OGH 1Ob41/03s

OGH1Ob41/03s25.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christoph Z*****, vertreten durch Dr. Ernst Reitmayr, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Mag. Kunigunde H*****, vertreten durch Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen EUR 8.575,39 sA infolge ordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 23. Oktober 2002, GZ 22 R 224/02y-45, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts St. Gilgen vom 16. April 2002, GZ C 152/98 y-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei EUR 8.575,39 samt 4 % Zinsen seit 27. 11. 1997 zu zahlen, wird abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 9.426,60 (darin EUR 1.909,-- an Barauslagen und EUR 1.252,93 an Umsatzsteuer) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte verkaufte im Herbst 1997 im Zuge einer Haushaltsauflösung verschiedene Einrichtungsgegenstände an den Kläger, der durch ein Zeitungsinserat auf die "Auflösung eines Villenhaushalts" aufmerksam gemacht worden war. Über die vom Kläger erworbenen Gemälde wird in dem von einem Bekannten des Klägers entworfenen schriftlichen Kaufvertrag erwähnt, dass es sich dabei um "Originale" handle. Für das Gemälde im Stil von Anton Doll wurde ein Preis von S 12.000, für jenes im Stil von Nicolas Berchem ein solcher von S 35.000 vereinbart. Vor Unterfertigung des Kaufvertrags hatte der Kläger wiederholt nach der Urheberschaft für diese beiden Gemälde gefragt, worauf die Beklagte jeweils ausdrücklich zugesichert und garantiert hatte, dass es sich um Originale der beiden Maler handle, wobei das erstgenannte Gemälde das Fünffache und das zweitgenannte das Dreifache des Kaufpreises wert seien. Tatsächlich stellte sich in der Folge heraus, dass es sich nicht um Originalgemälde handelt. Dem Vorschlag der Beklagten, den Kaufvertrag über die beiden Gemälde rückabzuwickeln, stimmte der Kläger nicht zu.

Er begehrte vielmehr unter Berufung auf eine von der Beklagten abgegebene Garantieerklärung das Erfüllungsinteresse, nämlich die Differenz zwischen dem zugesicherten Wert der Gemälde und dem tatsächlich vereinbarten (und gezahlten) Kaufpreis.

Die Beklagte wendete dagegen im Wesentlichen ein, dass sie keine Garantie übernommen habe. Sie habe lediglich darauf hingewiesen, dass die Gemälde einen den Kaufpreis übersteigenden Wert hätten. Originalwerke der beiden Maler hätten tatsächlich sogar höhere Werte als das Drei- bzw Fünffache des vereinbarten Kaufpreises.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, es sei dem Kläger gelungen, die "Abgabe einer Garantie der Originalität" der beiden "Bilder und ihres drei- bzw fünffachen Wertes gegenüber dem Kaufpreis durch die Beklagte nachzuweisen". Der Kläger sei daher berechtigt, von der Beklagten das Erfüllungsinteresse zu verlangen, das unter Berücksichtigung der außer Streit stehenden Werte von Originalgemälden der beiden Künstler (zumindest) den Klagebetrag ausmache.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Zum Spezieskauf werde zwar von der Rechtsprechung und dem überwiegenden Teil der Lehre bei unbehebbaren Mängeln die Auffassung vertreten, dass grundsätzlich nur der Vertrauensschaden zu ersetzen sei. Eine Ausnahme bestehe jedoch dann, wenn der Veräußerer die Fehlerlosigkeit oder bestimmte Eigenschaften der Sache garantiert habe. Dabei genüge allerdings die Zusage bestimmter Eigenschaften im Sinne einer bloßen Gewährleistungsabrede nicht; vielmehr müsse der Verkäufer das Vorhandensein der fehlenden Eigenschaft garantiert haben, was heiße, dass er für den Fall des "Abhandenseins" der behaupteten Eigenschaft das Interesse des Verkäufers an dieser zu vergüten versprochen habe. Die Abgrenzung zwischen einem echten Garantievertrag und einer bloßen Gewährleistungsabrede durch Zusage bestimmter Eigenschaften einer Sache sei nicht immer leicht. Auch ohne Verwendung des Wortes "Garantie" müsse ausgehend vom Inhalt und Zweck der abgegebenen Erklärungen im Rahmen einer Auslegung nach § 914 ABGB beurteilt werden, welche Verpflichtungen der Erklärende damit habe übernehmen wollen. Dabei komme es nicht auf den subjektiven Willen der erklärenden Partei, sondern nur darauf an, wie der andere Vertragsteil die Erklärung redlicherweise habe verstehen müssen. Nach den Feststellungen habe der Kläger vor Unterfertigung des Kaufvertrags wiederholt nach der Urheberschaft für die beiden Gemälde gefragt, womit er erkennbar Zweifel an den Angaben der Beklagten zum Ausdruck habe bringen wollen. Da die Beklagte daraufhin ausdrücklich zugesichert habe, dass es sich um Originale der beiden Maler handle, wobei das eine Gemälde das Fünffache, das andere das Dreifache des vereinbarten Kaufpreises wert sei, gehe dies über eine bloße Gewährleistungszusage im Sinne [der Zusage] einer ausdrücklich bedungenen Eigenschaft hinaus. Werde die Originalität von Gemälden zugesagt, so liege darin an sich noch keine Garantieerklärung im dargestellten Sinn. Werde aber zugleich ausdrücklich ein bestimmter, über dem Kaufpreis liegender Wert der Gemälde zugesichert, so könne dies von einem redlichen Erklärungsempfänger nur so verstanden werden, dass der Erklärende für diesen Wert auch "eintreten" wolle. Damit liege aber eine Garantieerklärung der Beklagten vor, die sie im Rahmen ihrer Zusage zum Ersatz des Erfüllungsinteresses auch dann verpflichte, wenn das Wort "Garantie" oder "ein davon abgeleitetes Wort von ihr bei Abgabe der Zusage" nicht verwendet wurde. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Abgrenzung zwischen Gewährleistungsabreden und Garantievereinbarungen beim Kaufvertrag eine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zukomme.

Die Revision der Beklagten ist zulässig, weil das Berufungsgericht die in der Judikatur des Obersten Gerichtshofs entwickelten Grundsätze zur Auslegung bestimmter Eigenschafts- bzw Wertzusagen als vertragliche Garantieabreden auf den vorliegenden Fall unrichtig angewendet hat. Sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach den vom Berufungsgericht gebilligten Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts hat die Beklagte über Nachfrage des Klägers ausdrücklich "zugesichert und garantiert", dass es sich um Originalgemälde handle, die das Fünffache bzw das Dreifache des vereinbarten Kaufpreises wert seien. Zutreffend hat das Berufungsgericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung darauf hingewiesen, dass derartige Zusagen, ausgehend von Inhalt und Zweck der abgegebenen Erklärungen, im Sinne des § 914 ABGB danach zu beurteilen sind, welche Verpflichtungen der Erklärende damit für den Erklärungsempfänger erkennbar übernehmen wollte. Grundsätzlich ist bei der Zusicherung von Eigenschaften bzw des Wertes eines Kaufgegenstands eine Garantiezusage im Sinn einer Haftung auf das Erfüllungsinteresse für den Fall der Unrichtigkeit der Zusicherungen nicht anzunehmen. Vielmehr kann regelmäßig auch die Zusage einer "Garantie" vom Horizont eines redlichen Erklärungsempfängers aus nicht auch dahin verstanden werden, dass der Vertragspartner über die Gewährleistungsfolgen hinaus eine zusätzliche Haftung für alle Folgen eines Mangels übernehmen wolle. Letzteres ist nur dann gerechtfertigt, wenn sich aus der getroffenen Vereinbarung die Zusicherung ergibt, der Vertragspartner wolle gegenüber dem anderen eine Haftung übernehmen, die ihrem Wesen nach über die Gewährleistungspflichten und die gesetzliche Schadenersatzpflicht - die hier auf den Vertrauensschadenersatz beschränkt wäre - hinausgeht (JBl 1991, 385 ua). Die Haftung auf das Erfüllungsinteresse beim Spezieskauf, das der Käufer bei pflicht- und tatsachengemäßer Offenlegung der wirklichen Verhältnisse gar nicht hätte erlangen können, trifft den Verkäufer nur ausnahmsweise, und zwar dann, wenn er eine Zusage erteilte, die ganz eindeutig seine Bereitschaft erkennen lässt, den Käufer im Fall des Fehlens der behaupteten Eigenschaft so zu stellen, wie er bei deren Vorhandensein stünde.

Für eine derartige Auslegung der Erklärungen der Beklagten besteht im vorliegenden Fall kein Anlass, zumal der Kläger auch keine Umstände dargelegt hat, die ein besonderes Interesse an einer die Rückabwicklungsverpflichtung der Beklagten übersteigenden Haftung begründen würden. Soweit der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung dazu ausführt, er habe das Leistungsrisiko erkannt und dieses der Beklagten durch sein Nachfragen auch offengelegt, weshalb es für die Beklagte evident gewesen sei, die Richtigkeit ihrer diesbezüglichen Zusagen sei für ihn wesentlich gewesen, wird damit doch nur das allgemeine Interesse jedes Käufers dokumentiert, über maßgebliche Eigenschaften des Kaufgegenstandes richtig informiert zu werden. Eine vom Verkäufer verursachte wesentliche Fehlvorstellung von der gekauften Sache kann aber regelmäßig im Wege der Irrtumsanfechtung bzw der Wandlung insoweit korrigiert werden, als der Käufer so zu stellen ist, als hätte er den Vertrag niemals abgeschlossen. Soweit nun der Kläger wiederholt darauf hinweist, er habe auf die Richtigkeit der Zusagen der Beklagten vertraut (und auch vertrauen dürfen), ist damit nichts für die Frage zu gewinnen, ob er die Erklärungen der Beklagten als "echtes" Garantieversprechen verstehen durfte. Dafür, dass die Beklagte beabsichtigt hätte, dem Kläger bei Nichtzutreffen ihrer Behauptungen über die Urheberschaft für die Gemälde - zusätzlich zu den übereigneten Gemälden - einen Betrag von (zumindest) S 118.000 (= EUR 8.575,39) zu zahlen, bzw dafür, dass der Kläger Grund hatte, die Erklärungen der Beklagten in diesem Sinn zu verstehen, fehlt jeder Anhaltspunkt. Auch der Kläger selbst ist nicht in der Lage, schlüssig darzulegen, auf Grund welcher konkreten Umstände er eine in diesem Sinn zu verstehende Haftungsübernahme der Beklagten erwartet haben könnte: In seiner Parteienaussage erwähnte er nur, er habe darin die Chance erblickt, mit dem Ankauf der beiden Bilder ein "Schnäppchen zu machen" bzw es wäre ein "Wahnsinnsgeschäft" gewesen, wenn diese Bilder wirklich soviel wert gewesen wären. Wesentlich anders gelagert waren die von den vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen EvBl 1973/216 und - richtig - SZ 55/126 beurteilten Sachverhalte. Dort war dem Veräußerer jeweils ein - über das bloße Austauschinteresse hinausgehendes - besonderes Interesse des Käufers am Vorliegen der zugesicherten Eigenschaften bekannt. Die gekauften Sachen sollten im Unternehmen des Käufers (nach Bearbeitung bzw Reparatur) gewinnbringend verwertet werden.

Da somit kein Anlass dafür besteht, die festgestellte Zusage der Beklagten über die Urheberschaft und den Wert der Gemälde als Übernahme einer vertraglichen Verpflichtung zu verstehen, den Beklagten - ungeachtet des vereinbarten Kaufpreises - vermögensmäßig so zu stellen, als hätte er das Eigentum an (in Wahrheit nicht existenten) erheblich wertvolleren Gemälden erlangt, erweist sich das allein auf eine Garantiezusage gestützte Klagebegehren als unberechtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 Abs 1 ZPO. Der Einheitssatz für den Schriftsatz ON 7 beträgt (nur) 60 % (§ 23 Abs 1 und 3 RATG), die Mitteilung ON 28 war zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht erforderlich.

Stichworte