Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss wie folgt zu lauten hat:
"Einstweilige Verfügung
Zur Sicherung des mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruchs wird der Beklagten für die Dauer dieses Rechtsstreites verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den Tausend-Auflage-Preis (TAP), das sind die Kosten einer Einschaltung in einem Medium pro 1.000 Exemplare der verbreiteten Auflage, von Gratiszeitungen mit jenen von Kaufzeitungen zu vergleichen und derartige Vergleiche zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten."
Die klagende Partei hat die Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen vorläufig, die beklagte Partei hat die Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist Verlegerin der Tageszeitung "N*****". Die Beklagte ist Verlegerin der monatlich erscheinenden Gratiszeitung "K*****". Das wirtschaftliche Interesse beider Streitteile gilt dem Verkauf von Anzeigen in ihren Medien. Die Beklagte bewirbt ihre Zeitung im Internet und in einem "K*****-Katalog (Daten 2002)", indem sie deren Auflagezahlen jenen der Zeitung der Klägerin in folgender Grafik gegenüberstellt:
In einem Inserat bewirbt die Beklagte ihre Zeitung mit der Behauptung, viele große Marktteilnehmer verstünden es bereits, "das große Potential einer österreichweiten Gratiszeitung zu nutzen: Der TAP beträgt mit 8,71 EUR nur ein Viertel der K***** Zeitung". Die verbreitete Auflage einer Zeitung lässt keinen Schluss darauf zu, wieviele Personen mit diesem Werbeträger tatsächlich erreicht werden.
Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung für die Dauer dieses Rechtsstreites zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den Tausend-Auflage-Preis (TAP), das sind die Kosten einer Einschaltung in einem Medium pro 1.000 Exemplare der verbreiteten Auflage, von Gratiszeitungen mit jenen von Kaufzeitungen zu vergleichen und derartige Vergleiche zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten; in eventu, unter Berufung auf einen Tausend-Auflage-Preis (TAP) von ihr verlegter Gratiszeitungen, insbesondere der Gratiszeitung K*****, Behauptungen über die Effizienz und Günstigkeit sowie über ein einmaliges Preis-Leistungs-Verhältnis von Inseraten in den von ihr verlegten Gratis-Zeitungen, insbesondere dass das Preis-Leistungs-Verhältnis bei Inseraten in K***** viermal so gut sei wie bei Inseraten in der N*****, sowie Behauptungen ähnlicher Bedeutung aufzustellen, zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten. Die beanstandeten Ankündigungen vermittelten den irreführenden Eindruck, dieselbe Leistung, nämlich dieselbe Werbewirksamkeit eines in den verglichenen Medien geschalteten Inserats, koste im Medium der Beklagten lediglich ein Viertel des Entgelts, das die Klägerin verlange. In Wahrheit orientiere sich die Werbewirksamkeit einer Zeitungsanzeige nicht daran, in welcher Anzahl von Exemplaren die Zeitung gedruckt und verteilt, werde, sondern daran, wieviel Leser damit tatsächlich erreicht würden. Die Auflage sei demnach ein unbrauchbarer Wertmesser für die Effizienz eines Werbeträgers.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Die von ihr genannten Auflagezahlen seien ebenso richtig wie der beworbene 1000-Auflage-Preis. Der Werbevergleich sei zulässig, weil er auf richtigen Messzahlen beruhe. Den angesprochenen (fachkundigen) Verkehrskreisen sei der Unterschied zwischen Druckauflage und Zahl der Leser vollkommen klar. Die Werbeaussagen stellten unmissverständlich klar, auf welchen Parameter sich der Werbevergleich allein beziehe, sodass eine Irreführung auch für flüchtige Leser ausgeschlossen sei.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag in seinem Haupt- und Eventualbegehren ab. Die Ankündigung sei nicht zur Irreführung geeignet, weil die angesprochenen Verkehrskreise (potentielle Inserenten), denen der Unterschied zwischen Auflage und erreichter Leserzahl bekannt sei, darin deutlich darüber aufgeklärt würden, dass sich der Vergleich auf die Auflage und nicht auf die Zahl der erreichten Leser beziehe. Nach ihrem Gesamteindruck werde in der Werbebotschaft der Begriff "Auflage" deutlich hervorgehoben und könne nicht mit Leserzahlen oder Reichweite verwechselt werden.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei. Der Begriff "Druckauflage" weise darauf hin, dass damit die Zahl der gedruckten Exemplare gemeint sei; eine Verpflichtung darauf hinzuweisen, dass es sich dabei nicht um die "Verkaufsauflage" handle, bestehe nicht. Im Vergleich zwischen Gratiszeitungen und Kaufzeitungen seien für die Werbewirtschaft (bei Bewertung der Effizienz einer Anzeige) selbst die Leserzahlen nicht von Bedeutung.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.
Nach Auffassung der Rechtsmittelwerberin erwecke der beanstandete Werbevergleich den unrichtigen Eindruck, für die Werbeleistung eines Mediums sei die Auflagezahl von wesentlicher Relevanz; Auflagezahlen und Tausend-Auflage-Preise von Kauf- und Gratiszeitungen seien in Wahrheit nicht vergleichbar, weil Kaufzeitungen mit 1.000 Exemplaren einer Auflage ungleich mehr Leser erreichten als Gratiszeitungen. Dazu ist zu erwägen:
Es besteht ein allgemeines Interesse, dass der Wettbewerb seine Funktionen durch eine Verbesserung der Markttransparenz erfüllen kann, wofür eine den Verbraucher sachlich und wahrheitsgemäß unterrichtende Werbung dienlich ist. Ausgehend vom Leitbild des Leistungswettbewerbs ist deshalb eine vergleichende Werbung solange nicht als anstößig im Wettbewerb anzusehen, als sie wahr ist und nicht über das Maß hinausgeht, das nötig ist, um die Vorzüge der angepriesenen Ware oder Leistung in das richtige Licht zu rücken (Baumbach/Hefermehl dUWG22 § 1 Rz 365a).
Ein Vergleich zu Werbezwecken entspricht nur dann den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs, wenn dem angesprochenen Publikum alle wesentlichen Umstände mitgeteilt werden, die es in die Lage versetzen, sich selbst ein Urteil über die Vorzüge der angebotenen Leistung gegenüber der verglichenen Leistung zu bilden (ÖBl 1997, 66 - Sparpreise mwN; MR 2000, 184 - Weitester Leserkreis). Vergleichende Werbung ist nach Lehre und Rechtsprechung dann unzulässig, wenn sie das "Sachlichkeitsgebot" verletzt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn sich der Vergleich auf wettbewerbsfremde Tatsachen bezieht, also auf solche, die zum Gegenstand des Wettbewerbs in keiner Beziehung stehen (Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht³ § 30 Rz 50; ÖBl 1992, 106 - Staubsauger-Test).
Prunbauer (Die vergleichende [Preis-]Werbung, RdW 1989, 15 ff, 20) geht davon aus, dass außerhalb des reinen Preisvergleichs eine Aufklärung des Publikums über relevante Unterschiede der verglichenen Produkte zulässig ist, wenn für sie ein "hinreichender Grund" vorliegt.
Nach Art 3a Abs 1 der Richtlinie Nr 97/55 EG ist vergleichende Werbung grundsätzlich zulässig, wenn die in Art 3a Abs 1 lit a-h genannten Bedingungen positiver oder negativer Art erfüllt sind (Baumbach/Hefermehl aaO § 1 Rz 366b mN zur Rsp des BGH). Die Eigenschaften der Waren oder Leistungen, die dem gleichen Bedarf oder derselben Zweckbestimmung dienen (lit b), müssen objektiv verglichen werden, und es müssen wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften sein (lit c). Ob eine Eigenschaft wesentlich ist, ist aus der Sicht der Anbieter und der Verbraucher zu beantworten. Danach unwesentliche Eigenschaften können nicht die Zulässigkeit einer vergleichenden Werbung begründen. Ist eine verglichene Eigenschaft wesentlich, so wird sie idR auch für die Verbraucher rechtlich relevant sein. Sachgerecht ist für die Wesentlichkeit und Relevanz eine weite Auslegung, weil von ihr die Zulässigkeit einer vergleichenden Werbung abhängt (Baumbach/Hefermehl aaO Rz 367c).
Diesen Grundsätzen folgend ist der beanstandete Werbevergleich unzulässig. Er hat nämlich mit der Auflagenhöhe eine für die Werbewirksamkeit der verglichenen Dienstleistung (Inserat in einem Printmedium) nicht aussagekräftige und somit nicht relevante Eigenschaft zum Gegenstand, die (als "1000-Auflage-Preis") in Relation zu den Inseratenkosten gesetzt wird, obwohl die verbreitete Auflage einer Zeitung keinen Schluss darauf zulässt, wieviele Personen mit diesem Werbeträger tatsächlich erreicht werden. Dieser Vergleich einer wettbewerbsfremden Tatsache, mag er sich auch nur an ein Fachpublikum wenden und wahr sein, ist unsachlich, weil er nicht geeignet ist, auf Vorzüge der angepriesenen Leistung hinzuweisen und damit zur Information der angesprochenen Verkehrskreise über einen für das Marktverhalten wesentlichen Umstand beizutragen. Er unterstellt vielmehr einen (in Wahrheit nicht gegebenen) Zusammenhang zwischen Auflage und erreichter Leserzahl.
Dem Revisionsrekurs ist daher Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.
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