OGH 1Ob42/03p

OGH1Ob42/03p25.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Andreas W*****, wider die beklagte Partei Anna L*****, vertreten durch Dr. Alois Schneider, Rechtsanwalt in Rattenberg, wegen 11.099,83 EUR sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 10. Dezember 2002, GZ 4 R 286/02v-27, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 9. Oktober 2002, GZ 10 Cg 156/01h-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Umfang der Anfechtung (klagsabweisender Teil) aufgehoben; die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Beklagte machte im Rahmen eines Verlassenschaftsverfahrens gegenüber ihrer Schwester den letztlich von dieser anerkannten Anspruch auf Übertragung einer Liegenschaft im Ausmaß von 1.500 m2 geltend. Zwischen den Beteiligten bestand Klarheit darüber, dass diese Liegenschaft damals als Freiland gewidmet war, aber in Bauland umgewidmet werden sollte. Es kam zunächst nicht zum Abschluss des beabsichtigten "Erberfüllungsvertrags", weshalb sich die Beklagte an den Kläger wandte, um einerseits den Abschluss dieses Vertrags zu erreichen und andererseits die Umwidmung dieses Grundstücks in Bauland zu erwirken. Über die Höhe der hiebei auflaufenden Kosten bzw über die der Kostenberechnung zu Grunde zu legende Bemessungsgrundlage wurde nie konkret gesprochen. Der Kläger entfaltete eine umfassende Tätigkeit, die er schließlich, nachdem die Beklagte auf ein an sie gerichtetes briefliches Ersuchen, sich mit ihm wegen der weiteren Vorgangsweise in Verbindung zu setzen, nicht reagiert hatte, einstellte. Er rechnete daraufhin am 26. 1. 2001 seine Tätigkeit unter Annahme einer Bemessungsgrundlage von 4,350.000 S (1.500 m2 zu je 2.900 S) ab. Der genannte Quadratmeterpreis ist für die Liegenschaft, sollte sie als Bauland gewidmet sein, angemessen. Im Falle der Freilandeigenschaft des Grundstücks hat dieses lediglich einen Wert von 200 S je Quadratmeter. Bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz war die Liegenschaft nicht in Bauland umgewidmet worden.

Der Kläger begehrte 12.072,24 EUR an Honorar für die von ihm entfaltete Tätigkeit und hatte bei dieser Summe bereits eine für die Beklagte bei ihm eingegangene Zahlung im Betrag von 56.126,53 S - aus einer anderen Beauftragung durch die Beklagte - berücksichtigt und verrechnet. Zur Frage der Bemessungsgrundlage brachte der Kläger vor, es sei nie davon ausgegangen worden, dass es sich bei dem von der Beklagten begehrten Grundstück lediglich um Freiland handle, und insbesondere auf Grund der Bemühungen des Klägers sei in der Frage der (Um-)Widmung zwischenzeitlich ein positives Ergebnis erzielt worden.

Die Beklagte wendete ein, die Bemessungsgrundlage für die Honorarforderung des Klägers sei auf der Grundlage eines Grundstückspreises von 200 S je Quadratmeter anzusetzen. Ihr Antrag, die Liegenschaft in Bauland umzuwidmen, sei zwar von der Gemeinde genehmigt worden, doch mangle es noch an der aufsichtsbehördlichen Zustimmung, weshalb eine rechtskräftige Widmung als Bauland nicht vorliege. Der Kläger habe aus einem ihm übertragenen Betreibungsakt 56.126,53 S vereinnahmt und nicht an die Beklagte weitergeleitet. Diesen Betrag wendete sie gegen die allenfalls zu Recht bestehende Klagsforderung aufrechnungsweise ein.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte - unangefochten - zur Zahlung von 972,41 EUR und wies das Mehrbegehren von 11.099,83 EUR ab. Das Interesse der Beklagten sei zwar auf das Erlangen einer Umwidmung der Liegenschaft in Bauland gerichtet gewesen, doch sei dieses Ziel bislang nicht erreicht worden. Es könne auch nicht abgeschätzt werden, ob die Umwidmung jemals erfolgen werde. Demnach habe sich die Bemessungsgrundlage für die vom Kläger erbrachten Leistungen nach den maßgeblichen Bestimmungen der AHR zu richten und dabei sei der konkrete Wert zum Zeitpunkt der Erbringung der Leistung und der Rechnungslegung zu Grunde zu legen, nicht aber der erhoffte fiktive Wert nach einer allfälligen Umwidmung. Der Kläger habe im Betrag von 56.126,53 S selbst eine "materiellrechtliche" Aufrechnung vorgenommen, weshalb für die von der Beklagten eingewendete Gegenforderung kein Raum bleibe und daher nicht in Form eines dreigliedrigen Urteilsspruchs entschieden werden müsse.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass es das Klagebegehren mit 972,41 EUR als zu Recht bestehend erachtete, aussprach, dass die eingewendete Gegenforderung von 4.078,87 EUR bis zur Höhe der als zu Recht bestehend erkannten Klagsforderung nicht zu Recht bestehe, erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger 972,41 EUR zu zahlen und wies das Mehrbegehren im Betrag von 11.099,83 EUR ab; es sprach aus, dass die Revision zulässig sei. Strittig sei lediglich die Bemessungsgrundlage für das Honorar des Klägers, der unbestrittenermaßen Anspruch auf eine angemessene Entlohnung habe. Nach dem Wortlaut des § 5 AHR sei bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage nicht ausschließlich auf das Interesse des Auftraggebers, sondern auch auf den Wert abzustellen, der sich "aus der Sache selbst" ergebe. Der genannten Bestimmung sei nicht zu entnehmen, dass das Interesse des Auftraggebers dem sich aus der Sache selbst ergebenden Wert vorginge. Es sei auf beide Kriterien fallbezogen Bedacht zu nehmen. Mangels gegenteiliger Vereinbarung sei immer die Angemessenheit der Entlohnung im Auge zu behalten. Gewiss sei die Tätigkeit des Klägers darauf gerichtet gewesen, der Beklagten eine Liegenschaft als Bauland zu verschaffen, und dies sei vom Interesse der Beklagten umfasst gewesen. Zu einer Umwidmung sei es aber bisher nicht gekommen, und eine solche sei auch nicht gesichert. Demnach belaufe sich der Wert der Liegenschaft derzeit auf 21.801,85 EUR (= 300.000 S), was den "sich aus der Sache selbst ergebenden Wert" darstelle. Unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit der Entlohnung könne die Bemessungsgrundlage nicht auf Basis des Interesses der Auftraggeberin allein festgesetzt werden. Anderes würde dann gelten, wenn schon jetzt eine Umwidmung in Bauland zustande gekommen wäre oder als gesichert angenommen werden könnte. Die Entscheidung über die von der Beklagten eingewendete Gegenforderung müsse nachgeholt werden und sei demgemäß der Spruch zu verdeutlichen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Strittig ist lediglich, ob das Honorar des Klägers auf Basis des derzeit gegebenen Verkehrswerts der der Beklagten übertragenen Liegenschaft oder auf Basis deren Wertes im Falle der in Aussicht genommenen und auch von der Klägerin gewünschten Umwidmung anzusetzen sei. In Ermangelung eines gesetzlichen Tarifansatzes nach dem RATG sind die Autonomen Honorar-Richtlinien für Rechtsanwälte (AHR) als kodifiziertes Gutachten über die angemessene Honorierung anwaltlicher Leistungen von Bedeutung (SZ 73/7) und unbestrittenermaßen im vorliegenden Fall anzuwenden.

Nach § 5 AHR sind als Bemessungsgrundlage für Honoraransätze, soweit sich nicht auf Grund des Interesses des Auftraggebers oder aus der Sache selbst ein anderer Wert ergibt, die in dieser Bestimmung genannten Beträge, wenigstens aber die dort angegebenen Mindestbeträge angemessen. Das kann eindeutig nur so verstanden werden, dass die im Einzelnen angeführten Bemessungsgrundlagen als Mindestbeträge bloß dann herangezogen werden sollen, wenn sich nicht schon primär auf Grund des Interesses des Auftraggebers oder aus der Sache selbst ein bestimmter Wert als Bemessungsgrundlage ergibt (8 Ob 2121/96m; 1 Ob 19/94 = RdW 1995, 222; AnwBl 1990, 738). Erstes Beurteilungskriterium zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage des Honorars ist daher immer das Interesse des Auftraggebers. Nur wenn dieses nicht eindeutig in Geld beziffert werden kann, sind sekundär die für einzelne Angelegenheiten angeführten Mindestbemessungsgrundlagen als Hilfsmittel heranzuziehen (AnwBl 1990, 738).

Dass die der Beklagten gehörige Liegenschaft im Falle ihrer Widmung als Bauland zu einem Preis von 4,350.000 S verkauft werden könnte und dieser Betrag als Kaufpreis also angemessen wäre, ist unstrittig (S 10 des Ersturteils). Ebenso unstrittig ist, dass die Beklagte die Verwertung der Liegenschaft beabsichtigte (S 8 des Ersturteils). Grundsätzlich ist aber das Interesse eines Verkäufers am Verkauf einer Sache in Höhe des Kaufpreises anzunehmen (AnwBl 1990, 738). Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass sich aus dem Interesse der Auftraggeberin eine Bemessungsgrundlage von 4,350.000 S ergibt, sofern der Kläger Tätigkeiten entfaltet hat, die den Erwerb dieses Grundstücks durch die Beklagte und Verkaufsbemühungen betrafen. Die der Umwidmung der Liegenschaft dienenden Aktivitäten des Klägers sind allerdings nur auf Basis einer Bemessungsgrundlage von 4,050.000 S zu honorieren, nämlich der Differenz zwischen dem Wert des Grundstücks als Bauland (2.900 S pro m2) und dem als Freiland (200 S pro m2).

Die im § 5 AHR verwendete Formulierung: "oder aus der Sache selbst ein anderer Wert ergibt" bedeutet nach Wortlaut und Sinngehalt lediglich, dass neben dem Interesse des Auftraggebers eine zweite Möglichkeit bestünde, die Bemessungsgrundlage für das Honorar nicht mit der Mindestbemessungsgrundlage anzusetzen. Keinesfalls bedeutet diese Formulierung, dass auf beide Möglichkeiten "gebündelt" Bedacht zu nehmen wäre. Im Übrigen erwiese es sich als grob unbillig, die Höhe des einem Anwalt gebührenden Honorars davon abhängig zu machen, ob eine von der Auftraggeberin beabsichtigte und von ihm entrierte Umwidmung bereits zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz im Verfahren über den Zuspruch einer Honorarforderung bewilligt worden wäre oder ob eine solche in naher Zukunft oder überhaupt nicht bewilligt werden würde, zumal der Rechtsanwalt entsprechende Leistungen für die beabsichtigte Umwidmung entfaltete und gerade dies im Interesse der Liegenschaftseigentümerin gelegen war.

Der Oberste Gerichtshof ist nur dazu berufen, über die vom Gericht zweiter Instanz und vom Revisionswerber aufgezeigte Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO zu entscheiden, während zur abschließenden Entscheidung über den strittigen Anspruch eine eingehende Berechnung der einzelnen Honoraransätze erforderlich ist (siehe nur S 19 bis 22 des Ersturteils), sodass gemäß § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO in Stattgebung der Revision die Urteile der Vorinstanzen - im Umfang der Anfechtung - aufzuheben sind.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Stichworte