Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wolfgang Z***** des Vergehens des versuchten Landzwangs nach §§ 15, 275 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 19. Dezember 2001 in Wien dadurch, dass er um 9.05 Uhr beim Polizeinotruf 133 anrief und ankündigte, im "Zentrum Simmering" werde in einer Stunde eine Bombe losgehen, einen großen Personenkreis durch eine Drohung mit einem Angriff auf Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit in Furcht und Unruhe zu versetzen versucht.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt. Wie die Subsumtionsrüge der Sache nach zutreffend ausführt, sind dem Schöffenurteil keine tauglichen Feststellungen zu entnehmen, die eine Beurteilung ermöglichen, ob es vom Vorsatz des Angeklagten erfasst war, einen großer Personenkreis in Furcht und Unruhe zu versetzen (Steininger, WK2 § 275 Rz 10). Zum einen wird mit den - erst in der Beweiswürdigung des Urteils enthaltenen - Konstatierungen, der Angeklagte habe es "riskiert, dass ein unbestimmt großer Personenkreis in Furcht und Unruhe versetzt wird", sowie es sei erwiesen, "dass er auch zumindest ernsthaft mit der Möglichkeit rechnen musste, dass ein unbestimmt großer Personenkreis in Furcht und Unruhe versetzt wird" (jeweils US 6), lediglich bewusste Fahrlässigkeit, nicht aber bedingter Vorsatz dargetan. Letzterer erfordert nämlich, dass der Täter die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbilds ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet (§ 5 Abs 1 StGB). Zum anderen bedarf es auch einer - hier nicht erfolgten - zahlenmäßigen Erfassung des vom Vorsatz des Angeklagten umfassten Personenkreises, um eine Aussage darüber treffen zu können, ob dieser als groß iSd § 275 StGB zu werten ist.
Weil das Urteil auch keine eine abweichende rechtliche Beurteilung zulassenden (s unten) Feststellungen zur inneren Tatseite enthält, war es in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben und die Verfahrenserneuerung anzuordnen (§ 285e StPO).
Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht zu prüfen haben, wieviele Personen zur fraglichen Zeit im Einkaufszentrum Simmering waren und ob es vom (zumindest bedingten) Vorsatz des Angeklagten umfasst war, einen großen Personenkreis (der ab einer Zahl von rund 800 Personen anzunehmen ist; vgl Steininger, WK2 § 275 Rz 4 f), in Furcht und Unruhe zu versetzen. Beweiswürdigungsmäßig wird sich das Gericht - wie die Nichtigkeitsbeschwerde (der Sache nach aus Z 5) ebenfalls richtig aufzeigt - dabei mit der Verantwortung des Angeklagten zur subjektiven Tatseite eingehender als bisher auseinander zu setzen haben, zumal es - wie auch der konkrete Fall zeigt - keineswegs selbstverständlich ist, dass ein aufgrund einer Bombendrohung vorgenommener Polizeieinsatz zur Bekanntgabe des Einsatzgrundes oder des Grundes für die Räumung des gefährdeten Bereichs an einen großen Personenkreis führt.
Sollte der Tatbestand des § 275 StGB nicht verwirklicht worden sein, kommt - entsprechende Feststellungen vorausgesetzt - eine Beurteilung der Tat nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (Steininger aaO Rz 12; EvBl 1982/29) sowie (gegebenenfalls idealkonkurrierend) nach § 298 Abs 1 StGB (Leukauf/Steininger Komm3 § 298 RN 7) in Betracht.
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