OGH 4Ob297/02h

OGH4Ob297/02h25.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U*****, vertreten durch Dr. Christof Pöchhacker, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei J*****, nunmehr T*****, vertreten durch Fellner, Wratzfeld & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 48.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Oktober 2002, GZ 4 R 204/02b-11, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 11. Juli 2002, GZ 19 Cg 53/02v-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts wird abgeändert und die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt.

Die Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.268,41 EUR (darin 691,40 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Beide Streitteile sind Internetserviceprovider und verschaffen ihren Kunden Zugang zum Internet. Die Beklagte führte im Dezember 2001 eine Werbekampagne in mehreren österreichischen Printmedien durch, die unter anderem die Aussage enthielten: "Holen Sie sich jetzt aonspeed 30, so günstig, dass wir es gar nicht sagen dürfen". Die Klägerin beantragt die Unterlassung dieser Werbeaussage und Urteilsveröffentlichung. Die beanstandete Aussage sei im Sinn des § 2 UWG irreführend. Die Beklagte habe nämlich ihr Produkt "aonspeed 30" zeitlich unmittelbar vorher mit dem Hinweis "ab lächerlichen ATS 199/Monat" beworben. Diese vorangehende Ankündigung sei vom Handelsgericht Wien mit einstweiliger Verfügung untersagt worden, weil die Beklagte verschwiegen habe, dass tatsächlich zusätzliche Einmalkosten in der Höhe des Dreifachen des angekündigten Entgelts sowie monatliche Zusatzkosten von 159 ATS für die angebotene Dienstleistung verrechnet würden. Mit dieser einstweiligen Verfügung sei auch die Aussage untersagt worden, dass "aonspeed 30 unlimitiertes Downloadvolumen" biete, weil tatsächlich bei Überschreitung eines Zeitlimits von 30 Stunden pro Monat weitere Zusatzkosten anfielen. Über das vom Verein für Konsumenteninformation im Zusammenhang mit der damaligen Werbeaussage angestrengte Gerichtsverfahren sei in den Medien berichtet worden. Die nun im vorliegenden Verfahren beanstandete Ankündigung "so günstig, dass wir es gar nicht sagen dürfen" nehme gerade auf diese Medienberichte Bezug und sei im Zusammenhang mit der ursprünglichen Werbung und deren Verbot zu sehen. Es sei zwar richtig, dass die Beklagte den ursprünglich genannten Preis nicht mehr nennen dürfe, doch sei dies nicht etwa deswegen der Fall, weil das Produkt der Beklagten so günstig sei, sondern deshalb, weil die tatsächlichen Kosten weit über dem ursprünglich genannten Preis lägen. Die (von der nun beanstandeten Aussage) angesprochenen Verkehrskreise würden über die Günstigkeit der Preisgestaltung getäuscht. Jene Personen, die von der Unzulässigkeit der ursprünglichen Werbeaussage Kenntnis erlangt hätten, würden zur unrichtigen Annahme verleitet werden, die damalige Angabe über das Monatsentgelt sei deshalb untersagt worden, weil die Beklagte eben so attraktiv kalkuliere. Jedenfalls juristisch Interessierte würden die Aussage, man dürfe den Preis nicht nennen, weil er so günstig sei, so verstehen, dass die Kalkulation der Beklagten attraktiver sei als es das Gesetz erlaube. Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Ein Zusammenhang zwischen der ursprünglichen Ankündigung und der nun beanstandeten bestehe nicht. Die Aussage "so günstig, dass wir es gar nicht sagen dürfen" könne nicht missverstanden werden, da sie weder eine konkrete Preisangabe noch den Hinweis auf eine Spitzenstellung enthalte. Jene Personen, die vom ursprünglichen Rechtsstreit Kenntnis hätten, würden nicht getäuscht, weil sie genau wüssten, warum die Beklagte den Preis nicht nennen durfte. Personen, bei denen dies nicht der Fall sei, könnten keinen Zusammenhang mit der ursprünglichen Werbeaussage herstellen und deshalb auch nicht getäuscht werden. Die nun beanstandete Aussage sei für sich allein betrachtet nicht irreführend und suggeriere keineswegs, dass das Angebot der Beklagten gesetzwidrig günstig sei. Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren statt und ermächtigte die klagende Partei zur Urteilsveröffentlichung in jenen sechs Zeitschriften, in denen die Werbeaussage der Beklagten erschienen war. Es stellte fest, dass die Beklagte im November und Dezember 2001 ein Inserat mit der Aussage "aonspeed 30. Ein Jahr lang ab lächerlichen ATS 199/Monat" in den österreichischen Printmedien "Tele" (14. 12. bis 20. 12. 2001), "Standard" (November 2001) und "Kurier" (28. 11. 2001) geschaltet habe. Kurzartikel im "Wirtschaftsblatt", in der "Wiener Zeitung" und in den "Vorarlberger Nachrichten" je vom 11. 12. 2001 und in den "Oberösterreichischen Nachrichten" vom 15. 12. 2001 hätten berichtet, dass diese Werbekampagne nach einem Unterlassungsvergleich zwischen dem Verein für Konsumenteninformation und der Beklagten beendet worden sei. Mit einstweiliger Verfügung vom 17. 1. 2002, 19 Cg 240/01t, habe das Handelsgericht Wien der Beklagten die Unterlassung dieser Werbeaussage aufgetragen. Bereits am 6. 12. 2001 habe die Beklagte eine abgewandelte Werbekampagne gestartet, die nunmehr statt eines ziffernmäßig bestimmten Preises die Aussage enthalten habe, "aonspeed 30, so günstig, dass wir es gar nicht sagen dürfen". Dieses Inserat sei in den Printmedien "News" (6. 12. 2001), "Profil" (10. 12. 2001), "TV Media" (51 und 52/2001), "Woman" (20. 12. 2001), "Kurier" (12. 12. 2001), "Kurier Freizeit" (15. 12. 2001) und "Kronen Zeitung" (10. 12. 2001) erschienen. Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, die beanstandete Werbekampagne suggeriere eine Preisgestaltung, die einem rechtlichen Verbot widerspreche. Die Beklagte fordere die angesprochenen Verkehrskreise auf, ein - im weitesten Sinn - rechtswidriges Angebot anzunehmen, was den Eindruck einer besonderen Modernität und Aufgeschlossenheit der Beklagten im Gegensatz zu einer offenbar kleinlichen Konkurrenz, die hiedurch pauschal abgewertet werde, erzeuge. Ein solches Verhalten sei mit den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs nicht vereinbar. Eine derartige Werbung falle zwar nicht unter § 7 UWG, weil sie keine Tatsachenbehauptungen über einzelne Mitbewerber enthalte. Auch § 2 UWG sei nicht anzuwenden, weil der Werbeaussage zwar der Tatsachenkern, das Angebot sei besonders günstig, entnommen werden könne, die Beklagte jedoch nicht behauptet habe, dass dies den Tatsachen widerspreche. Allerdings widerspreche die Werbeaussage der Generalklausel des § 1 UWG, die unter der Fallgruppe Behinderung jene die Konkurrenz herabsetzenden Verhaltensweisen subsumiere, die zwar nicht tatbestandsmäßig im Sinn des § 7 UWG seien, die jedoch eine nicht nachprüfbare Pauschalabwertung der Konkurrenz enthielten. Eine versteckte Abwertung sei ausreichend. Eine derartige versteckte Herabsetzung der Konkurrenz sei hier zu erkennen, weil den angesprochenen Verkehrskreisen suggeriert werde, die Konkurrenz brauche ein gesetzliches Verbot, um im Preiswettbewerb mit der Beklagten bestehen zu können. Dieser Umstand sei darüber hinaus für den Verbraucher nicht näher nachprüfbar. Das Unterlassungsbegehren sei daher berechtigt. Die Urteilsveröffentlichung habe in jenen Medien zu erfolgen, in denen die beanstandete Werbeaussage vorgenommen worden sei.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die Frage des möglichen Verständnisses der angesprochenen Verkehrskreise in Bezug auf den gegenständlichen Werbeslogan nicht über die Bedeutung des Einzelfalls hinausgehe. Der Auffassung des Erstgerichts, das in Anlehnung an die Entscheidung ÖBl 1998, 14 - Schwarzhörer willkommen, zur Annahme einer versteckten abfälligen Wertung der Mitbewerber gelangt sei, sei entgegenzuhalten, dass sich aus dem hier angesprochenen Slogan "so günstig, dass wir es gar nicht sagen dürfen" weder eine Assoziation zur Klägerin noch eine Bezugnahme auf andere Mitbewerber ergebe. Die Aussage der Beklagten verstoße auch nicht gegen § 2 UWG. Selbst wenn sie Assoziationen in die Richtung erweckte, es handle sich um ein besonders günstiges Angebot, das nicht aufrecht erhalten werden könne, wenn es in größerem Ausmaß publik würde, so sei jedenfalls nicht davon auszugehen, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise an den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, Kampfpreisunterbietung unter dem Einkaufspreis oder Ähnliches denke. Die Auffassung, die Beklagte würde sich damit gewissermaßen einer zwar kundenfreundlichen, aber gesetzwidrigen Preiskalkulation rühmen, könne nicht geteilt werden. Die Klägerin habe zwar dargelegt, dass die im vorangegangenen Werbeslogan enthaltene Preisangabe von 199 S pro Monat irreführend, weil tatsachenwidrig gewesen sei. Dass der tatsächliche Preis aber objektiv nicht "günstig" sei, habe sie nicht behauptet. Angesichts der Schnelllebigkeit des Wirtschaftslebens und der Reizüberflutung durch Werbeaussagen jedweder Art sei es unwahrscheinlich, dass ein ins Gewicht fallender Teil der angesprochenen Verkehrskreise den vorangehenden Werbeslogan und die mediale Berichterstattung über die diesen erfassende Unterlassungsverpflichtung in Erinnerung habe. Aber selbst wenn dies der Fall sein sollte, sei eine Irreführung nicht zu erkennen. Selbst jener Teil werde nicht an eine für den Kunden attraktive, aber gesetzwidrige Preiskalkulation denken. Nach dem Sinngehalt der beanstandeten Werbeaussage beziehe sich im Übrigen das "Nichtdürfen" keineswegs auf die Preiskalkulation, sondern auf das Nennen der Preise. Welche - in wettbewerbsrechtlich relevanter Weise zur Irreführung geeignete - Assoziationen die angesprochenen Verkehrskreise haben könnten, wenn das Nennen günstiger Preise verboten oder zumindest untunlich sei, sei nicht ersichtlich.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig, weil das Berufungsgericht von den in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur irreführenden Werbung entwickelten Grundsätzen abgewichen ist. Sie ist auch berechtigt.

Die Klägerin stützt ihr Begehren auf § 2 UWG. Sie sieht eine Irreführung darin verwirklicht, dass die Beklagte einen zeitlichen und inhaltlichen Bezug zu der ihr davor verbotenen Preisankündigung herstelle und den unrichtigen Eindruck erwecke, sie dürfe das monatliche Entgelt deshalb nicht nennen, weil sie günstiger als gesetzlich erlaubt kalkuliere. Tatsächlich sei das Verbot aber erlassen worden, weil die Preisangabe angesichts der von der Beklagten verlangten weiteren Kosten irreführend gewesen sei.

§ 2 UWG untersagt zur Irreführung geeignete Angaben über geschäftliche Verhältnisse, so etwa auch über die Preisbemessung. Irreführend ist eine Angabe, wenn die Vorstellungen, die die Adressaten über ihre Bedeutung haben, mit den wahren Verhältnissen nicht in Einklang stehen. So könnte auch die unrichtige Angabe über die Gründe eines gerichtlichen Verbots, einen bestimmten Preis zu nennen, zur Irreführung über geschäftliche Verhältnisse, wie etwa über die Preiskalkulation führen. Der Oberste Gerichtshof hat anlässlich der Beurteilung des durch eine Aussage vermittelten Gesamteindrucks als falsch oder richtig bereits ausgesprochen, dass zeitlich auseinanderfallende, inhaltlich aber miteinander im engen Zusammenhang stehende Äußerungen in ihrer Gesamtheit auszulegen sind. Ihr Bedeutungsinhalt ist nicht isoliert, sondern in einer Gesamtschau zu ermitteln. Beurteilungsmaßstab ist dabei ein fiktiver durchschnittlicher Mitteilungsempfänger, dem alle Äußerungen zur Kenntnis gebracht wurden (MR 2002, 88 - Schönheitschirurgie). Diese Überlegungen sind auf den vorliegenden Fall übertragbar. Auch hier sind für die Frage, wie eine (Werbe-)Aussage zu verstehen (und ob sie danach zur Irreführung geeignet) ist, das Verständnis der angesprochenen Verkehrsteilnehmer aus dem Gesamtzusammenhang, in dem die Äußerung gefallen ist, und der dadurch vermittelte Gesamteindruck maßgebend (RIS-Justiz RS0031883). Nimmt daher eine Werbeaussage nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise auf eine unmittelbar vorangehende Werbung inhaltlich Bezug, ist der Sinngehalt der späteren Werbung nicht isoliert, sondern nach dem Verständnis von Verkehrsteilnehmern zu betrachten, die beide Aussagen kennen. Nach dem festgestellten Sachverhalt hatte die Beklagte zunächst Ende November und auch noch im Dezember 2001 Inserate mit der Ankündigung "aon speed 30. Ein Jahr lang ab lächerlichen ATS 199/Monat" geschaltet. Nach mehreren Unterlassungsklagen - unter anderem hatte auch der Verein für Konsumenteninformation die Beklagte auf Unterlassung dieser Ankündigung in Anspruch genommen - startete die Beklagte Anfang Dezember 2001 eine weitere Werbekampagne unter dem Motto: "aon speed 30, so günstig, dass wir es gar nicht sagen dürfen". Zeitgleich mit dieser zweiten Werbung berichteten einige Tageszeitungen über das vom VKI gegen die Beklagte angestrengte Verfahren sowie darüber, dass die Beklagte ihre erste Werbekampagne nach einem Mitte Dezember mit dem VKI geschlossenen Unterlassungsvergleich beendet habe. Dass diese Berichte einer nicht unbedeutenden Zahl an am Produkt der Beklagten interessierten Verkehrsteilnehmern zur Kenntnis gelangten, ist nicht zweifelhaft. Die dargestellte zeitliche Abfolge und der Inhalt der späteren Aussage "so günstig, dass wir es gar nicht sagen dürfen" lässt auch keinen Zweifel daran, dass die von der Werbung der Beklagten angesprochenen Verkehrsteilnehmer die spätere Aussage mit der früheren (nach den Medienberichten verbotenen) Preisangabe in Verbindung bringen. Mag es auch angesichts der Maßgeblichkeit des Verständnisses der Verkehrsteilnehmer auf diesen Umstand nicht entscheidend ankommen, so war doch der Bezug zum früher angegebenen Preis von der Beklagten auch durchaus beabsichtigt. Nichts anderes kann nämlich der Formulierung "so günstig, dass wir ihn gar nicht nennen dürfen" entnommen werden.

Es liegt daher auf der Hand, dass die Verkehrsteilnehmer, die die im zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang gemachten Werbeaussagen der Beklagten kennen, annehmen werden, die Preisangabe sei deshalb verboten worden, weil die Beklagte in gesetzwidriger Weise zu niedrige Preise verrechne. Grund des Verbots waren aber keineswegs zu niedrige Preise oder eine besonders günstige Kalkulation, sondern eine unvollständige und damit irreführende Darstellung des tatsächlich verlangten Monatsentgelts. Die im vorliegenden Fall beanstandete Werbeaussage verwirklicht daher eine Irreführung über einen den geschäftlichen Verhältnissen zuzurechnenden Umstand. Die Relevanz des Irrtums ist schon deshalb zu bejahen, weil der durch die Aussage vermittelte Eindruck den Kaufentschluss fördern kann. Das von der Klägerin angestrebte Unterlassungsgebot ist somit nach § 2 UWG berechtigt. Ob die Werbeaussage der Beklagten auch eine sittenwidrige Bezugnahme auf Konkurrenten enthält und damit gegen § 1 UWG verstößt, kann offen bleiben.

Dass eine Urteilsveröffentlichung in jenen Medien, in denen die beantandete Werbeaussage vorgenommen wurde, den zu § 25 UWG entwickelten Grundsätzen entspricht, wird von der Beklagten nicht bezweifelt.

Der Revision der Klägerin wird Folge gegeben und - in Abänderung des Urteils des Berufungsgerichts - die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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