OGH 11Os11/03

OGH11Os11/0318.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. März 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Miklau als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Thomas R***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 21. Juni 2002, GZ 20 Hv 67/02w-41, in nichtöffentlicher Sitzung nach Anhörung der Generalprokuratur den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen unbekämpft gebliebenen (Teil-)Freispruch enthält, wurde Thomas R***** des (wiederholt begangenen) Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (Punkt I des Urteilssatzes) und des tateinheitlich begangenen Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Nach dem Inhalt des Schuldspruches hat der Angeklagte von Mai 2001 bis 15. Februar 2002 in Purkersdorf

(zu I) außer dem Fall des § 206 StGB dadurch, dass er nachstehend angeführte unmündige Personen zu wiederholten Malen in nicht näher feststellbaren Zeitpunkten am Geschlechtsteil betastete, geschlechtliche Handlungen an unmündigen Personen vorgenommen, und zwar

  1. 1) an der am 21. April 1996 geborenen Patricia K*****,
  2. 2) an der am 28. Mai 1997 geborenen Cara O***** und
  3. 3) an der am 7. Mai 1997 geborenen Marion A***** und (zu II) hiedurch die obgenannten, seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Personen unter Ausnützung seiner Stellung zur Unzucht missbraucht.

    Nur gegen die Anordnung des Maßnahmevollzuges richtet sich die auf die Gründe der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der auch - wie die Staatsanwaltschaft - den Strafausspruch mit Berufung anficht.

Rechtliche Beurteilung

In seiner Mängelrüge (Z 5) kritisiert der Beschwerdeführer die Außerachtlassung jener Passagen des Sachverständigen-Gutachtens, in denen der Sachverständige unter bestimmten Voraussetzungen den aufgrund der von ihm prognostizierten Gefährlichkeit an sich erforderlichen Maßnahmenvollzug für substituierbar hält. Damit wird aber die vom Schöffengericht auf Basis des Gutachtens angenommene Gefährlichkeitsprognose gar nicht in Frage gestellt. Ob nämlich durch eine mit begleitenden Maßnahmen (Weisungen, Bewährungshilfe) unterstützte Behandlung außerhalb der Anstalt die Einweisung unter dem Gesichtspunkt ihrer Zweckbestimmung unterbleiben könnte, hat auf die auf den Urteilszeitpunkt zu beziehende Beurteilung künftiger Gefährlichkeit des Angeklagten keinen Einfluss.

Weil damit die Beschwerdeeinwendungen die Befugnis zur Anordnung der Maßnahme nicht tangieren, sind sie auch unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO, der grundsätzlich eine Anfechtung der Maßnahmenentscheidung mit Verfahrens- und Mängelrüge zulässt, nicht beachtlich (vgl Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 21 bis 25, Rz 9). Z 11 zweiter Fall kommt hier ebenfalls nicht in Betracht, weil mit dem Beschwerdevorbringen eine rechtsfehlerhafte Beurteilung der Prognosekriterien, welche bei gänzlicher Vernachlässigung einer nach dem Gesetz zwingend zu berücksichtigenden Erkenntnisquelle (Person des Täters, sein Zustand, also seine Verfassung im Urteilszeitpunkt, Anlasstat) anzunehmen wäre, gerade nicht behauptet wird (vgl Ratz in WK2 § 21 Rz 24 ff und in WK-StPO § 281 Rz 684). § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO wiederum stellt nicht auf einen Sachverhaltsbezug ab, weshalb die Missachtung von Verfahrensergebnissen - hier der vom Beschwerdeführer genannten Ausführungen des Sachverständigen über eine mögliche Substituierbarkeit des Maßnahmenvollzuges - nur mit Berufung geltend gemacht werden kann.

Auch das Vorbringen zur Rechtsrüge (Z 9 lit a), welches durch die Negierung der festgestellten Gefährlichkeitsprognose (US 5, 7) diesen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzesgemäßen Darstellung bringt, richtet sich der Sache nach nur gegen die Nichtanwendung der (nach § 45 StGB grundsätzlich möglichen) bedingten Nachsicht der Anstaltsunterbringung und kann damit -, ganz abgesehen davon, dass die bedingte Nachsicht die - hier angesichts des verhängten Strafmaßes von zweieinhalb Jahren gar nicht mögliche (vgl § 43 Abs 1 StGB) - gleichzeitige Nachsicht der Strafe voraussetzt (§ 45 Abs 1 zweiter Satz StGB), nur im Rahmen der Strafberufung geltend gemacht werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach als nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1 Z 1 iVm 285a Z 2 StPO), woraus sich die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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