu beachten (RIS-Justiz RS0039011; zuletzt 2 Ob 75/02x). Ein rechtliches Interesse besteht auch nur an der Feststellung künftiger Schadensersatzansprüche, die im Zeitpunkt der Einbringung der Feststellungsklage noch nicht fällig waren (ZVR 1985/51 uva). Daher war das Feststellungsurteil auf künftige Ansprüche aus dem Verkehrsunfall zu beschränken, das auf Schadensersatzansprüche schlechthin (also auch schon fällige) gerichtete Feststellungsbegehren hingegen abzuweisen. In der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, der Erstbeklagte habe unter den besonderen Umständen der örtlichen Verhältnisse die nach § 9 Abs 2 EKHG gebotene äußerste Sorgfalt nicht eingehalten, ist allerdings ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen. Es trifft zu, dass angesichts der geringen Straßenbreite, der unübersichtlichen örtlichen Verhältnisse und der Sichtbehinderungen ein besonders sorgfältiger Kraftfahrer eine geringere Annäherungsgeschwindigkeit gewählt hätte. Wenn dem Erstbeklagten - entgegen den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung - auch kein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls angelastet werden kann, weil sich der Unfall nach den Feststellungen noch außerhalb des Kreuzungsbereiches zwischen den vom Erstbeklagten und der Klägerin benützten Straßen (die Kollision ereignete sich 2,5 m westlich der Bezugslinie, während die von der Klägerin benützte Straße 3,5 m westlich der Bezugslinie einmündete) ereignet hat, so bleibt mangels Erbringung des erforderlichen Entlastungsbeweises die Gefährdungshaftung bestehen. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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