OGH 15Os22/03

OGH15Os22/0327.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. März 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zucker als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter M***** wegen Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 6. September 2002, GZ 22 Hv 54/02m-43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Peter M***** wurde

(1) der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und (2) der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er von Mai 1998 bis Juni 2000 und seit Juni 2001 in Graz

1) in zahlreichen Angriffen an der am 26. November 1997 geborenen Rebecca E***** durch Ablecken, Küssen und Streicheln am Geschlechtsteil und im Afterbereich, sohin außer dem Fall des § 206 StGB, geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person vorgenommen und

2) durch die unter Punkt 1 angeführten Handlungen Rebecca E***** unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber der seiner Aufsicht unterstehenden Minderjährigen zur Unzucht missbraucht. Die dagegen aus Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Mängelrüge (Z 5) behauptet, der Ausspruch über entscheidende Tatsachen sei undeutlich, unvollständig oder mit sich selbst im Widerspruch, für diesen Ausspruch seien keine oder nur offenbar unzureichende Gründe angegeben, erweist sie sich mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung eines Sachverhaltes, der den Prüfungskriterien des angezogenen Nichtigkeitsgrundes entspricht, als nicht prozessförmig dargestellt (Ratz, WK-StPO § 285d Rz 10). Insofern moniert wird, es mangle an einem logischen Zusammenhang zwischen Tatsachen und Gründen, die Urteilsfeststellungen bewegten sich auf dem Niveau einer unstatthaften Vermutung zu Lasten des Angeklagten, im gegenständlichen Fall sei das einzige Indiz, das für einen sexuellen Missbrauch spreche, ein sonderbares Verhalten der Missbrauchten, übt die Beschwerde auf zum Teil aktenfremder, zum Teil spekulativer Grundlage mit eigenständigen Beweiswerterwägungen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung Kritik an der Beweiswürdigung der Tatrichter. Diese haben die Annahme der Täterschaft des Angeklagten zum einen mit den Grundsätzen der Logik im Einklang, zum anderen dem Gebot der gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO Rechnung tragend, auf die Angaben des missbrauchten Mädchens (vgl ausführlich US 9 f) in Verbindung mit den Ausführungen der Sachverständigen zur Möglichkeit des realen Erlebnishintergrundes seiner Schilderungen und deren Glaubwürdigkeit (vgl US 12 und 13) sowie den Verhaltensauffälligkeiten nach der Tat im Gesamtzusammenhang gestützt und sich auch mit der vom Sachverständigen Dris. P***** geäußerten Meinung, wonach die Stuhlverhaltensprobleme der Zeugin nicht auf den gegenständlichen Missbrauch zurückzuführen seien, begründend auseinandergesetzt (US 13).

Dass die Tatrichter nicht der leugnenden Verantwortung des Angeklagten gefolgt sind und die aus den im Ersturteil angeführten Beweismitteln gezogenen Schlüsse dem Beschwerdeführer nicht überzeugend genug erscheinen, vermag den herangezogenen Nichtigkeitsgrund nicht darzustellen.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) versucht im Wesentlichen unter inhaltlicher Wiederholung der Argumentation zur Z 5, neuerlich selektivem Hervorheben einzelner Aussageteile, eigenständiger Würdigung der den Angeklagten scheinbar entlastenden Teile des kinderpsychologischen Sachverständigengutachtens Dris. P***** und unter Bezugnahme auf einen weiteren Bekannten der Kindesmutter namens "Peter" die Beweiswerterwägungen der Tatrichter in einer auch unter diesem Nichtigkeitsgrund nicht vorgesehenen Art in Frage zu stellen, vermag damit aber keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Was die Behauptung der Vernachlässigung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung anlangt, wird nicht deutlich und bestimmt dargelegt, wodurch der Angeklagte an der Ausübung seines Rechtes, die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert war und daher hätte belehrt werden müssen (§ 3), um so die Ermittlung der Wahrheit zu fördern (Ratz aaO § 281 Rz 480). Dem Vorbringen, "kein Zeuge, kein Sachverständiger könne aufgrund des Beweisergebnisses zwingend den Schluss ziehen, dass der Angeklagte tatsächlich eine Tathandlung begangen hätte", genügt letztlich die Erwiderung, dass eine logisch zwingende Begründung der Täterschaft nicht möglich und daher auch nicht vom Gesetz gefordert ist (Ratz aaO Rz 449).

Der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a), das Erstgericht habe "überhaupt keine Feststellungen" getroffen, "woraus sich eine Täterschaft des Angeklagten ergibt" (inhaltlich Z 5), gesteht unmittelbar anschließend selbst deren Begründung im Ersturteil zu. Die bloße Behauptung hinwieder, für einen Schuldspruch mangle es an sämtlichen Feststellungen, "wodurch der Angeklagte die Tathandlungen begangen hätte" erweist sich zum einem mangels Substanierung, zum anderen infolge Negierens der diesbezüglichen Konstatierungen US 6 als nicht gesetzgemäß dargestellt (§ 285a Z 2 StPO, Ratz aaO Rz 584). Letztlich trachtet die Beschwerde - auch im Rahmen der Rechtsrüge unzulässig - neuerlich unter spekulativen Erwägungen, zum Teil urteilsfremder Natur, die Beweiswürdigung zugunsten des Angeklagten zu verändern (Ratz aaO Rz 593).

Die vom Verteidiger gemäß § 35 Abs 2 StPO zur Stellungnahme des Generalprokurators zur Nichtigkeitsbeschwerde abgegebene, die Argumentation der Beschwerde im Wesentlichen lediglich wiederholende Äußerung vermag an den dargestellten Überlegungen nichts zu ändern. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO (zum Teil nach § 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO) in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufung wird das zuständige Oberlandesgericht zu entscheiden haben (§ 285i StPO).

Stichworte