OGH 15Os30/03

OGH15Os30/0327.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. März 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zucker als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ahmet S***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 18. November 2002, GZ 421 Hv 2/02k-62, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil wurde Ahmet S***** (zu A./) des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und (zu B./) des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

(A./) am 23. März 2002 Bekom E***** dadurch zu töten versucht, dass er, nachdem er ihm erklärte, er werde ihn umbringen, mit einer Pistole der Marke FEG (Makarov) auf diesen zwei Schüsse abgab, die nur deshalb nicht trafen, weil das Opfer die Hand des Angeklagten in die Höhe riss, worauf die Schüsse in die Luft gingen; sowie

(B./) bis zum 30. März 2002, wenn auch nur fahrlässig, die zu A./ bezeichnete Waffe unbefugt besessen.

Die Geschworenen bejahten die Hauptfrage 1 nach versuchtem Mord (sowie die Hauptfrage 2 nach unbefugtem Waffenbesitz) und ließen demgemäß die Eventualfragen in Richtung (1.) versuchter absichtlich schwerer Körperverletzung, (2.) versuchter schwerer Körperverletzung, sowie (3.) gefährlicher Drohung mit dem Tode unbeantwortet.

Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 5, 6, 8, 9 und 10 a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 5) scheitert, soweit sie die Abweisung von mit Schriftsätzen eingebrachten Beweisanträgen (auf Untersuchung des Tatorts und Beiziehung eines waffenkundlichen Sachverständigen) kritisiert, weil nur in der Hauptverhandlung mündlich gestellte Anträge Gegenstand des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes sein können (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 309 ff). Gleiches gilt auch für den ebenfalls mit Schriftsatz eingebrachten Antrag auf Einholung des Gutachtens eines psychologischen Sachverständigen, dessen Verlesung in der Hauptverhandlung einer Antragstellung iSd § 238 StPO nicht gleich kommt (Ratz aaO Rz 313). Im Übrigen wurde auch in keinem der Fälle von der Verteidigung dargetan, inwieweit die begehrten Beweisaufnahmen für die Schuld- oder Subsumtionfragen von Bedeutung seien (Ratz aaO Rz 327 ff); das ergänzende Vorbringen dazu im Rechtsmittel ist verspätet und somit unbeachtlich (aaO Rz 325).

Mit dem Vorbringen, der Zeuge E***** habe erstmals in der Hauptverhandlung eine bestimmte Tatsachenbehauptung aufgestellt, weshalb weder der Angeklagte noch der Verteidiger "dazu eine Verteidigungslinie aufbauen" habe können, dadurch sei das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren iSd Art 6 EMRK verletzt worden, wird kein Nichtigkeitsgrund iSd Z 5 behauptet, denn ein - dem Angeklagten jederzeit zur besseren Vorbereitung seiner Verteidigung offenstehender - Antrag auf Vertagung der Hauptverhandlung wurde nicht gestellt.

Die - auf Stellung einer Eventualfrage in Richtung §§ 15, 76 StGB zielende - Fragenrüge (Z 6) bezieht sich mit ihrer Berufung auf den Inhalt der Anklageschrift und einen Antrag des Verteidigers nicht auf in der Hauptverhandlung vorgebrachte Tatsachen (vgl Schindler, WK-StPO § 313 Rz 6 f, § 314 Rz 12 ff) und orientiert sich daher nicht am Gesetz. Soweit sie pauschal behauptet, "auch in der Hauptverhandlung ist hervorgekommen", dass der Angeklagte die Taten "nur unter Affekt begangen haben kann", mangelt es ihr an einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung von eine Eventualfrage indizierenden Verfahrensergebnissen.

Die Instruktionsrüge (Z 8) argumentiert mit der Behauptung, den Geschworenen hätte in der Rechtsbelehrung zur Hauptfrage wegen versuchten Mordes das zur Beurteilung der Tat als (versuchter) Totschlag wesentliche Tatbestandsmerkmal der "allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung" erläutert werden sollen, gesetzesfremd. Denn die Rechtsbelehrung hat gemäß § 321 Abs 2 StPO eine Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf welche die gestellten Fragen gerichtet sind, sowie eine Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes zu enthalten, nicht aber Deliktsmerkmale anderer Tatbestände, derentwegen eine Frage gar nicht gestellt wurde (Mayerhofer StPO4 § 345 Z 8 E 22; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 63).

Mit der Behauptung (Z 9), die Antwort der Geschworenen zur Hauptfrage nach versuchtem Mord sei in sich widersprechend, verkennt die Beschwerde das Wesen dieses Nichtigkeitsgrundes. Denn dieser kann nur vorliegen, wenn der Wahrspruch in sich widersprüchlich ist oder zwischen diesem und den kursorischen Erwägungen, welche in der Niederschrift der Geschworenen zum Ausdruck kommen, ein Widerspruch besteht (Ratz, aaO Rz 67). Mit den Behauptungen, die von den Geschworenen angenommene Tathandlung sei "bei Vorhandensein einer falschen Patrone im Lauf nicht denkmöglich" gewesen, weiters sei es ungeklärt geblieben, "wie eine Ladehemmung beseitigt wurde", schließlich sei die Aussage des Zeugen E***** über einen Schussversuch erst in der Hauptverhandlung vom 18. November 2002 überraschend erfolgt, sodass sich die Geschworenen und die Verteidigung damit nicht "wirklich auseinandersetzen" hätten können, bekämpft die Beschwerde jedoch nur in unzulässiger Form die den Laienrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.

Die Tatsachenrüge (Z 10a) vermag mit der Behauptung, dass eine nicht zur Pistole passende Patronenhülse aufgefunden worden sei, dies aber in der Hauptverhandlung "nicht näher erörtert" wurde, keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen hervorzurufen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur und entgegen der lediglich auf die Rechtsmittelausführung verweisenden Äußerung gemäß § 35 Abs 2 StPO - teils als offenbar unbegründet, teils als nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 iVm § 344 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i, § 344 StPO).

Stichworte